Kontroverse um Forderung nach massiver Reform des Heilpraktikerberufs

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Symbolbild: Heilpraktiker.
Copyright: Creative Commons (Semevent)

Münster (Deutschland) – Mit der aktuellen Veröffentlichung eines Appell einer Expertengruppe aus Medizinern zur Reformierung des Heilpraktikerberufs in Deutschland erreicht eine bereits seit Jahren währende Kontroverse ihren vorläufigen Höhepunkt – fordern die beteiligten Mediziner doch nicht weniger, als die Abschaffung bzw. Neuordnung der staatlichen Anerkennung des Heilpraktikerberufs. Grenzwissenschaft-Aktuell.de stellt im Folgenden die Erklärung des sog. Münsteraner Kreises einer ersten Stellungnahme des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker und des Bund Deutscher Heilpraktiker unkommentiert gegenüber.

UPDATE, 22. August 2017, 22:00h: Ich habe den Presseerklärungen des „Münsteraner Kreises“ und des Fachverbands Deutscher Heilpraktiker nun auch die des Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. hinzugefügt.

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Expertengruppe schlägt umfassende Reform des Heilpraktikerberufs vor

– Bei dieser Meldung handelt es sich um eine Pressemitteilung der Presse- und Informationsstelle Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Eine 17-köpfige Expertengruppe mit Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert (Universität Münster) an der Spitze hat Vorschläge erarbeitet, wie das Heilpraktikerwesen zum Nutzen der Patienten reformiert werden sollte. Der Appell der Experten richtet sich gegen die ihrer Einschätzung nach „unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte“ der Heilpraktiker. Demnach sollte der Beruf entweder abgeschafft oder durch die Einführung spezialisierter „Fach-Heilpraktiker“ als Zusatzqualifikation für bestehende Gesundheitsfachberufe abgelöst werden.

Auf Initiative von Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), hat eine 17-köpfige Expertengruppe („Münsteraner Kreis“) Vorschläge erarbeitet, wie das Heilpraktikerwesen zum Nutzen der Patienten reformiert werden sollte. Der Appell der Experten richtet sich gegen die ihrer Einschätzung nach „unangemessene Ausbildung und die meist unhaltbaren Krankheitskonzepte“ der Heilpraktiker.

Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert
Copyright/Quelle: WWU – Obermeier / uni-muenster.de

Der Münsteraner Kreis hat jetzt das „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“ verabschiedet, über das im Deutschen Ärzteblatt berichtet worden ist. Darin werden zwei Lösungsvorschläge skizziert: 1. Der Heilpraktikerberuf wird abgeschafft 2. Der Heilpraktikerberuf wird abgelöst durch die Einführung spezialisierter „Fach-Heilpraktiker“ als Zusatzqualifikation für bestehende Gesundheitsfachberufe.

Zum Hintergrund: Im deutschen Gesundheitswesen existieren nach Meinung der Expertengruppe zwei Parallelwelten – die Welt der akademischen Medizin und die Welt der Heilpraktiker. Während die akademische Medizin auf wissenschaftlichen Fakten beruhe und nach begründetem Fortschritt strebe, seien Heilpraktiker in der sogenannten „Komplementären und Alternativen Medizin (KAM)“ verankert. Auch der Ausbildungsgang ist verschieden: Während Mediziner ein langes Studium absolvieren, ist die Ausbildung zum Heilpraktiker kurz und weitgehend unreguliert. Da Heilpraktiker gleichwohl das Etikett „staatlich anerkannt“ bekämen, könnten Patienten leicht den Eindruck gewinnen, dass es sich bei Medizinern und Heilpraktikern um gleichwertige Alternativen handele.

Seit vielen Jahren gibt es immer wieder teilweise intensiv geführte Diskussionen um das Thema Komplementäre und Alternative Medizin. Zu den hunderten von Verfahren wurden zahlreiche klinische Studien durchgeführt, deren Qualität allerdings häufig sehr gering ist. Überzeugende Belege für eine Wirksamkeit fehlen meist. Zudem widersprechen die tradierten Krankheitskonzepte und Interventionen oft fundamentalen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen.

Die Autoren sind überzeugt, dass ihre Lösungsvorschläge das Vertrauen in das deutsche Gesundheitswesen stärken und die Versorgung verbessern würden. Das Label „staatlich anerkannt“ wäre in Folge einer Reform wieder ein echtes Qualitätsmerkmal, an dem sich Patienten orientieren könnten. Der Münsteraner Kreis ruft Institutionen und Einzelpersonen auf, sich dem Statement anzuschließen. Dadurch sollten Politiker motiviert werden, das Heilpraktikerwesen nicht nur kosmetisch, sondern grundlegend zu reformieren.

„Im Lauf der Jahre ist bei meinen Mitarbeitern und mir das dringende Bedürfnis entstanden, der Problematik von Alternativmedizin auf den Grund zu gehen“, betont Bettina Schöne-Seifert. Aus diesem Grund hatte sie im Juni 2016 ausgewiesene KAM-Experten verschiedener Fachrichtungen nach Münster eingeladen, um über KAM und das Heilpraktikerwesen zu diskutieren. Einige Experten des daraufhin gegründeten „Münsteraner Kreises“ brachten dazu ihre eigenen Forschungsergebnisse zu den von Heilpraktikern angebotenen Verfahren sowie der Motivation der Patienten ein. „Wir wollten ausloten, wie ein solidarisches Gesundheitswesen verantwortlich und fair mit dem Clash zwischen gefährlicher Pseudowissenschaft und Selbstbestimmung umgehen sollte“, unterstreicht die Medizin-Ethikerin. „Um es deutlich zu sagen: Wir wollten den gegenwärtigen Irrsinn nicht länger hinnehmen.“

Um nicht nur medizinische, sondern auch ethische, wissenschaftstheoretische, psychologische und juristische Aspekte einzubeziehen, wurde der Münsteraner Kreis bewusst interdisziplinär aufgestellt. Die Arbeit der Gruppe wurde nicht von Dritten finanziell unterstützt, und die Mitglieder sind frei von Interessenkonflikten.

Die Autoren des „Münsteraner Memorandums Heilpraktiker“ im Einzelnen (*federführende Hauptautoren):

Prof. Dr. Manfred Anlauf, Mitglied der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer, Bremerhaven; Dr.-Ing. Norbert Aust, Informationsnetzwerk Homöopathie, Hamburg; Dr. Hans‐Werner Bertelsen, Praxis für Zahnmedizin, Bremen; Juliane Boscheinen, Medizinrecht (Rechtsanwältin), Saarbrücken; Prof. Dr. Dr. Edzard Ernst, University of Exeter; Dr. Daniel R. Friedrich*, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, WWU Münster; Dr. Natalie Grams, Informationsnetzwerk Homöopathie, Roßdorf; Prof. Dr. Paul Hoyningen‐Huene, Zentrale Einrichtung für Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsethik, Universität Hannover; Prof. Dr. Jutta Hübner, Stiftungsprofessorin für Integrative Onkologie der Deutschen Krebshilfe am Universitätsklinikum Jena; Prof. Dr. Dr. Peter Hucklenbroich, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, WWU Münster; Prof. Dr. Dr. Heiner Raspe, ehem. Institut für Sozialmedizin, Universität Lübeck, jetzt Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, WWU Münster; Dr. Jan‐Ole Reichardt*, Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, WWU Münster; Prof. Dr. Norbert Schmacke, Versorgungsforschung, Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen; Prof. Dr. Bettina Schöne‐Seifert*, Lehrstuhl für Ethik der Medizin, WWU Münster; Prof. Dr. Oliver R. Scholz, Philosophisches Seminar der WWU Münster; Prof. Dr. Jochen Taupitz, Medizinrecht, Universität Mannheim; Dr. Christian Weymayr*, freier Wissenschafts‐ und Medizinjournalist, Herne

Weitere Informationen: http://daebl.de/BB3

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Expertegruppe ohne Experten?

– Bei diesem Text handelt es sich um eine Presseerklärung des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V.

Ein sogenannter „Münsteraner Kreis“ fühl sich berufen ein Statement zur Neuregelung des Heilpraktikerwesens abzugeben.

Bei der Durchsicht der Teilnehmer fällt auf, dass sich kein einziger Heilpraktiker sowie keiner Heilpraktikerin darunter befinden, auch wurde meines Wissens kein Kontakt zu verbänden aus unserem Berufsstand aufgenommen um Argumente auszutauschen. Die Autoren verstehe dann auch unter Alternativmedizin die Verfahren die in Konkurrenz zu Behandlungsverfahren der wissenschaftsoreintierten Medizin angebiten werden und möchten alle Verfahren aus der Versorgung der Patienten ausschließen.

Neben teilweise fehlerhaften Äußerungen zu Qualifikationen oder Zulassungspraxis der Heilpraktiker werden auch gleich naturheilkundlich arbeitender Ärzte mit angegriffen. Die Autoren versteigen sich sich dann tatsächlich dazu „Lösungsmöglichkeitn“ aufzustellen, nämich entweder die Tätigkeit der Heilpraktiker zu beschränken oder den Beruf gleich ganz abzuschaffen. Hier scheint es ausschließlich darum zu sehen, unliebsame Konkurrenz loszuwerden und die erfolgreiche Arbeit der Kollegenschaft zu diskreditieren.

Als Fazit bleibt zu sagen: „Eine Gruppe von nicht im Heilpraktikerberuf stehenden Menschen urteilt ohne das Einholen von ausreichender Sachkenntnis über eine gesamte Berufsgruppe und kommt auf wenigen Seiten zu dem Schluss, diesem Beruf abschaffen zu wollen!

So geht es sicher nicht. Heilpraktiker sind ein fester Bestandteil des gesundheitswesens und leisen mit ihrer Arbeit einen großen Beitrag zur Gesunderhaltung und Gesundwerdung der ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten. Diese Arbeit schätzen viele Menschen und nehmen diese zu ihrem Nutzen gerne in Anspruch.

Christian Wilms
Präsident des Fachverband Deutscher Heilpraktiker

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BDH weist Kritik an Heilpraktiker-Beruf in Deutschland zurück

– Bei diesem Text handelt es sich um eine Presseerklärung des Bundes Deutscher Heilpraktiker e.V.

Warendorf – Das sogenannte „Münsteraner Memorandum“ hat aktuell zu einer breiten Berichterstattung in deutschen Medien geführt. Aus Sicht des Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. (BDH) ist die Erklärung vor allem eine undifferenzierte und einseitige Generalkritik am Heilpraktiker-Beruf in Deutschland.

„Wir wehren uns gegen diese einseitige Meinungsäußerung sogenannter Experten. Hier werden persönliche Ansichten als neutrale Wahrheiten verkauft. Wir sind erschüttert über die undifferenzierte Darstellung unseres Berufsstandes zu Lasten der Heilpraktiker und ihrer Patienten“, sagt BDH-Präsident Ulrich Sümper.

Leider gibt es auch unter Heilpraktikern einzelne Personen, die sich über geltendes Recht hinwegsetzen und offensichtlich ihre Sorgfaltspflicht verletzen, wie im aktuell erneut diskutierten Fall eines Heilpraktikers in Brüggen aus dem Jahr 2016 vorgetragen wird. Davon abgeleitet aber eine ganze Berufsgruppe in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen, ist unsinnig.

So werden in dem Münsteraner Memorandum zum größten Teil Vorwürfe ohne weitere Beweise in den Raum gestellt – etwa dass Heilpraktiker ihre Patienten nicht über den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu ihren Behandlungsangeboten informieren würden, oder dass es in der Branche kein Fortbildungssystem gebe. Dabei informieren sowohl die Heilpraktiker selbst als auch die Verbände, wie etwa der BDH, ganz offen und intensiv zu den Behandlungsmethoden, deren wissenschaftliche Grundlagen und Anerkennung. Ebenso haben sich seit langem zahlreiche Fortbildungssysteme bei den Fachgesellschaften und den Verbänden etabliert. Seit dem Jahre 2012 gibt es das verbandsübergreifende „Fortbildungszertifikat für Heilpraktiker“, ein System zur Dokumentation der Fortbildungsaktivitäten. Es funktioniert nach einem Punktesystem, wie es in ähnlicher Form auch aus dem ärztlichen Bereich bekannt ist.

„Heilpraktiker leisten in Deutschland einen großen Beitrag zur Volksgesundheit“, erläutert Sümper. So würden Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit vieler Patienten erhöht, indem Heilpraktiker schulmedizinische Therapien begleiten oder sich um Menschen kümmern, die als austherapiert gelten.

Auch der präventive und ganzheitliche Behandlungsansatz der Heilpraktiker sei ein großer Vorteil für die Patienten. „Damit entlasten wir auch das Gesundheitssystem. Wir arbeiten nicht gegen die Schulmedizin. Und wir stehen als Berufsverband BDH für klare Regeln in der Ausbildung, der Zulassung und der Ausübung unseres Berufs. Unsere Patienten vertrauen uns zurecht. Wir lassen uns dieses Vertrauensverhältnis nicht durch einseitige Meinungsäußerungen zerstören“, sagt BDH-Präsident Sümper.

Der Bund Deutscher Heilpraktiker e.V. zählt zu den mitgliederstärksten und einflussreichsten Heilpraktiker-Verbänden Deutschlands. Der Verband mit Sitz in Warendorf vertritt die Interessen seiner ca. 5.000 Mitglieder und des Berufsstandes gegenüber Öffentlichkeit und Politik. Darüber hinaus unterstützt der BDH seine Mitglieder bei allen Anliegen rund um Beruf und Praxis.