Mathematische Formel zeigt, wie schnell Verschwörungen auffliegen

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Apollo-16-Kommandant John W. Young salutiert springend auf dem Mond.

Copyright: NASA

Oxford (England) – Je größer die Gruppe der an einer Verschwörung beteiligten Personen ist, desto leichter läuft diese Verschwörung Gefahr, etwa durch sogenannte Whistleblower öffentlich bekannt zu werden. Die bereits bekannte Regel hat ein britischer Wissenschaftler jetzt analysiert und eine mathematische Formel gefunden. Folgt man dieser, wäre eine Verschwörung um die bemannten Mondlandungen der Apollo-Missionen schon binnen weniger Jahre aufgeflogen. Während die Formel richtig sein mag, hat die Argumentation des Physikers jedoch einen Haken – zumindest was die Mondlandung anbetrifft.

Wie Dr. David Robert Grimes von der Oxford University aktuell im Fachjournal „PLoS One“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0147905) berichtet, drehen sich eine große Anzahl von Verschwörungstheorien um wissenschaftliche Themen. „Während alleine der Glaube daran, dass die Mondlandungen gefälscht waren, in der Regel niemandem schadet etwa der Glaube an Falschinformationen über das Impfen tödlich sein. Allerdings ist nicht jeder Glaube an eine Verschwörungstheorie grundsätzlich falsch. Beispiele hierfür sind etwa die Enthüllungen Edward Snowdens, die einige Verschwörungstheorien über die Aktivitäten der NSA bestätigt haben.“

Der Forscher kritisiert ebenfalls, die derzeitige Tendenz, Verschwörungstheorien und ihre Vertreter grundlos erst einmal in Frage zu stellen: „Aus diesem Grund wollte ich herausfinden, wie Verschwörungen überhaupt möglich sind und um das zu tun, habe ich mir die wesentliche Grundlage einer praktikablen Verschwörung angesehen: die Geheimhaltung.“

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Hierzu erstellte Grimes eine Formel, mit deren Hilfe die Wahrscheinlichkeit errechnet werden kann, dass eine Verschwörung entweder absichtlich – durch sog. Whistelblower – oder unbeabsichtigt durch Stümper an die Öffentlichkeit gerät. Die Faktoren dieser Gleichung sind die Anzahl der Verschwörer, die Zeitdauer und auch Effekte wie das Versterben einiger Verschwörer.

Um eine realistische Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Bekanntwerdens einer Verschwörung zu erhalten, nutzte Grimes drei bekanntgewordene reale Verschwörungen, um diese zu analysieren. Neben der Tuskegee-Syphilis-Studie und dem von Whistleower Frederic Whitehurst FBI-Skandal handelte es sich dabei auch um das „Prism-Projekt“ des US-Geheimdienstes NSA, das durch Edward Snowden ans Tageslicht kam.

In allen Fällen zeigte sich, dass die Anzahl der beteiligten Verschwörer und die Dauer, für die diese geheim gehalten werden konnte, in früheren Untersuchungen deutlich überschätzt wurde.

In einem nächsten Schritt untersuchte Grimes vier angebliche Verschwörungen, darunter auch die Verschwörungstheorien rund um die US-Mondlandungen, in die insgesamt rund 411.000 Menschen involviert gewesen sein müssten. Hinzu die Verschwörungstheorie um ein angeblich nicht existierenden Klimawandel, mit rund 405.000 Involvierten; eine angebliche Verschwörung rund um angeblich unsichere Impfstoffe, mit 22.000 bis 736.000 beteiligten Personen und die Verschwörungstheorie, dass eine angeblich bereits gefundenes Heilmittel gegen Krebs zurückgehalten wird, die – laut Grimes – 714.000 Beteiligte benötigen würde.

Mit seiner Gleichung und den genannten Werten berechnete Grimes, dass eine Mondlandeverschwörung schon nach 3 Jahren und 8 Monaten, die sog. Klimawandel-Lüge nach 3 Jahren und 9 Monaten, eine Impf-Verschwörung nach 3 Jahren und 2 Monaten und eine von der Öffentlichkeit zurückgehaltene Krebsheilungsmethode nach 3 Jahren und 3 Monaten bekannt geworden wäre.

Grundsätzlich ergibt sich anhand der Gleichung, dass maximal 2521 Personen an einer Verschwörung beteiligt sein dürfen, um diese mindestens fünf Jahre erfolgreich geheim halten zu können. Um eine Verschwörung mehr als ein Jahrzehnt unter Verschluss zu halten, dürften nicht mehr als 1.000 Personen darin involviert sein. Ein Jahrhundert lang kann eine Verschwörung nur mit weniger als 100 Komplizen geheim gehalten werden. „Selbst die direkte Vertuschung eines Einzelereignisses benötige bereits komplexe Intrigen, um auch dafür zu sorgen, dass alle Involvierten auch tatsächlich ihren Mund halten“, so Grimes. „Gibt es mehr als 650 Verschwörer, wird es sehr wahrscheinlich, dass die Sache ans Licht kommt.“

„Nicht jeder, der an Verschwörungen glaubt, ist deshalb unvernünftig oder gar unbedacht“, so Grimes abschließend. „Mit meiner Arbeit hoffe ich jedoch zeigen zu können, wie extrem unwahrscheinlich einige der angeblichen Verschwörungen sind. Vielleicht bringt es einige Menschen dazu, zumindest ihre anti-wissenschaftlichen Überzeugungen zu überdenken.

Natürlich wird das jetzt nicht jeden überzeugen; da – das haben Studien gezeigt – der Glaube an Verschwörungen in vielen Fällen ideologisch und nicht rational ist und sich die Verschwörungstheorien oft um sich selbst drehen. Wenn wir uns aber gemeinsam den zahlreichen Problemen – angefangen vom Klimawandel bis Geopolitik – stellen wollen, müssen wir die Realität über die durch Fiktion motivierten Ideologien stellen. Hierfür müssen wir in der Lage sein, besser zu verstehen, warum sich einige Vorstellungen in einigen Gruppen trotz gegenteiliger Beweise hartnäckig halten und wissen, wie wir dem entgegenwirken können.“

+ + + GreWi-Kommentar
Zumindest im Falle der angeblichen Mondlandeverschwörung begeht Grimes jedoch einige kleine Denkfehler in seiner Argumentation: Zum einen gab es schließlich schon vergleichsweise früh (und zwar schon in den 1970er Jahren) öffentliche Zweifel an den Mondlandungen und – folgt man etwa den Autoren Mary Bennett und David S. Percy in ihrem Buch und Dokumentation “ Dark Moon. Apollo and the Whistle-Blowers“ – auch schon früh Whistleblower, deren Aussagen einige daran zweifeln ließen, dass alle Apollo-Aufnahmen auch wirklich auf dem Mond gemacht wurden.

Zum erscheint es zweifelhaft – wie Grimes dies tut – sämtliche, irgendwie am Apollo-Programm Beteiligten als Mengenfaktor in die Formel miteinzubeziehen. Schließlich wäre es schlussendlich „nur“ darum gegangen, der Weltöffentlichkeit eine Landung auf dem Mond unterzujubeln, während das Raumschiff in Wirklichkeit über einen erdnahen Orbit nicht hinausgekommen sein und bestenfalls als solches unbemerkt irgendwo ins Meer gestürzt sein müsste. Schließlich müsste etwa der Ingenieur und Konstrukteur eines Apollo-Teils von einem solchen Plan gar gewusst haben. Vor diesem Hintergrund würde die Anzahl der Verschwörer sehr schnell und ebenso stark schrumpfen – und die Zeitdauer bis zum Auffliegen des Schwindels damit einhergehend stark verlängern. Gerade vor dem Hintergrund von Grimes‘ Berechnungen wäre es hier nun interessant zu wissen, wie groß die Anzahl jener an Apollo Beteiligten war, die von derartigen Plänen (gar nicht erst zum Mond zu fliegen) hätten wissen müssen.

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