Airigh na Beinne Bige: Sternförmige Magnet-Anomalie in einstigem Steinkreis von Calanais

Blick auf einige Steine die große Steinkreisanlage von Calanais (Callanish 1) auf der schottischen Isle of Lewis. Copyright: A. Müller für Grenzwissenschaft-Aktuell.de
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Blick auf einige Steine die große Steinkreisanlage von Calanais (Callanish 1) auf der schottischen Isle of Lewis. Copyright: A. Müller für Grenzwissenschaft-Aktuell.de

Blick auf einige Steine die große Steinkreisanlage von Calanais (Callanish 1) auf der schottischen Isle of Lewis.
Copyright: A. Müller für Grenzwissenschaft-Aktuell.de

St. Andrews (Großbritannien) – Warum haben Menschen vor tausenden von Jahren – trotz oftmals langer Transportwege – gerade an jenen Orten Steine, Menhire, Dolmen und Steinkreise gesetzt, an denen sie oft heute noch stehen? Die Entdeckung einer sternförmigen magnetischen Anomalie im Zentrum eines heute nur noch verborgen existierenden Steinkreises von Calanais (Callanish) könnte nun eine Antwort auf die Frage liefern.

Wie das Team um Dr. Richard Bates vom „Calanais Virtual Reconstruction Project“ der Universitäten von St. Andrews und Bradford aktuell im Fachjournal „Remote Sensing“ (DOI: 10.3390/rs11242975) berichtet, legt die Entdeckung in der Nähe der größten heute bekannten megalithischen Steinformation auf den britischen Inseln, der neolithischen Anlage von Calanais auf der schottischen Insel Lewis, eine schon lange und oft zuvor diskutierte Verbindung zwischen alten Steinsetzungen und Naturkräften nahe.

Der heutige Einzelstein „Airigh na Beinne Bige“ (Callanish 11). Copyright/Quelle: snapr (via Megalithic.co.uk)

Der heutige Einzelstein „Airigh na Beinne Bige“ (Callanish 11).
Copyright/Quelle: snapr (via Megalithic.co.uk)

Auf die sternförmige Magnet-Anomalie stießen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihrer Untersuchung des Hauptsteinkreises von Calanais, dem sogenannten Tursachan Callanais (auch als Callanish 1 bekannt), als sie einzelne Standorte heutiger Satellitensteine auf Hinweise für ehemals dort existierende vollständige Steinkreise untersuchten.

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Zu diesen Satellitensteinen zählt auch der zuvor nur selten untersuchte heutige Einzelstein mit der Bezeichnung „Airigh na Beinne Bige“ am sog. Standort XI (Callanish 11), der von einem Hügel aus auf den großen Steinkreis blickt.

Geophysikalische Messungen bestätigten hier, dass der Stein tatsächlich einst gemeinsam mit weiteren Steinen einen vollständigen Steinkreis bildete, dessen Zentrum eine sternförmige magnetische Anomalie im Boden bildet.

Als Erklärung für das bizarre Bodenmuster vermuten die Archäologen entweder einen großen oder zahlreiche kleinere Blitzeinschläge am gleichen Ort: „Derart eindeutige Beweise für Blitzeinschläge sind in Großbritannien äußerst selten und die Zusammenhang mit diesem Steinkreis aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zufällig“, erläutert Bates und führt dazu weiter aus: „Ob der Blitz am Standort XI auf einen Baum oder Felsen getroffen war, der nicht mehr vorhanden ist, oder ob der Steinkreis selbst spätere Einschläge angezogen hat, ist hingegen noch unklar. Der bemerkenswerte Fund deutet aber darauf hin, dass die Naturkräfte eng mit dem Alltagsleben und dem Glauben der frühen Bauerngemeinschaften auf der Insel verbunden waren.“

Das Ergebnis der geophysischen Scans offenbart eine sternförmige magnetische Anomalie im Zentrum des einstigen Steinkreises von Airigh na Beinne Bige (Callanish 11). Copyright/Quelle: University of St. Andrews / Bates et al. / Remote Sensing, 2019

Das Ergebnis der geophysischen Scans offenbart eine sternförmige magnetische Anomalie im Zentrum des einstigen Steinkreises von Airigh na Beinne Bige (Callanish 11).
Copyright/Quelle: University of St. Andrews / Bates et al. / Remote Sensing, 2019

Dr. Chris Gaffney von der School of Archaeological and Forensic Sciences an der University of Bradford fügt hinzu: „Es gibt nur sehr wenige solcher Hinweise auf Blitzeinschläge an archäologischen Orten. Unsere Arbeit zeigt, dass wir ohne detaillierte wissenschaftliche Untersuchungen niemals in der Lage wären, solche Ereignisse zu identifizieren.“

Aus der noch immer vorhandenen Klarheit des Musters in der oberen Bodenschicht leiten die Forscher ab, dass sich der Einschlag ereignet hatte, bevor der Torf vor mehr als 3.000 Jahren die die Steine umhüllte.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir die Landschaften, die diese rituellen Monumente umgeben und die Rolle, die Natur und Naturereignisse – einschließlich des Blitzes – spielen, verstehen müssen, wenn wir die Entstehung der Rituale und Überzeugungen der Menschen vor vielen tausend Jahren verstehen wollen“, erläutert Professor Gaffney.

Hintergrund
Schon lange werden Naturereignisse und Phänomene wie Blitzeinschläge als mögliche Gründe für die Ortswahl von prähistorischen Steinsetzungen diskutiert. Zugleich stellen einige Forscher aber auch die Frage, warum es an diesen Orten zu vermehrten Blitzeinschlägen kommt, während andere dem Forschungszweig der Geomantie folgend, an entsprechenden Orten Kreuzungspunkte (sog. Meridiane) erdenergetischer Kraftlinien sehen, an denen diese an die Oberfläche treten, wo sie auch messbar sein sollen. Der britische Archäo-Astronom Terence Meaden vermutete zudem, dass einstige Kornkreis-Phänomene der Grund für die ein oder andere prähistorische Steinkreissetzung gewesen sein könnten, da die Menschen damals hier das Wirken der Götter vermuteten – einen ort, den es zu bewahren und zu ehren galt.

Neben der Entdeckung der heute noch messbaren magnetischen Anomalie im Zentrum des einstigen Steinkreises von Airigh na Beinne Bige konnten die Forscher zudem auch einen weiteren, nahe gelegenen Kreis virtuell nachbilden, dessen Steine heute entweder im Boden vergrabenen oder umgestürzt liegen.

Anhand der Scans gelang den Archäologen um Bates auch die Rekonstruktion dieser als „Na Dromannan“ bezeichneten Steine anhand eines vollständigen 3D-Modells (s. Video), mit dem auch der Durchgang von Sonne und Mond erstmals seit vier Jahrtausenden wieder – virtuell – verfolgt werden kann.

„Mit den neuen Methoden haben wir gerade einmal erst angefangen unter den Boden dieser Landschaft zu blicken und bislang gerade einmal an deren Oberfläche gekratzt. Doch schon jetzt bekommen wir ein Gefühl dafür, was dort draußen noch so alles begraben sein könnte und auf seine Entdeckung wartet.“

Schon im nächsten Jahr wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder nach Lewis zurückkehren, um ihre Untersuchungen fortzuführen. Von besonderem Interesse wird dabei auch das Gewässer rund um den Hauptsteinkreis sein, das die alte Landschaft schon lange überschwemmt hat.

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Quelle: University of St. Andrews

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