Tokyo (Japan) – Im Innern des Marsmeteoriten „Allan Hills 84001“ (ALH 84001), in dem schon 1996 NASA-Wissenschaftler Strukturen entdeckt hatten, die sie zunächst für Fossilien eines Marsbakteriums hielten (siehe „Hintergrund“ f.), haben japanische Wissenschaftler stickstoffhaltiges organisches Material in Kohlenstoffmineralien entdeckt. Dieses deuten auf einen feuchten und organisch reichen frühen Mars hin, der lebensfreundlich und für den Beginn des Lebens günstig gewesen sein könnte.
Wie das Team um Atsuko Kobayashi vom Earth-Life Science Institute (ELSI) am Tokyo Institute of Technology und Mizuho Koike vom Institut für Weltraum- und Astronautik der Japan Aerospace Exploration Agency aktuell im Fachjournal „Nature Communications“ (DOI: 10.1038/s41467-020-15931-4) berichtet, ist das organische Material höchstwahrscheinlich seit dem sog. Noachianischen Zeitalter des Mars vier Milliarden Jahre lang erhalten geblieben. Da Karbonatmineralien typischerweise aus Grundwasser ausfallen, deutet dieser Befund auf einen feuchten und organisch reichen frühen Mars hin, der bewohnbar und für den Beginn des Lebens günstig gewesen sein könnte.
Schon seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler zu verstehen, ob es auf dem Mars organische Verbindungen gibt und wenn ja, woher sie stammen. Obwohl neuere Studien aus der Marsforschung auf Basis der Untersuchungen von Mars-Rovern starke Hinweise auf marsianische organische Stoffe gefunden haben, ist wenig darüber bekannt, woher diese stammen, wie alt sie sind, wie weit verbreitet und erhalten sie sind oder in welchem Zusammenhang sie mit der biochemischen Aktivität stehen könnten.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Marsmeteoriten sind Teile des Mars, die selbst durch Meteoriteneinschläge aus der Marsoberfläche in den Weltraum gesprengt wurden und letztendlich auf der Erde landeten. Sie erlauben Wissenschaftlern wichtige Einblicke in die Geschichte des Mars. Besonders wichtig ist dabei ein Meteorit namens „Allan Hills (ALH) 84001“, benannt nach der Region in der Antarktis, die 1984 gefunden wurde. Er enthält orangefarbene Karbonatmineralien (siehe Titelabbildung), die vor vier Milliarden Jahren aus salzigem flüssigem Wasser auf der oberflächennahen Marsfläche ausgefällt wurden. Da diese Mineralien die frühe wässrige Umgebung des Mars aufzeichnen, haben viele Studien versucht, ihre einzigartige Chemie zu verstehen und darin nach Beweisen für urzeitliches Leben auf dem Mars gesucht. Frühere Analysen litten jedoch unter einer Kontamination mit terrestrischem Material aus Schnee und Eis der Antarktis, was es schwierig machte zu sagen, wie viel organisches Material im Meteoriten wirklich Mars selbst stammte. Neben Kohlenstoff ist Stickstoff ein wesentliches Element für das Leben auf der Erde und ein nützlicher Indikator für die Evolution des Planetensystems. Aufgrund früherer technischer Einschränkungen wurde Stickstoff in ALH84001 jedoch bislang noch nicht gemessen.
Hintergrund
Am 7. August 1996 kommentierte der damalige US-Präsident Bill Clinton die damals von der NASA als Beweis für einstiges Leben auf dem Mars verkündete Entdeckung von Strukturen im Innern des Marsmeteoriten ALH 84001.
Die von Clinton selbst geforderte wissenschaftliche Diskussion und Kritik an der Deutung der mikrobischen Strukturen führte in der Folge zur Infragestellung des verkündeten Beweises, der heute in dieser eindeutigen Form nicht mehr als eindeutiger Nachweis einstigen Marslebens anerkannt wird (…GreWi berichtete) und zumindest von den unterschiedlichen Lagern bis heute kontrovers diskutiert wird (…GreWi berichtete).
Die neue Studie verwendete nun modernste Analysetechniken, um den Stickstoffgehalt der ALH84001-Karbonate zu untersuchen. Das Team ist zuversichtlich, die ersten sicheren Beweise für vier Milliarden Jahre alte marsianische organische Stoffe gefunden zu haben, die Stickstoff enthalten.
Nach den sorgfältigen Kontaminationsprüfungen stellten die Wissenschaftler fest, dass die nachgewiesenen organischen Stoffe höchstwahrscheinlich tatsächlich vom Mars selbst stammen. Zudem stellten sie fest, dass der Anteil von Stickstoff in Form von Nitrat, einem der starken Oxidationsmittel auf dem gegenwärtigen Mars, unbedeutend war, was darauf hindeutet, dass der frühe Mars wahrscheinlich keine starken Oxidationsstoffe enthielt und, wie Wissenschaftler vermutet haben, weniger oxidierend war als er es heute ist.
Während die gegenwärtige Oberfläche des Mars zu hart ist, als dass die meisten organischen Stoffe überleben könnten, sagen Wissenschaftler jedoch voraus, dass sich organische Verbindungen Milliarden von Jahren in oberflächennahen Umgebungen erhalten haben könnten. Dies scheint bei den stickstoffhaltigen organischen Verbindungen in den Karbonaten ALH84001 nun tatsächlich der Fall zu sein.
Die Autoren der aktuellen Studie stimmen überein, dass viele wichtige Fragen noch offen sind – etwa woher diese stickstoffhaltigen organischen Stoffe stammen. Kobayashi erklärt dazu: „Es gibt zwei Hauptmöglichkeiten: Entweder kamen sie von außerhalb des Mars oder sie bildeten sich auf dem Mars. Zu Beginn der Geschichte des Sonnensystems wurde der Mars wahrscheinlich mit erheblichen Mengen organischer Materie überschüttet, beispielsweise von kohlenstoffreichen Meteoriten, Kometen und Staubpartikeln. Einige von ihnen haben sich möglicherweise in Salzwasser gelöst und sind in den Karbonaten eingeschlossen.“ Der Leiter des Forschungsteams, Koike, fügt abschließend hinzu, dass alternativ chemische Reaktionen auf dem frühen Mars die stickstofftragenden organischen Stoffe auch vor Ort erzeugt haben könnten. „Wie auch immer, diese Ergebnisse zeigen, dass es auf dem Mars organischen Stickstoff gab, bevor er zum Roten Planeten wurde, den wir heute kennen. Der frühe Mars war möglicherweise „erdähnlicher“, weniger oxidierend, feuchter und organisch reich. Vielleicht war er sogar blau.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
ALH-77005: Spuren von Leben in weiterem Meteoriten vom Mars? 10. April 2019
Meteorit “ALH 84001” belegt: Der Mars hatte vor 4 Mrd. Jahren eine dichte Atmosphäre 4. Oktober 2017
Quelle: Tokyo Institute of Technology
© grenzwissenschaft-aktuell.de