Ammonium-Salze stützen Theorie von Kometen als Lebensbringer

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Gas und Staub steigen von der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf, während sich der Komet dem sonnennächsten Punkt auf seiner Umlaufbahn näherte. Copyright: ESA/Rosetta/NAVCAM

Gas und Staub steigen von der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf, während sich der Komet dem sonnennächsten Punkt auf seiner Umlaufbahn näherte.
Copyright: ESA/Rosetta/NAVCAM

Bern (Schweiz) – Ein Schweizer Wissenschaftsteam hat eine Erklärung dafür gefunden, warum in der nebulösen Hülle von Kometen bislang nur wenig Stickstoff nachgewiesen werden konnte: der Lebensbaustein tritt hauptsächlich in Form von Ammonium-Salzen auf, deren Vorkommen man bisher nicht messen konnte. Die Salze können ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Kometeneinschläge Leben auf der Erde überhaupt erst möglich gemacht haben.

Hintergrund
Vor mehr als 30 Jahren flog die europäische Kometenmission „Giotto“ am Kometen „Halley“ vorbei. An Bord war das Berner Ionenmassenspektrometer „IMS“, das von Prof. em. Hans Balsiger geleitet wurde. Eine wichtige Erkenntnis dieser Messungen war, dass in der der Koma von Halley – der nebulösen Hülle des Kometen, die sich bildet, wenn ein Komet zunehmend in Sonnennähe kommt – scheinbar Stickstoff (N) fehlt. Dieser wurde zwar in Form von Ammoniak (NH3) und Blausäure (HCN) entdeckt, aber die Häufigkeit war weit von der erwarteten kosmischen Häufigkeit entfernt.

Mehr als 30 Jahre später und haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung der Astrophysikerin Kathrin Altwegg von der Universität Bern mittels der Auswertung von Daten des Berner Massenspektrometers „ROSINA“, das an Bord der ESA-Raumsonde „Rosetta“ Daten des Kometen „67P/Churyumov-Gerasimenko“ gesammelt hatte, eine Erklärung für den vermeintlich fehlenden Stickstoff gefunden. Das Ergebnis ihrer Studie haben die Forschenden aktuell im Fachjounral „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-019-0991-9) veröffentlicht.

Weniger als einen Monat vor Ende der Rosetta-Mission befand sich die Raumsonde nur 1,9 Kilometer über der Oberfläche des Kometen, als sie durch dessen Staubwolke flog. Dies führte zu einem direkten Einschlag von Staub in die Ionenquelle des von der Universität Bern geleiteten Massenspektrometers ROSINA-DFMS (Rosetta Orbiter Sensor for Ion and Neutral Analysis-Doppel-Fokussierendes Massenspektrometer).

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„Dank des Fluges durch die Staubwolke konnten Substanzen festgestellt werden, die normalerweise in der kalten Umgebung des Kometen auf den Staubkörnern verbleiben und deswegen nicht gemessen werden können“, erläutert die Pressemitteilung der Berner Universität.

Die Menge von zum Teil vorher nie bei einem Kometen gemessenen Molekülen war erstaunlich. Insbesondere war die Häufigkeit von Ammoniak, der chemischen Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff mit der Formel NH3, plötzlich um ein Vielfaches größer. „Wir kamen auf die Idee, dass die Häufigkeit von Ammoniak in den ROSINA-Daten möglicherweise auf das Vorkommen von Ammonium-Salzen zurückzuführen sein könnte“, erklärt Altwegg und führt dazu weiter aus: „Als Salz hat Ammoniak eine viel höhere Verdampfungstemperatur als das Eis und ist deshalb in der kalten Umgebung des Kometen meist in der festen Form vorhanden, die man bis jetzt weder durch Fernerkundung mit Teleskopen noch vor Ort messen konnte.“

Ausgedehnte Laborarbeiten waren sodenn notwendig, um die Präsenz dieser Salze im kometären Eis nachzuweisen. „Das ROSINA-Team hat Spuren von fünf verschiedenen Ammonium-Salzen gefunden: Ammoniumchlorid, Ammoniumcyanid, Ammoniumcyanat, Ammoniumformat und Ammoniumacetat“, erläutert die Chemikerin im ROSINA-Team und Mitautorin der aktuellen Studie, Dr. Nora Hänni. „Bislang war das scheinbare Fehlen von Stickstoff bei Kometen ein Rätsel. Unsere Studie zeigt nun, dass sehr wohl Stickstoff bei Kometen vorhanden ist, nämlich in der Form von Ammonium-Salzen.“

Unter den entdeckten Ammoniumsalzen sind einige astrobiologisch relevante Moleküle, die zum Aufbau von Harnstoff, Aminosäuren, Adenin und Nukleotiden führen können. „Dies ist durchaus ein weiterer Hinweis, dass Kometeneinschläge mit der Entstehung von Leben auf der Erde verknüpft sein könnten“, so Kathrin Altwegg abschließend.

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Quelle: Universität Bern

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