Toulouse (Frankreich) – Eine Abbildung des Himmels im Gammastrahlenspektrum stellt Astrophysiker vor ein Rätsel: 14 Objekte offenbaren Strahlungseigenschaften, die mit den theoretischen Vorhersagen und Vorstellungen darüber übereinstimmen, wie uns hypothetische Sterne aus Antimaterie, sogenannte Anti-Sterne, erscheinen würden.
Gammastrahlung stellt die energiereichste elektromagnetische Strahlungsform im Universum dar. Jedes Materieteilchen im Universum, wie etwa Elektronen und Quarks, haben ein Gegenstück mit identischen jedoch entgegengesetzten Merkmalen – mit einer Ausnahme: entgegengesetzte Ladung. Treffen ein Teilchen und sein Anti-Teilchen aufeinander, lösen sie sich gegenseitig auf – ein Vorgang, Annihilation oder auch Paarvernichtung genannt, der sich durch einen Gammastrahlenblitz anzeigt. Tatsächlich gehen Physiker davon aus, dass alle Teilchen und Anti-Teilchen am Anfang des Universums zu gleichen Mengen entstanden sind. Obwohl es also ebenso viele Teilchen wie Anti-Teilchen geben sollte, wurde bislang nur extrem geringe Mengen von Anti-Materie entdeckt. Warum das so ist, ist eines der großen Rätsel der Physik und Astrophysik. Während einige Physiker bereits akzeptiert haben, dass es – warum auch immer schlichtweg kaum mehr Anti-Materie gibt, suchen andere in theoretischen und hypothetischen Modellen Erklärungsansätze für die bislang beobachtete (bzw. nicht beobachtete) Unausgewogenheit.
Der Grund, warum Anti-Sterne so schwer zu entdecken sind, könnte also jener sein, dass sie sich grundsätzlich nicht viel anders verhalten würden als gewöhnliche Sterne. Immer nur dann, wenn gewöhnliche Materie, etwa in Form von interstellarem Staub, der von einem solchen Stern angezogen wird. Erst dann würden sich gewöhnliche Materie und die Anti-Materie gegenseitig annihilieren, wodurch es zu einem Überschuss an Gammastrahlung käme, die dann (theoretisch) detektierbar wäre. Bislang wurden derartige Überschüsse jedoch weder in der kosmischen Hintergrundstrahlung noch in anderen Gammastrahlenbeobachtungen entdeckt.
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Vor wenigen Jahren gelang Wissenschaftlern dann vermutlich ein Durchbruch bei der Suche nach der fehlenden Anti-Materie: Mit dem Alpha-Magnetic-Spectrometer-Experiment (AMS-02) an Bord der Internationalen Raumstation ISS gelang der Nachweis von Anti-Helium. Sollten sich diese Messungen Bestätigen, so könnte eine Antwort auf das Rätsel der „fehlenden“ Anti-Materie damit erklären, dass diese in Form sog. Anti-Sternen gebunden ist.
Aktuell hat das Team um Simon Dupourqué vom französischen Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie (IRAP) eine Analyse der Daten zu 5.787 Gammastrahlenquellen anhand 10-jähriger Beobachtungen mit dem Fermi Gamma-ray Space Telescope im Fachjournal „Physical Review D“ (DOI: 10.1103/PhysRevD.103.083016) veröffentlicht, anhand derer sie nach Anzeichen für eine gegenseitige Auflösung von Materie- und Anti-Materie, konkret von Protonen und Anti-Protonen, von punktförmigen Signalquellen (die zunächst wirken, wie gewöhnliche Sterne) gesucht haben.
Das Ergebnis dieser Analyse offenbart nun 14 potenzielle Kandidaten für mögliche Anti-Sterne. Auch wenn sich die Mehrheit, wenn nicht sogar alle, doch als gewöhnliche Gamma-Quellen wie etwa Pulsare oder Schwarze Löcher herausstellen, so sei die Studie doch ein erster Ansatz und Grundlage bei der zukünftigen Suche nach Anti-Sternen in unserer Milchstraße, so die Forschenden. Laut den Berechnungen von Dupourqué und Kollegen sei es allerdings unwahrscheinlich, dass es in der Nähe des Sonnensystems einen Anti-Stern gibt.
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Quelle: IRAP
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