Köln (Deutschland) – Zwar bezeichnen wir Menschen uns heute als „modern“, als Homo sapiens, doch stammt genetischer Anteil noch heute auch von Frühmenschenarten, mit denen wir uns einst den Lebensraum teilten. Ein internationales Archäologenteam hat nun jene Region beschrieben, in der es wahrscheinlich zur Vermischung zwischen modernen Menschen und Neandertalern kam.
Wie Saman H. Guran von der Universität zu Köln, Masoud Yousefi vom Stiftung Neanderthal Museum, Anooshe Kafash von der dänischen Aarhus Universitet und Elham Ghasidian vom DiyarMehr Institute for Palaeolithic Research im iranischen Kermanshah (ebenfalls Stiftung Neanderthal Museum) aktuell im Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-024-70206-y) berichtet, haben sie potenzielle Region identifiziert, in der sich Neandertaler und moderne Menschen nicht nur einen Lebensraum geteilt haben und begegnet sind, sondern wo es offenbar auch zur sexuellen Vermischung zwischen den beiden Menschenarten kam. Noch heute besteht das menschliche Genom bis zu drei Prozent aus Neandertaler Erbgut. Unklar war bislang, wo diese Vermischung stattfand.
Kontaktzone Zāgros-Gebirge
In ihrer Arbeit beschreiben die Forschenden, wie sie mithilfe von Modellen ökologischer Nischen und einem geografischen Informationssystem die Aufenthaltsorte von Neandertalern und Homo sapiens in Teilen Südosteuropas und Südwestasiens ermittelt und die Orte identifiziert haben, an denen sie wahrscheinlich miteinander interagierten.
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Nach der Analyse der geografischen Verteilung von Neandertalern und modernen Menschen konnten die Forscherinnen und Forscher die Liste der möglichen Orte das Zāgros-Gebirge eingrenzen. Das Gebirge erstreckt sich heute über eine Länge von etwa 1500 Kilometern, beginnend in der Provinz Kurdistan an der Grenze zum Irak bis hin zur Straße von Hormus, wo Vorderasien und die Arabische Halbinsel auf eine Entfernung von 50 Kilometern zusammenrücken. Es verläuft weitgehend parallel zum Schwemmland des Tigris und zum Persischen Golf in einem Abstand von 50 bis 100 Kilometern und erreicht in mehreren Gebirgsketten eine Breite von 200 bis 300 Kilometern.
Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass die Region mit ihrer hohen Biodiversität, die abwechslungsreiche Terrain und einem warm-milden Klima für die dort lebenden Neandertaler nahezu ideale Lebensbedingungen lieferte. Zudem lag sie auf dem Weg der Homo sapiens, als sie aus Afrika auswanderten. Tatsächlich wurden in der Region bereits sowohl Neandertaler- als auch Homo-sapiens-Skelette gefunden. Zudem befindet sich hier die Shanidar-Höhle mit dem viel diskutierte „Blumenschmuckfriedhof“ der Neandertaler (…GreWi berichtete).
In dieser Region und unter diesen Voraussetzungen wäre es fast schon überraschend gewesen, wenn sich die beiden Menschenarten hier nicht begegnet wären, so die Autoren und Autorinnen der Studie abschließend.
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Recherchequelle: Scientific Reports
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