Gesamtansicht des Skelettfundes nahe Imola.
Copyright: Pasini et al./World Neurosurgery (2018)
Imola (Italien) – In einem Grab aus dem 7.-8. Jahrhundert haben Archäologen nahe Imola das Skelett einer Frau in einem Wackersteinsarg entdeckt, zwischen deren Hüften zudem das Skelett eines Fötus lagen. Die Position der Knochen deutet daraufhin, dass es sich hierbei um den höchst seltenen Fall einer sogenannten Sarggeburt handelt, bei der die schwangere Tote noch posthum ihr Kind zur Welt brachte.
Wie die Archäologen der Universitäten von Ferrara und Bologna aktuell im Fachjournal „World Neurosurgery“ (DOI: 10.1016/j.wneu.2018.02.044) berichten, weist der Schädel der Toten zudem ein kleines Loch auf, das die Wissenschaftler für das Ergebnis einer medizinischen Behandlungsmethode halten. Während das gut erhaltene Skelett selbst bereits 2010 entdeckt wurde, haben sich die Forscher um Alba Pasini erst jetzt den auffallenden Eigenarten des Fundes angenommen.
Das Alter der Frau bestimmten die Archäologen auf zwischen 25 und 35 Jahre, während der Fötus anhand der Länge der Oberschenkelknochen auf die 38. Schwangerschaftswoche geschätzt wird. Da eine durchschnittliche Schwangerschaft rund 40 Wochen andauert, dürfte die Frau erst kurz vor der Niederkunft verstorben sein.
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Das es sich bei dem Fötus nicht um eine postnatale Grabbeilage eines toten Neugeborenen handelt, schließen die Forscher aus der ungewöhnlichen Position der Knochen: „Während der Kopf und Torso im Raum der Oberschenkel lag, befanden sich die Beine im Bereich der Beckenhöhle, als ob er nur teilweise ausgeschieden wurde.“ Die Forscher vermuten deshalb, dass es sich um eine sogenannte „Sarggeburt“ handelt.
Detailansicht der Beckengegend mit den Knochen des Fötus.
Copyright: Pasini et al./World Neurosurgery (2018)
Zu einer solchen „postmortalen fötalen Extrusion“ kommt es aufgrund natürlicher Fäulnisprozesse im Körper der verstorbenen Mutter. Auch wenn dieser Vorgang bislang noch nie direkt beobachtet wurde, vermuten Wissenschaftler, dass die sich im Körper ansammelnden Fäulnisgase einen derart hohen Druck erzeugen, dass der Fötus auch nach dem Tod durch den Scheidenkanal gepresst wird. Auf diese Weise hat es dann den Anschein, als habe die Verstorbene ihr Kind noch nach dem Tod im Sarg geboren.
Auch das Loch im Schädel der Frau könnte im Zusammenhang mit deren Schwangerschaft stehen: „Das Loch in der Mitte des Schädels könnte das Ergebnis einer sogenannten Trepanation sein. Hierbei handelt es sich um eine Anbohrung des Schädels, von der sich verschiedene medizinische Wirkungen erhofft wurden. Zu diesen gehörte auch die auch als Schwangerschaftsvergiftung bezeichnete Präeklampsie, zu deren typischsten Symptomen hohes Fieber, Krämpfe, starker Schädeldruck und Gehirnblutungen zählen, wie sie wiederum noch bis in 20. Jahrhundert durch Trepanationen behandelt wurden.
Detailansichten des angebohrten Schädels.
Copyright: Pasini et al./World Neurosurgery (2018)
„Das Loch selbst zeigt Merkmale dafür, dass es mit einem runden Schnittwerkzeug herbeigeführt wurde. Zudem deuten drei parallel zueinander verlaufender Rillen ebenfalls auf Trepanation hin.“ Neben diesen kleinen Rillen entdeckten die Forscher eine kleine Schnittmarkierung im Schädel oberhalb des Loches, die sie als Hinweis darauf deuten, dass von hier aus der Kopfhaut zur Behandlung zurückgezogen wurde (s. Abb.). Da der Schädel selbst Anzeichen von Heilung aufweist, vermuten die Archäologen, dass die Tote die Kopfbehandlung noch mehrere Wochen lang überlebt hatte.
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