Archäologen lüften Rätsel um Steinkreise auf Orkney
Die „Stones of Stennes“
Copyright: A. Müller, grenzwissenschaft-aktuell.de
Kirkwall (Großbritannien) – Die Orkney-Inseln vor der nordatlantischen Küste Schottlands gehören zu den bedeutendsten steinzeitlichen Regionen Westeuropas und werden heute noch von zahlreichen imposanten Megalithbauten wie den Steinkreisen von Stennes, Brodgar oder Skara Brae geprägt. In einem Langzeitprojekt haben britische Archäologen nun zahlreiche Rätsel rund um die Monumente und deren Erbauer gelüftet.
Wie das Team um Professor Alex Bayliss von der englischen Denkmalpflegebehörde „English Heritage“ und Professor Alasdair Whittle of Cardiff University aktuell im Fachjournal „Antiquity“ (DOI: 10.15184/aqy.2017.140) berichtet, haben sie die steinzeitlichen Monumente und Siedlungen anhand von Ausgrabungen und mehr als 600 Radiokarbondatierungen (C-14) im Rahmen des „The Times of Their Lives“ untersucht und damit deren Bau- und Nutzungszeitraum auf ca. 3200 bis 2500 v. Chr. bestimmt.
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Die neue Studie offenbart erstmals detailliert diesen Wandel und die dahinterstehenden sozialen Wechselwirkungen: „Die Menschen der Steinzeit trafen alle Arten von Entscheidungen ähnlich wie wir heute, erläutert Bayliss. „Entscheidungen etwa darüber, wo man wohnen sollte, wie und wo die Toten zu bestatten waren, wie Landwirtschaft betrieben werden sollte und wo man sich trifft. Diese damaligen Entscheidungen kommen durch die archäologischen Funde heute wider zum Vorschein.“
Der Ring of Brodgar auf der Orkney-Insel Mainland aus der Luft.
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Demnach wurde Orkney erstmals gegen 3600 (cal) v. Chr. kolonialisiert und ab 3300 gab es eine Ausweitung von sich stetig ausweitenden Siedlungen und Bauten. Die Siedlungsperiode fand ihren Höhepunkt in der ausgedehnten Nutzung von Steinhäusern zwischen 3100 und 2900 v. Chr., die dann zwischen 2800-2600 wieder rückläufig war, sich dann – allerdings konzentriert auf die Brodgar-Stennes-Halbinsel im Westen von Mainland – ab 2600-2300 wieder fortsetzte. „Es war wohl in dieser Zeit, als der ‚Ring von Brodgar‘ errichtet wurde – vermutlich von Menschen, die von ganz Orkney hierfür zusammenkamen.“ Letzteren Schluss lässt eine Untersuchung der heute noch vorhandenen 27 (von einst bis zu 60) stehenden Steinen der Steinkreisanlage zu: „Jeder Stein im Ring of Brodgar stammt aus einer anderen Region der Insel. Es sieht ganz so aus, als hätte jedes Dorf seinen eigenen Stein beigetragen“, erläutert Bayliss gegenüber dem „Indenpendent„.
Steine im „Ring of Brodgar“.
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Wie sich zeigte, unterlagen die Siedlungen und Monumente einem stetigen Wandel, Rivalitäten und Spannungen zwischen den Gemeinden auf den schottischen Atlantikinseln und anderen Gruppierungen, die sie sich in den konkurrierenden Bauten von Versammlungsorten und Grabstätten, sowie der Überlappung unterschiedlicher Baustile und Merkmale der Töpferwarefunde auf den Inseln widerspiegeln.
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Interessant für die Archäologen ist auch der Nachweis des erstmaligen Erscheinens der auf Orkney und den sonstigen britischen Inseln ursprünglich nicht beheimateten mitteleuropäischen Erd- bzw. Wühlmaus (Microtus agrestis) gegen 3200 v. Chr., die Kontakte mit außerbritischen Seefahrern aufzeigen und damit auch die frühe Vermischung mit Menschen vom Kontinent auf Orkney nahelegen.
Das Steinzeitdorf „Skara Brae“ im Luftbild.
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„Heute kommen Besucher aus der ganzen Welt, um die einzigartig erhaltenen archäologischen Überreste auf Orkney in ihrer vermeintlich zeitlosen Anordnung zu bewundern“, kommentiert Professor Whittle. „Unsere Studie zeigt nun aber, dass die Steinzeit meist sehr wechselhaft war und das jene Monumente, die uns heute als beständig erscheinen in Wirklichkeit Teil einer sehr dynamischen und wechselhaften Geschichte waren.“
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