Das sog. „Wow!“-Signal vom 15. August 1977.
Copyright: Ohio State University Radio Observatory
St. Petersburg (USA) – Die Pressemitteilung von US-Astronomen, in der sie kürzlich erklärt hatten, das sogenannte „Wow!“-Signal, das bislang als ebenso hoffnungsvolles wie umstrittenes potentielles Signal einer außerirdischen Zivilisation diskutiert wurde, habe in von Kometen emittierten Wasserstoff-Signalen eine natürliche Erklärung gefunden (…GreWi berichtete), sorgte international für Schlagzeilen und ließ Kritiker der Alien-Theorie jubeln. Nachdem der erste Hype um die Behauptung abgeklungen ist, melden sich nun selbst aus der naturwissenschaftlichen Astronomie- und SETI-Gemeinschaft vermehrt Kritiker der Behauptung zu Wort und stellen die Kometen-Erklärung mehr als in Frage. GreWi hat versucht, die zahlreichen Kritiken zu sortieren und auch den Autor der Kometen-Theorie selbst dazu befragt.
Eine der ersten kritischen Beobachtungen zur Kometen-Theorie von Professor Antonio Paris vom St. Petersburg College ist der deutliche Unterschied in der Stärke des „Wow!“-Signals von 1977 und den aktuell gemessenen Wasserstoff-Signalen der untersuchten Kometen (u.a. „266P/Christensen“). Diese erklärt Paris selbst mit der vor 40 Jahre noch deutlich größeren Masse des Kometen, die dieser bei seiner seitherigen Sonnenumrundung bereits eingebüßt habe.
Hintergrund
Es war der 15. August 1977 als Radioastronomen am Big-Ear-Teleskop an der Ohio State University (s. Abb.) ein starkes Radiosignal aus dem all empfingen. Das Signal auf 1420 Megahertz war derart stark, dass der Astronom Jerry Ehman auf dem Ausdruck der Daten schriftlich den Hinweis „Wow!“ vermerkte (s. Abb. o.).1420 Megahertz entspricht dabei der Wellenlänge von Wasserstoffatomen von 21 Zentimetern und damit genau jener Hauptfrequenz, die von Astronomen bei der Suche nach intelligenten außerirdischen Signalen (Search for Extraterrestrial Intelligence, SETI) bevorzugt absuchen, da es sich bei Wasserstoff um das im Universum am häufigsten vorkommende Element handelt, das Energie sowohl absorbiert und aussendet und diese Frequenz zudem erdähnliche Atmosphären am einfachsten durchdringen kann.
Trotz intensiver Bemühungen blieb seither die Suche nach wiederholten Signalen der gleichen Quelle ergebnislos. Während Analysen des Signals Satelliten und eine Reflektion von der Erdoberfläche ausschließen, hoben Kritiker einer irdischen Deutung schon immer hervor, dass die Intensität des Signals während der Beobachtungsdauer von 72 Sekunden anstieg und wieder abfiel. Diese 72 Sekunden entsprechen genau der Zeitspanne, über die das „Big Ear“ aufgrund seines Sichtfeldes und der Erdrotation ein Objekt verfolgen konnte. Das Signal scheint also tatsächlich aus dem Weltraum gekommen zu sein.
Auch der „Wow!“-Entdecker selbst hat sich bereits zu Paris‘ Artikel geäußert. Gegenüber John Wenz vom „Discover Magazine“ erklärte Ehman: „Ich habe vorab eine Kopie des Artikels erhalten und diesen natürlich sorgfältig studiert. Ich selbst und Kollegen von mir kommen übereinstimmend zu der Schlussfolgerung, dass keiner der beiden Kometen das Wow!-Signal erklären kann.“ Auch habe es keine Rücksprache mit der Ohio State University (OSU) gegeben, an der das „Big Ear“ einst betrieben wurde.
Auch ein offizielles Statement des SETI-Porgramms an der Ohio State University (OSU) selbst, das im Folgenden im übersetzten Orignalwortlaut unkommentiert wiedergeben werden soll, stimmt in die deutliche Kritik mitein:
Hierbei handelt es sich um ein Statement zur Behauptung, dass das „Wow!“-Signal von Wasserstoff-Emissionen eines oder mehrerer unbekannten Kometen stammt. Wir wollen auf Ungenauigkeiten aufmerksam machen, die vernichtend für die Theorie sind, dass das „Wow!“-Signal von einem sich langsam bewegenden Kometen verursacht wurde. Wir heben auch fehlende Detailangaben des Autors der Studie hervor.
Die Mitarbeiter des OSU Radioobservatoriums haben den Fachartikel von Paris zum „Wow!“-Signal und dem Kometen 266/P Christensen (Paris, Antonio. HYDROGEN LINE OBSERVATIONS OF COMETARY SPECTRA AT 1420 MHZ) begutachtet.
Wir schlussfolgern, dass der Komet 266/P Christensen nicht die Quelle des „Wow!“-Signals ist – und das aus den folgenden Gründen:
1. Unter Berufung auf die Ephemeriden (zur Erläuterung: hierbei handelt es sich um die Positionswerte sich bewegender astronomischer Objekte bezogen auf ein jeweils zweckmäßiges astronomisches Koordinatensystem) von: http://ssd.jpl.nasa.gov/horizons.cgi?find_body=1&body_group=sb&sstr=266P%20
Hier sehen wir, dass Komet 266/P Christensen zur Zeit der Ortung des „Wow!“-Signals 1977, nicht auch nur in der Nähe der „Wow!“-Position war:
„Wow!“ befand sich auf: RA 19h 25m 31s – or – 19h 28m 22s, Dec -26 deg 57’
266/P befand sich auf: RA 18h 32m 15s, Dec -27deg 22’.
Die Deklination stimmt annähernd, aber die Rektaszension ist um fast eine Stunde danben und platziert 266P damit in einem ganz anderen Teil des Himmels als das „Wow!“-Signal geortet wurde.
Ein anderer Komet, P/2008 Y2, war schon näher: RA 18h 39m 39s, Dec -29 deg 38’
Seine Deklination war nahezu 3 Grad und die Rektaszension um 47 Minuten daneben, und platzierte somit auch P/2008 Y2 in einem anderen Teil des Himmels als das „Wow!“-Signal.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Strahlbreite des OSU-Teleskops in der Rektaszension nur 3 Zeitminuten betrug, die Kometen aber 47 und 55 Zeitminuten entfernt waren. Diese Kometen hätten die Strahlbreite des OSU-Teleskops also etwa 55 und 47 Minuten früher durchquert
Die Beobachtungen des Kometen durch den Autor 2017 (Paris) in der Nähe des (einstigen) „Wow!“-Signalobjekts sind irrelevant, da es sich dabei nicht um die Position des Kometen 1977 handelt, als das „Wow!“-Signal beobachtet wurde.
2. Der Autor (Paris) zitiert keinerlei Quellen und Referenzen zu Wasserstoffemissionn von Kometen. Wir haben einen Kometenexperten und einen Wasserstoffexperten kontaktiert und beide haben keine Kenntnis davon, dass von einem Kometen ausgehende Wasserstoffemissionen je beobachtet wurden.
3. Der Autor zitiert auch keine Referenzen variabler Emissionen von Kometen. Eine solche Variabilität müsste auf unglaubliche Weise mit dem „Wow!“-Signal übereinstimmen. Das Signal hätte sich zwei Minuten lang konstant 30 Sigma betragen haben müssen, da es exakt dem Antennenstrahl der OSU-Teleskops entsprach. Es hätte zudem zwei Minuten lang weniger als 0,5 Sigma stark sein müssen, drei Minuten früher oder später, da es nicht in einem anderen OSU-Strahl auftauchte.
4. Der Autor weist keine spezifischen Frequenzen im Spektrum aus, weshalb es unmöglich ist, die aktuellen Beobachtungen mit der „Wow!“-Frequenz zu vergleichen oder zu zeigen, dass die Bandbreite des Kometen-Signals weniger als die 10kHz der Bandbreite des „Wow!“-Signals beträgt.
Dr. Robert S. Dixon
Director, Ohio State University SETI Program– Das Statement im Original finden Sie HIER
Gegenüber „Grenzwissenschaft-Aktuell.de“ (GreWi) erklärte Antonio Paris, dass es – inklusive der Ohio State, bislang so gut wie keine Signal-Untersuchungen zu Kometen gegeben habe und er selbst davon ausgehe, dass die von ihm vorgelegte Studie die erste ihrer Art sei, die nach Signalen von Körpern im Sonnensystem suche. Dies erkläre auch, warum es bislang schlichtweg noch keine Vergleichsdaten und Referenzen zu dieser Entdeckung gebe.
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Schon mit der ersten Meldung über den Fachartikel im „Journal of the Washington Academy of Sciences“ zeigten sich neben zahlreichen Laien auch namhafte Vertreter der SETI- und Exobiologie-Szene kritisch angesichts der darin dargelegten Schlussfolgerungen.
So bemerkte Prof. Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University, der unter anderem den Forschungsnetzwerk Extraterrestrische Intelligenz (ETI) angehört und für seine Publikationen über außerirdisches Leben und Intelligenz bekannt ist, in einem Beitrag für das „Air & Space Magazine“ des Smithonian Institute, dass die einstigen Entdecker des „Wow!“-Signals, Astronomen um Astronom Jerry Ehman trotz zahlreicher Versuche das Signal nicht mehr orten konnten, obwohl der Komet – und damit auch von ihm ausgehende Signale – auch wenn damals noch unbekannt – noch mehrere Tage lang eigentlich hätte gefunden werden können.
Tatsächlich geht eine Antwort auf diese Frage allerdings schon aus Paris‘ Arbeit hervor – beschreibt er doch selbst, dass das Wasserstoffsignal (1420 MHz) nur bei direkter Fokussierung auf den Kometen selbst messbar war und schon bei nur einem Grad Abweichung nicht mehr zu orten gewesen sei. Angesichts eines (bzw. zweier) Kometen, die zum Zeitpunkt des „Wow!“-Signals noch nicht einmal entdeckt und damit bekannt waren, eine durchaus vorstellbare Erklärung.
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Auch die extrem schmale Bandbreite des „Wow!“-Signals von gerade einmal 10 kHz lässt nicht nur Schulze-Makuch an einer natürlichen Quelle wie Wasserstoffemissionen eines Kometen zweifeln: „Ein solch schmales Signal ist wirklich schwer mit einer natürlichen Quelle zu erklären und entspricht eher (dem Signal) eines starken, schmalbandigen künstlichen Senders.“
Abschließend zeigt sich Schulze-Makuch aber weiterhin offen: „Auch wenn die (neue) Studie eine natürliche Quelle nahe legt, so wird es sicherlich nicht das letzte Mal sein, dass wir etwas über das Wow-Signal gehört haben. Zumindest verdeutlicht die Studie aber, dass die 1420 MHz Bandbreite, wie sie auch natürlich von Wasserstoff ausgesendet wird, vielleicht nicht die beste Frequenz ist, um nach Botschaften von Außerirdischen zu suchen, da es innerhalb dieses Frequenzfensters auch zahlreich natürliche Quellen gibt.“ (Anm. GreWi: Tatsächlich gehört gerade die 1420er Wasserstofffrequenz zu einer von der klassischen Suche nach intelligenten außerirdischen Signalen, der Search for Extratrrestrial Intelligence – kurz: SETI, mittels Radioteleskopen zu einer sehr beliebten Frequenz, auf der sich Astronomen Botschaften von Außerirdischen erhoffen, da sie mit der Anwesenheit der Grundlage des zumindest des uns bekannten Lebens – Wasser – einhergeht.)
Derart zurückhaltend begegnen aber nicht aller Kollegen der Arbeit von Paris und Kollegen und bezeichnen diese, wie die Radioastronomin Yvette Cendes in einem Reddit-Beitrag sogar als „Bullshit“. Alles beginne schon bei der fragwürdigen Wahl des „obskuren Fachjournals“, in dem die Studie publiziert worden sei, so die Astronomin. Sie selbst macht sogar die Sonne für die von Paris und Kollegen entdeckten Signale verantwortlich.
Auch andere Astronomen stimmen in diese Kritik mit ein. So fragt der Oxford-Professor Chris Lintott, gegenüber dem „Discover Magazine“, warum eine solche vermeintlich wichtige Studie nicht einem der großen Astronomie-Journale zur Fachbegutachtung (Peer Review) und Publikation vorgelegt wurde: „Das gewählte Journal ist kein Organ, in dem Astronomen für gewöhnlich publizieren.“ Genau dies solle, so schlägt Lintott weiter vor, in einem weiteren Schritt nun geschehen.
„Sollte die Beobachtung von Paris & Kollegen stimmen, so müssten wir sehr viel längere Signale finden. Die Studie beschreibt aber lediglich kurze und unterbrochene Ausschläge. Zudem sollten nahezu alle Kometen dann solche Signale aussenden und wir müssten diese ständig empfangen – und nicht nur eines 1977 und dann wieder 2017“, so Lintott. Was das Signal auch immer sei, so schließt der Astronom, „von Kometen stammt es aber nicht“.
Gemeinsam mit weiteren Astronomen hat Chris Lintott eine Liste mit Fragen an Paris zusammengestellt, die dieser bislang jedoch unter Verweis auf eine aktuelle Reise noch nicht beantwortet hat.
Auch gegenüber GreWi zeigte sich Paris deshalb kurz angebunden erklärt aber, er stehe bereits mit einigen seiner Kritiker in Kontakt. „Bislang hat aber noch keiner der Kritiker meine wichtigste Rückfrage beantworten und mir Beweise und Daten vorlegen können, die unsere Daten klar widerlegen.“
Zum weiteren Ablauf des Wow-Projekts erläutert Paris gegenüber GreWi abschließend: „Das Projekt besteht aus drei Phasen: Die erste Phase bestand aus unserer Hypothese, die uns zur zweiten Phase führte, in der die Frage aufgestellt wurde, ob Kometen 1420-Signale aussenden. Wie es scheint, tun sie genau das. Die dritte Phase konzentriert sich auf 2018 (wenn es erneut zur Kometen-Passage kommt) und soll die Frage nach den dahintersteckenden Mechanismen beantworten.
Astronomen haben bislang diese Signale von Kometen noch nicht gefunden, weil es noch kaum spezielle Untersuchungen in eben dieser Richtung gab. Allgemein gibt es nur weniger Radioteleskop-Untersuchungen von Kometen: Gerade mal eine handvoll Studien. Aber ich vermute, dass wir die ersten sind, die speziell dafür ein 10-Meter-teleskop gebaut haben, um damit genau nach dieser Art von Körpern im Sonnensystem zu suchen.“
…sobald mir weitere Antworten und Reaktionen von Paris auf die Kritik vorliegen, wird GreWi erneut berichten.
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