Astronomen rätseln über 100 verschwundene Sterne
Stockholm (Schweden) – Im Rahmen eines Forschungsprojekts haben Astronomen alte und neuen Himmelsaufnahmen miteinander verglichen und dabei festgestellt, dass mindestens 100 Sterne seit Erstellung der Vergleichsaufnahmen in den 1950er Jahren nicht mehr zu sehen sind. Neben astrophysikalischen Erklärungen wollen die Astronomen auch nicht ausschließen, dass für das Verschwinden der nächtlichen Lichtpunkte außerirdische Technologien verantwortlich sein könnten.
Wie das Team um Beatriz Villarroel „Nordic Institute for Theoretical Physics“ (NORDITA) und dem Instituto de Astrofisica de Canarias vorab via ArXiv.org und aktuell im „Astronomical Journal“ (DOI: 10.3847/1538-3881/ab570f) berichten, haben sie im Rahmen des Projekts „Vanishing & Appearing Sources during a Century of Observations“ (VASCO) astronomische Aufnahmen aus den 1950er Jahren mit dem heutigen Stand verglichen und dabei unter 600 Millionen im Himmelskatalog des „Panoramic Survey Telescope And Rapid Response System“ (Pan-STARRS) enthaltenen rund 150.000 Objekte gefunden, die sich auf heutigen Aufnahmen nicht mehr finden. 24.000 dieser „Objekte“ haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann eingehend überprüft und auf diese Weise 100 ungewöhnliche Objekte aussortiert, die seither offenbar verschwunden sind und deren Verschwinden bis auf Weiteres rätselhaft erscheint.
Obwohl es durchaus nicht ungewöhnlich ist, dass die Helligkeit von Sternen schwankt, so stellt doch das Verschwinden der Sterne in eben jener vergleichsweise kurzen zeitspanne von 70 Jahren die Astronomen vor ein Rätsel – schließlich durchlaufen Sterne ihre verschiedenen Lebenszyklen für gewöhnlich sehr langsam oder explodieren am Ende ihrer in einer hellen Sternenexplosionen, einer sogenannten Supernova.
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Aus diesem Grund spekulieren Villarroel und Kollegen derzeit über bislang unbekannte oder sehr seltene astrophysikalische Phänomene wie etwa sogenannt gescheiterten Supernovae, bei der ein Stern nahezu unmittelbar zu einem Schwarzen Loch zusammenfällt. Allerdings sollte dieser Vorgang sehr viel seltener sein, als dass damit die jetzt identifizierten mindesten 100 Ereignisse erklärt werden könnten.
Alternativ könnte es sich aber um sog. veränderliche Sterne handeln, deren Helligkeit seit den alten Beobachtungen in den 1950er Jahren, so stark angenommen hat, dass sie heute schlichtweg nicht mehr ohne weiteres zu sehen, bzw. detektierbar sind. Zudem kommen eigentlich lichtschwache, dafür aber zum Zeitpunkt der Aufnahme uns nahe Objekte, wie sich schnell bewegende Zwergsterne in Frage, die heute nicht mehr dort sind, wo man sie vermuten würde. Auch könnten einige der Objekte grundsätzlich zu lichtschwach sein, um normalerweise überhaupt gefunden werden zu können – aber im Moment der Aufnahmen vor rund 70 Jahren sehr hell waren. Da die alten Vergleichsaufnahmen tatsächlich meist stark rot-empfindlich waren, könnte es sich also um sogenannte M-Sterne handeln, die für ihre Helligkeitszunahmen bekannt sind. Auch Bildfehler und Kratzer müssten anhand des umfangreichen Katalogs als Erklärung überprüft werden.
Die Autoren der Studie denken aber auch über Möglichkeiten nach, wie außerirdische Zivilisationen für das „Verschwinden“ der Sterne verantwortlich sein könnten. In Frage kämen hier sogenannte Dyson-Konstrukte – gewaltige Konstruktionen, die einen Stern anteilig oder sogar vollständig umgeben, um so dessen Energie bestmöglich absorbieren zu können. Es könnte aber auch sein, dass einige der Sterne deshalb einst so hell aufgeleuchtet haben, weil von ihnen aus gezielt Lasersignale ins All gesendet wurden. Konkret überprüfen lasse sich jedoch derzeit keine dieser exotischen Erklärungen.
Um alle 150.000 Anomalien noch genauer untersuchen zu können, planen die Wissenschaftler nun, die Daten eventuell im Rahmen eines offenen Citizen-Science-Projekts (nach dem Vorbild von Zooniverse oder SETI@home, bei denen Computernutzer auf astronomische Daten abrufen und darin nach astrophysikalischen Phänomenen, Exoplaneten oder auch potentiell außerirdischen Signalen suchen können) öffentlich zur Auswertung zur Verfügung zu stellen.
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Quelle: ArXiv.org
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