Auch Planet Merkur könnte einst lebensfreundlich gewesen sein

Das chaotische Gelände auf Merkur. Copyright/Quelle: Planetary Science Institute
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Das chaotische Gelände auf Merkur. Copyright/Quelle: Planetary Science Institute

Das chaotische Gelände auf Merkur.
Copyright/Quelle: Planetary Science Institute

Tucson (USA) – Bislang galt der Planet Merkur zu keiner Zeit seiner Entwicklung als potentiell lebensfreundliche Welt. Neue Forschungsergebnisse lassen vermuten nun jedoch, dass einige Teile der Oberfläche des innersten Planeten unseres Sonnensystems einst doch in der Lage gewesen sein könnten, präbiotische Chemie und vielleicht sogar einfache Lebensformen zu beherbergen.

Wie das Team um Alexis Rodriguez vom Planetary Science Institute (PSI) aktuell im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-020-59885-5) berichtet, handelt es sich bei sogenannten chaotischen Gebieten auf Merkur um Regionen auf der dem großen Caloris-Einschlagbecken gegenüberliegenden Planetenseite. Diese Landschaften entstanden demnach nicht durch Einschläge, sondern durch die Entfernung großer Mengen flüchtiger Stoffe der oberen Kruste entstehen.

„Die Ergebnisse belegen, dass der Merkur an diesen Orten einst eine dicke flüchtige – möglicherweise, aber nicht unbedingt wasserreiche – Kruste hatte“, erläutert Rodriguez. „Die Oberflächentemperatur des Merkur erreicht tagsüber sengende 430 Grad Celsius, und in Abwesenheit einer Atmosphäre sinkt sie nachts auf -180 Grad Celsius. Daher wurden seine Oberflächenumgebungen zu Recht bislang kaum als Heimat von Leben bewertet.“

In ihrer Studie zeigen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun jedoch, dass einige Regionen auf Merkur vielleicht durchaus die Fähigkeit hatten, Leben zu beherbergen.

„Die tiefen Täler und riesigen Berge, die heute das chaotische Gelände (das sich über eine Fläche von etwa 500.000 Quadratkilometern erstreckt) ausmachen, waren einst Teil flüchtiger geologischer Ablagerungen, die einige Kilometer tief reichten. „Ein Schlüssel zur Entdeckung war die Feststellung, dass die Entwicklung des chaotischen Geländes bis vor etwa 1,8 Milliarden Jahren, 2 Milliarden Jahre nach der Entstehung des Caloris-Beckens, andauerte“, erläutert Co-Autor Daniel Berman, ebenfalls vom PSI.

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„Unsere Untersuchung zeigt auch, dass es auch in anderen Regionen des Planeten zahlreiche ausgedehnte chaotische Gebiete gibt, deren Breitenverteilungen von äquatorial bis subpolar reichen. Daher scheint die flüchtige Kruste des Merkur in ihrem Ausmaß größer zu sein und nicht nur regional, sondern vielleicht sogar global verteilt zu sein. Sie besteht zudem höchstwahrscheinlich aus verschiedenen flüchtigen Verbindungen. Die offensichtliche Vielfalt der Zusammensetzung legt nahe, dass die obere Kruste des Planeten effektiv aus einer großen Anzahl von Zusammensetzungs- und thermischen Bedingungen bestehen könnte, von denen einige möglicherweise lebensfreundlich waren und sind und vielleicht auch auf anderen, Merkur-ähnlichen Exoplaneten existieren „, so Rodriguez weiter.

Entschwunden sind diese lebensfreundlichen Verbindungen vermutlich mit der Ausbreitung riesiger Lavafelder schon kurz nach der Entstehung des chaotischen Geländes, durch die die vulkanische Hitze riesige Mengen an flüchtigen Bestandteilen der Kruste destabilisierte und freisetzen konnte. Zudem fanden die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Hinweise auf eine oberflächliche Entgasung, die wahrscheinlich durch solare Erwärmung verursacht wurde.

In diesem Fall böte sich dann die Möglichkeit, auf den Bereich der flüchtigen Eigenschaften und die Zusammensetzungen des Merkur zu schließen. „Eine Möglichkeit besteht darin, dass die flüchtige Kruste von Merkur durch Einschläge aus dem kalten äußeren Sonnensystem oder des Haupt-Asteroidengürtels aufgelöst wurde. Alternativ wurden flüchtige Stoffe aus dem Inneren entgast“, so die Forscher.

„Während nicht alle flüchtigen Stoffe den Merkur lebensfreundlich machten, konnte Wassereis bei geeigneten Temperaturen vorhanden sein. Einige der anderen flüchtigen Bestandteile von Merkur haben möglicherweise zu den Eigenschaften einer ehemaligen wässrigen Nische beigetragen“, erläutert Mitautor Jeffrey S. Kargel und führt dazu weiter aus: „Selbst wenn lebensfreundliche Bedingungen nur für vergleichsweise kurze Zeit existierten, könnten in den chaotischen Gebieten heute noch Relikte der präbiotischen Chemie oder rudimentären Lebens existieren.“

Sollten sich die Untersuchungsergebnisse bestätigen, könnten genau die nun beschriebenen Bereiche als Landeplätze zukünftiger Missionen dienen, um den Ursprung der flüchtigen Kruste des Planeten und möglicherweise sogar sein astrobiologisches Potenzial zu untersuchen.

Quelle: Planetary Science Institute

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