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Bewusstsein ohne Zeit? Studie zur Zeitlosigkeit in tiefen meditativen Zuständen

Symbolbild: Meditation.Copyright: grewi.de
Symbolbild: Meditation.
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Chiyoda (Japan) – Eine aktuelle Studie untersucht Zustände sogenannter „reiner Bewusstseinserfahrung“ während tiefer Meditationen, die meist zudem als „zeitlos“ wahrgenommen beschrieben werden.

„Oft werden diese Zustände als ‚reine Bewusstseinserfahrung‘ dargestellt, in der die Meditierenden zwar zum einen wachsam wirken, aber praktisch frei von jeglichem Inhalt außer dem ‚Bewusstsein selbst‘ sind“, erläutert Assistenzprofessorin Akiko Frischhut von der japanischen Sophia University diesen Zustand. „Im Allgemeinen werden diese Zustände als zeitlos beschrieben, was auf einen Verlust des Zeitbegriffs und anderer Aspekte zeitlicher Phänomene hinweist, einschließlich Konzepten wie Vergangenheit und Zukunft. Doch wenn man sich bewusst ist, wach und aufmerksam zu sein, sollte man sich dann nicht auch bewusst sein, für eine gewisse Zeit wach zu sein? Können tiefe meditative Zustände wirklich zeitlos sein?“

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Berichte verschiedener Kulturen und Epochen gleichen sich

Schon frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Berichte aus der Ich-Perspektive über tiefe meditative Zustände, die sich über verschiedenste Kulturen und Epochen erstrecken, diese Zustände auf interessante Weise ähnlich beschreiben. Ein Merkmal, auf das sich Meditierende zu einigen scheinen, ist, dass tiefe meditative Zustände einerseits „völlig zeitlos“ und andererseits „kontinuierlich andauernd“ wirken. Doch wenn etwas „andauert“, dann muss es für eine gewisse Zeit andauern und kann somit nicht vollständig zeitlos sein.

Im Fachjournal „Philosophical Quarterly“ (DOI: 10.1093/pq/pqae081 https://academic.oup.com/pq/advance-article-abstract/doi/10.1093/pq/pqae081/7718358?redirectedFrom=fulltext&login=false) hinterfragt Frischhut diesen scheinbaren Widerspruch: „Mein Beitrag zielt darauf ab, eine kohärente Konzeptualisierung tiefer meditativer Zustände zu geben, wobei der Fokus besonders auf der phänomenalen Temporalität während der Meditation liegt. Die zentrale Frage ist, ob es möglich ist, eine Erfahrung zu machen, die vollständig zeitlos ist, ohne jegliches zeitliches Merkmal.“

Ziel des Artikels, so führt die Autorin weiter aus, sei es, „diesen scheinbaren Widerspruch zu interpretieren. Frischhut argumentiert hierzu, dass wir den Widerspruch in den Berichten auflösen können, wenn wir annehmen, dass tiefe meditative Zustände notwendigerweise als zumindest ein minimales zeitliches Merkmal erfahren werden müssen: Dauer.

Um diese Idee zu stützen, führt Dr. Frischhut die sogenannte „Extended Now Interpretation“ (ENI) ein und erläutert dazu, dass in der Verwendung des Wortes „zeitlos“ eine Ambiguität besteht, sodass Beschreibungen tiefer meditativer Zustände als „zeitlos“ tatsächlich damit vereinbar sind, dass meditative Zustände als von unbestimmter Dauer erfahren werden, also zwar „für eine gewisse Zeit andauern“, jedoch ohne eine zeitliche Struktur wie Veränderung, Ordnung, Abfolge, Anfang oder Ende. „Aufgrund des wahrgenommenen Mangels an zeitlicher Struktur beschreiben Meditierende den Zustand als ‚zeitlos‘, obwohl er eine Dauer besitzt.“

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Zeitlos im Sinne eines Mangels an zeitlicher Struktur

Die Autorin zeigt, dass das Wort „zeitlos“ manchmal im Sinne von „völlig atemporal“, aber auch im Sinne von „Dauer ohne Struktur“ verwendet wird. Letzterer Sinn mache die Berichte kohärent. Nach ENI findet tiefe Meditation über ein Intervall statt, das die Person als erweitere Gegenwart wahrnimmt, ohne ein Bewusstsein für Veränderung, Abfolge, zeitliche Ordnung, Anfang oder Ende. „Zeitlosigkeit“ bezieht sich somit auf einen Mangel an zeitlicher Struktur, nicht aber auf einen Mangel an Dauer.

In ihrer Analyse untersucht Dr. Frischhut weiter, wie die Aufrechterhaltung von Wachsamkeit möglicherweise gerade das ist, was Meditierende implizit eine Dauer wahrnehmen lässt, selbst in einem Zustand, in dem zeitliche Referenzen nicht existieren. Wachsamkeit, wie sie in tiefer Meditation gefunden wird, kann als gespannte Aufmerksamkeit oder zumindest als Voraussetzung für Aufmerksamkeit beschrieben werden. Mit dem Fortschreiten der Zeit könne ein Meditierender entweder „wachsam“ bleiben oder „wegdämmern“ und in einen weniger aufmerksamen Zustand übergehen.

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Da die Option, wachsam zu bleiben oder nicht, sich für jeden vorübergehenden Moment neu stellt, ist sich der Meditierende des Zeitvergehens bewusst und somit auch einer Zeitspanne, argumentiert Dr. Frischhut. Dazu muss der Meditierende nicht bewusst eine Abfolge von Momenten festhalten, denn die Aufrechterhaltung von Wachsamkeit während der Meditation könnte ausreichen, um ihm ein Bewusstsein für Dauer zu vermitteln, selbst ohne ein Bewusstsein für Abfolge.

Schließlich geht die Wissenschaftlerin auf die Tatsache ein, dass Meditierende berichten, in tiefen meditativen Zuständen keinen Zugriff auf ihr Gedächtnis zu haben, was ein Problem für ihr Argument darstellen könnte. Hier schlägt sie vor, „dass das Erlebnis, in einem gegebenen Moment wachsam zu sein, einen bestimmten phänomenologischen Charakter hat, der anders wäre, hätte ihm nicht eine im Wesentlichen identische Erfahrung von Wachsamkeit vorausgegangen.“

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Wie ein Klopfen an der Tür

Die Forscherin vergleicht dies intuitiv mit dem Klang eines zweiten Klopfens an der Tür, das nicht gleich erlebt würde, ohne dass zuvor ein erstes Klopfen stattgefunden hat. „Somit erlebt ein Meditierender auch ohne Einbezug des Gedächtnisses Dauer in Form von Momenten momentaner Wachsamkeit, die nahtlos aus vorherigen Momenten fließen.“

Insgesamt liefert dieser Artikel einen interessanten Ansatz zu tiefen meditativen Zuständen, der uns helfen könnte, das zu verstehen, was immer wieder in der Geschichte der Menschheit berichtet wurde. Dr. Frischhut, die sich in ihrer gesamten Karriere für ungewöhnliche Bewusstseinszustände fasziniert hat, hofft, dass ihre Analyse Diskussionen in diesem relativ unerforschten Bereich anregt: „Meiner Meinung nach sind außergewöhnliche Bewusstseinszustände wie tiefe meditative Zustände, Träume und psychedelische Zustände in der zeitgenössischen Philosophie nicht ausreichend untersucht worden.“

Hierzu schlägt sie vor, dass die Untersuchung der phänomenalen Temporalität in diesen Randzuständen des Bewusstseins tiefere Einblicke darüber liefern könnte, wie Zeit erlebt wird, und aus einer breiteren Perspektive auch darüber, wie unser Geist funktioniert.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Umfangreichste Studie zum Erleben des sogenannten reinen Bewusstseins bei der Meditation veröffentlicht 15. Juli 2021
Neue Theorie: Unser Bewusstsein ist ein Energiefeld 23. Oktober 2020
Wissenschaftler-Kommission fordert Erforschung des Bewusstseins jenseits der materialistischen Weltanschauung 21. Februar 2020

Recherchequelle: Sophia University

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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