Bislang unbekannter riesiger See unter dem Eis der Antarktis entdeckt
Austin (USA) – Unter der viele Kilometer dicken Eisdecke der Antarktis haben Forschende einen bislang unbekannten See flüssigen Wassers mit gewaltigen Ausmaßen entdeckt. Dieser könnte seit Jahrtausenden oder gar Jahrmillionen von der Außenwelt abgeschlossen existiert haben.
Wie das Team um den Geophysiker Don Blankenship und Shuai Yan von der University of Texas aktuell im Fachjournal „Geology“ (DOI: 10.1130/G50009.1) berichtet, haben sie den See auf den Namen „Lake Snow Eagle“ getauft und erhoffen sich von dessen Erforschung neue Einblicke in die Entstehung und Evolution des antarktischen Eisschildes von Beginn an.
„Dieser See beinhaltet vielleicht Sedimente, wie sie die vollständige Geschichte des ostantarktischen Eisschildes seit dessen Entstehung vor mehr als 34 Millionen Jahren mit all seinen Zyklen abbilden könnten“, so Blankenship in der Pressemitteilung der Universität.
Auch wenn die Antarktis zu den kältesten Orten auf der Erde gehört, so ist sie dennoch nicht gänzlich ein- und zugefroren. Tatsächlich haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits Hunderte unterirdischer Seen flüssigen Wassers, sogenannte subglaziale Seen, in der östlichen Antarktis entdeckt (…GreWi berichtete, s. Links u.).
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass das Wasser dieser Seen trotz der umgebenden Minustemperaturen nicht gefroren ist und nicht friert. Zu diesen Faktoren gehört der vom Eisschild selbst erzeugte unvorstellbar große Druck, durch den der Gefrierpunkt des in den See-Taschen gefangenen Wassers herabgesetzt wird. Hinzu wirkt das Eis selbst auch isolierend gegen die eisige Luft der Oberfläche, während Steine im Untergrund Wärme liefern. Wenn das Wasser in diesen Seen dann auch noch salzhaltig ist, reduziert dies den Gefrierpunkt um Weiteres.
Entdeckt wurde auch der „Lake Snow Eagle“ mittels von das Eis durchdringenden Radarmessungen. Das Wasser selbst reflektiert dabei die Radarwellen heller als das umgebende Eis und andere Materialien. Wie auch schon bei einigen anderen subglazialen Seen wurden die Forschenden zunächst aber durch eine gewaltige Eindellung der Eisfläche an der Oberfläche auf den verborgenen See aufmerksam, wie sie sich auf Satellitenaufnahmen abzeichnete.
Die zwischen 2016 und 2019 erhobenen Radardaten belegen, dass es sich bei dem See um einen der größten bislang entdeckten subglazialen Seen in der Antarktis handelt. Dieser liegt 3,2 Kilometer unter der Oberfläche und hat eine maximale Ausdehnung von 48 Kilometern Länge und 15 Kilometern Breite. Er bildet die tiefste Stelle eines ebenfalls unter dem Eis verborgenen Canyons, der einst von einem Fluss gegraben wurde, dessen Sedimente sogar älter sein dürften als das darüber liegende Eis.
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Anhand der Radardaten zeichnen sich aber nicht nur das Wasser des Sees, sondern auch seine Sedimente ab, anhand derer die Forschenden nun vermuten, dass der See bereits sehr lange existiert – vielleicht sogar schon seit der Zeit der Entstehung des antarktischen Eisschildes selbst.
Jetzt hoffen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen darauf, Wege zu finden, den See, sein Wasser und die Sedimente eines Tages durch kilometerdicke Eisschicht hindurch beproben und damit untersuchen zu können. Hierzu schlagen die sie selbst die Errichtung einer eigenen Forschungs- und Arbeitsstation unmittelbar über dem See vor.
Tatsächlich sind vergleichbare Bohrungen und Probenentnahmen bereits an anderen Orten in der Antarktis geglückt: So bestätigten russische Wissenschaftler im Frühjahr 2021 die erfolgreiche Beprobung des unter bis zu vier Kilometern dickem Antarktiseis verborgenen Wostoksees, in dessen Wasser und Sedimenten die Wissenschaftler zwar keine gänzlich unbekannten Lebensformen, dafür aber eine unerwartet große Artenvielfalt entdeckten (…GreWi berichtete 1, 2, 3)
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Recherchequellen: University of Texas, Geology
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