Borexino-Experiment zeigt: „Das Bild, das wir von der Energieproduktion unserer Sonne haben, kann nicht falsch sein.“
Dresden (Deutschland) – 1.400 Meter tief im Felsmassiv des Abruzzischen Apennins jagen Wissenschaftler im Rahmen des Experiments „Borexino“ nach Neutrinos. Jetzt hat das internationale Team erstmals vier der Neutrinoquellen – also vier verschiedene Wege der Neutrinogeburt – am selben Ort vereinigt: Unserer Sonne. Die Ergebnisse bestätigen u.a. Eigenschaften unseres Sterns, die von der Physik bislang nur theoretisch berechnet worden waren und liefern zugleich den Beweis, dass das Bild, das wir von der Energieproduktion der Sonne – und den Sternen haben – nicht falsch sein kann.
„Eine kombinierte Studie der Entstehungswege von Neutrinos gab es bisher nicht“, erklärt Kai Zuber, Professor für Kernphysik an der an „Borexino“ beteiligten Technischen Universität Dresden. „Diese kombinierten Analysen sind ein Meilenstein für das Verständnis der Kernfusion in Sternen.“
Hintergrund: Solare Neutrinos
Neutrinos, das sind elektrisch neutrale Elementarteilchen mit einer gen Null tendierenden Masse. Die sogenannten „Geisterteilchen“ bewegen sich annähernd mit Lichtgeschwindigkeit und wechselwirken kaum mit anderen Teilchen. Einen Quadratzentimeter, in etwa die Fläche eines menschlichen Fingernagels, durchströmen sekündlich 70 Milliarden Neutrinos ohne Auswirkung. (Quelle: TU Dresden)
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Wie die internationale Forschergemeinschaft aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-018-0624-y) berichtet, gibt es in der Sonne fünf Reaktionsketten, die beim Verschmelzen von Wasserstoff zu Helium Neutrinos hervorbringen. Einige davon sind so schwach, dass selbst Borexino sie nicht zu fassen vermag; vier andere jedoch konnten einzeln bereits nachgewiesen werden. „Wenn man sie einzeln misst, bekommt man immer nur eine Summe von Einzelaufnahmen, nie die gesamte Momentaufnahme. Man ignoriert alle Seitenteile, die in diesem Augenblick auftreten. Die globale Analyse bezieht alle beobachteten Reaktionsketten ein – dass ihre Berechnungen weiterhin die vermuteten Resultate zeigen, bestätigt unser generelles Bild von der Sonne.“
Hintergrund: Borexino
Die „Laboratori Nazionali del Gran Sasso“, befinden sich unter dem Gebirgsmassiv Gran Sasso in Mittelitalien und sind eines der größten unterirdischen Versuchslabore für Elementarteilchen weltweit. Das Gestein schottet die Experimentierstätten gegen andere Teilchen und mit weiterem Aufwand auch die natürliche Radioaktivität der Erde ab. Selten treffen in ihrem 300-Tonnen-Mineralöltank Neutrinos auf Elektronen. Doch wenn dies geschieht – was etwa einmal am Tag vorkommt – schicken sie einen kleinen Lichtblitz durch das Liquid. Es sind genau diese Ereignisse, nach denen die Forscher Ausschau halten.
In weiteren Experimenten wollen die Wissenschaftler nun mit „Borexino“ untersuchen, was zwei Nobelpreisträger in den 1930er Jahren vorhersagten: den Umwandlungsprozess von Wasserstoff in Helium mittels eines Katalyseprozesses. Was die Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker und Hans Bethe damals im Gedankenexperiment durchspielten, ist heute in der Theorie als „Bethe-Weizsäcker-Zyklus“ bekannt.
Die Forscher in den italienischen Laboren wollen ihn nun direkt nachweisen. „Es ist ein Prozess, der in größeren Sternen – schon ab einer anderthalbfachen Masse unserer Sonne – dominant die Energie produziert“, erklärt Prof. Zuber begeistert: „Nach 80 Jahren Theorie wäre es ein Hammer, das in der Realität 1.400 Meter unter Tage zu sehen.“
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