Symbolbild: Torschuss-Situation beim Fußball.
Copyright: Markbarnes (WikimediaCommons), CC BY-SA 2,5
Tübingen (USA) – Fußballtore, die alle – und insbesondere der Schiedsrichter – sehen, die aber in Wirklichkeit gar keine waren, sind nur ein Beispiel dafür, dass wir Menschen manchmal Dinge sehen, wie sie so eigentlich gar nicht passiert sind oder gar nicht da waren. Eine aktuelle Studie hat sich diesem Problem jetzt angenommen und bestätigt, dass selbst, wie im Falle des Schiedsrichters, eine Fachexpertise nicht vor falschen Wahrnehmungen schützt. Das ist auch und gerade für grenzwissenschaftliche Untersuchungen und Fallbeurteilungen interessant.
Die Pressemitteilung der Universität Tübingen, verdeutlicht die Problematik am Beispiels des sogenannten „Phantomtors von Hoffenheim“ im Bundesligaspiel von 1899 Hoffenheim gegen Bayer Leverkusen am 18. Oktober 2013: „Ein Schuss, ein fliegender Ball, ein Loch im Außennetz, ein Tor. Alle sahen das Tor der Leverkusener, so entschied auch der Schiedsrichter, was für die Hoffenheimer eine Niederlage bedeutete. Tatsächlich hatte der Ball jedoch die Torlinie nie überschritten. Ganz klar: Fehler des Schiedsrichters. Oder?“
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Wie die Forscher um Professor Markus Huff aus dem Arbeitsbereich Allgemeine Psychologie der Universität Tübingen aktuell im Fachjournal „Cognitive Research: Principles and Implications“ (DOI: 10.1186/s41235-016-0008-5) erläutern, sei dem Schiedsrichter die Fehlentscheidung nicht anzulasten, denn „der menschlichen Wahrnehmung entgehen viele Informationen, die das Gehirn errate und ergänze – zuweilen in fehlerhafter Weise.“
Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Alisa Brockhoff und Dr. Frank Papenmeier hat Huff diese Erklärungen in Zusammenarbeit mit Professor Oliver Höner vom Institut für Sportwissenschaft und mit Unterstützung des Schweizer Fernsehens in einer empirischen Studie überprüft – mit dem gleichen Ergebnis: „Expertise schützt den Schiedsrichter nicht vor falschen Wahrnehmungen.“
In Experimenten testeten die Wissenschaftler die Wahrnehmungen von Schiedsrichtern des Weltfußballverbands (FIFA), von Fußball-Landesligisten und Studenten beim Betrachten von Videoclips, die typische Ereignisse im Fußball zeigten: Eckstoß, Freistoß und Abschlag, erläutert die Tübinger Universität: „Die Wissenschaftler veränderten die Vorgänge teilweise und schnitten zum Beispiel die tatsächliche Ballberührung heraus. Nach den Videoclips wurden den Studienteilnehmern Bilder gezeigt, bei denen sie jeweils entscheiden sollten, ob sie so in dem Clip zu sehen waren. “
Das Ergebnis: „In den unvollständigen Clips – herausgeschnittene Ballberührung – sahen die Studienteilnehmer entweder ein kausales Ereignis wie einen fliegenden Ball oder ein nicht kausales Ereignis wie zum Beispiel einen verletzten Spieler am Boden oder feiernde Fans. Bei der nicht kausalen Bedingung markierten die Probanden das Bild von der Ballberührung nur selten als ‚gesehen‘. Bei der kausalen Bedingung waren sie sich jedoch genauso sicher wie bei einem vollständigen Clip, die Ballberührung gesehen zu haben“, berichtet Markus Huff. „Die Plausibilität der Ereignisse ist entscheidend beim sogenannten Event Completion-Effekt.“
Die Forscher schlussfolgern, dass das menschliche Gehirn, basierend auf den kausalen Informationen, jeweils die Abläufe ergänzt habe. Tatsächlich war der beschriebene Effekt in allen drei Gruppen von Studienteilnehmern zu beobachten gewesen. „Die zweifelsohne sehr große Expertise der Schiedsrichter hilft ihnen also nicht unbedingt, kritische Ereignisse korrekt wahrzunehmen“, fasst Huff das Ergebnis abschließend zusammen und setzt hinzu: „Unsere Wahrnehmung ist vor allem bei der Verarbeitung dynamischer Szenen, wie einem Fußballspiel, sehr gefordert. Diese Aufnahmekapazität ist bei allen Menschen ähnlich.“
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