Coronae: Aktiver Vulkan-Gürtel auf der Venus entdeckt
Zürich (Schweiz) – Ein Team aus Schweizer und US-amerikanischen Planetenwissenschaftlern hat mit Hilfe hochauflösender Aufnahmen und neuer 3D-Computersimulationen einen bislang unbekannten „Feuerring“ vermutlich noch bis in jüngste Zeit aktiver Vulkane auf der Venus entdeckt. Die Entdeckung verändere unser Bild von der Venus als nahezu geologisch inaktiver Planet hin zu einem Planeten, dessen Inneres viele aktive Vulkane speisen kann, so die Forschenden.
Wie das Team um Professor Taras Gerya von der ETH-Zürich gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen um Professor Laurent Montési von der University of Maryland aktuell im Fachjournal „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-020-0606-1) berichten, haben sie mit Hilfe von 3D-Computersimulationen die heutigen Aktivitäten sogenannter Coronae-Strukturen auf der Oberfläche der Venus klassifiziert und dabei zu ihrer eigenen Überraschung einen bis dato unentdeckten „Feuergürtel“ auf unserem Nachbarplaneten entdeckt.
Schon vor Jahren hatten Planetenforscher auf hochauflösenden Bildern der Magellan-Mission der NASA eigenartige ringförmige Strukturen, sogenannte Coronae (lat. Kronen; Einzahl: Corona) entdeckt. Das Team um Gerya hat danach anhand von Computermodellen erforscht, wie diese Strukturen entstanden sein könnten.
Bis heute gehen die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon aus, dass sogenannte Mantelplumes, die tief aus dem Inneren des Planeten aufsteigen, die kreisförmigen Strukturen an der Oberfläche erzeugen.
Hintergrund
Mantelplumes sind Säulen aus heißem, geschmolzenen Gestein, das durch Konvektionsbewegungen im unteren Mantel bis zur Kruste gelangt. Dort breitet sich der oberste Teil der Säule pilzförmig aus. Die mitgeführte Hitze schmilzt die darüber liegende Kruste kreisförmig auf. Kontinuierlich aus der Tiefe emporsteigendes Material verbreitert den Kopf des Plume und weitet die Ringstruktur auf der Oberfläche aus – eine Corona entsteht. Die harte Kruste, welche den Mantelplume umgibt, zerbricht und taucht schließlich unter den Rand der Corona ab, was lokal tektonische Prozesse in Gang setzt.
(Quelle: ETH-Zürich)
Allerding seien die Topografie von Coronae nicht homogen oder einfach zu beschreiben. „Auf der Venus-Oberfläche kommen solche Strukturen in einer großen Vielzahl von Formen und Größen vor“, erläutert Anna Gülcher, Doktorandin in Geryas Forschungsgruppe.
Mithilfe eines größeren Datensatzes von verbesserten 3D-Simulationen haben Gülcher und Kollegen die Coronae deshalb erneut untersucht, um die Vielfalt der Oberflächentopografie mit darunter ablaufenden Prozessen zu verknüpfen.
Die neuen Simulationen zeigen nun, dass die Topografie einer Corona davon abhängt, wie dick und stark die Kruste an der Stelle ist, an welcher ein Mantelplume auftrifft. Anhand der Analysen zeigt sich nun deutlich, dass die Coronae-Topografien davon abhängen, wie aktiv die darunterliegende Magmasäule ist.
Diese Unterscheidung erlaubte es den Forschenden, über hundert große Coronae der Venus in zwei wesentliche Gruppen einzuteilen: Solche, unter denen derzeit ein aktiver Plume aufsteigt und geschmolzenes Material mitführt, und jene, unter denen der Plume erkaltet und inaktiv geworden ist. „Jede Corona-Struktur hat eine spezifische Signatur, die anzeigt, was darunter vor sich geht“, erklärt Gülcher.
Alle aufgrund ihrer Aktivität eingeteilten Coronae trug die Forscherin auf einer Venus-Karte ein. Zu ihrer Überraschung konnte sie die meisten der Strukturen, die über aktiven Mantelplumes liegen, auf einem Gürtel in der unteren Hemisphäre der Venus verorten. Nur wenige aktive liegen demnach außerhalb dieses Bandes. „Wir nannten es deshalb in Anlehnung an den ‘Pazifischen Feuerring der Erde’ den ‘Feuerring der Venus’.“ Sie geht davon aus, dass dieser Feuerring mit einer Zone zusammenfällt, in der besonders viel Plume-Material aufstößt.
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Es sei jedoch wichtig zu beachten, dass auf der Erde die Plattentektonik für die Lage und Dynamik des Feuerrings verantwortlich sei – auf der Venus aber ein vertikaler Hotspot-Vulkanismus wirke, der auf der Erde nur an wenigen Orten vorkomme.
Weshalb sich die Mantelplumes auf der Venus genau in solch einem Gürtelring anordnen und was dies für Prozesse bedeutet, die sich tief im Inneren dieses Planeten abspielen, ist noch eine ebenso wichtige wie offene Frage. Diese könnte in künftigen Studien mit Computersimulationen im großen Maßstab angegangen werden, erklärt Gülcher.
In ihren Modellen simulieren die Forschenden nur wenige hundert Kilometer des obersten Teils eines Mantelplumes. In der Realität aber könnten solche Magmasäulen über 1000 Kilometer lang sein. „Die gesamte Länge zu simulieren, kommt aufgrund der erforderlichen Rechenkapazität nicht in Frage“, so Gülcher. Nur schon die aktuellen Simulationen sind achtmal grösser als bisherige. Gerechnet wurden sie auf dem Euler-Cluster der ETH.
Von den neuen Erkenntnissen erhoffen sich die Planetenforscher auch neue Einsichten darüber, wie Mantelplumes im Inneren der Erde funktionieren. Sie dürften verantwortlich sein für die Entstehung von Hotspot-Vulkanismus wie er sich beim Hawaiianischen Inselarchipel äußert. Mantelplumes könnten zudem ein Auslöser für die auf der Erde beobachtete Plattentektonik gewesen sein, wie Geryas Forschungsgruppe ebenfalls mit Hilfe von Simulationen aufzeigte. Wie damals erwähnt, könnte die Venus als Modell für die Prozesse dienen, die sich auf der frühen Erde abgespielt haben könnten.
Die Ergebnisse sollen nun zudem bei der Auswahl des Landeareale zukünftiger Venus-Missionen behilflich sein. So plant beispielsweise die Europäische Raumfahrtagentur ESA die Mission “EvVision” schon jetzt für das Jahr 2032.
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Quelle: ETH Zürich
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