Das Calvin-UFO-Foto: ein weiterhin ungelöstes Rätsel
– Bei diesem Text handelt es sich um einen Gastbeitrag von Dr. David Clarke der am 11. März 2023 erstmals im englischsprachigen Original unter dem Titel „The Calvine UFO photo: an unsolved mystery“ vom Autor auf „drclarke.substack.com“ veröffentlicht wurde. Der Text wurde – mit freundlicher Genehmigung des Autors (D. Clarke) – durch www.GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt. Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigenen.
Man sagt, dass die Natur ein Vakuum verabscheut, und das trifft definitiv auf die rätselhaften UFO-Fotografien von Calvine zu. Mit der Enthüllung des Klarnamens des Fotografens der UFO-Fotos von Calvine, Kevin Russell, hatte der „Scottish Daily Record“ die Jagd nach dem schwer fassbaren Fotografen neu entfacht. Dieser Name erscheint auf der Rückseite des Abzugs, der im August 1990 im Redaktionsbüro der Zeitung in Glasgow bearbeitet wurde, bevor die Zeitung die Negative an das britische Verteidigungsministerium übergab.
Dem Calvine-Ermittlungsteam, mit dem ich zusammengearbeitet habe, war der Name seit Anfang letzten Jahres bekannt, aber wir hatten uns entschieden, ihn nicht zu veröffentlichen, bis wir selbst alles getan hatten, um Kevin Russell mithilfe öffentlich zugänglicher Quellen ausfindig zu machen. Aber trotz einer zehnmonatigen Suche, während der unser Team mehr als 200 Personen dieses Namens in Schottland und darüber hinaus kontaktierte, hat sich niemand offenbart, der gesuchte Kevin Russell zu sein.
Unsere Nachforschungen hatten zuvor ergeben, dass ein Mann dieses Namens, damals Mitte 20, 1990/91 als Küchenportier im Pitlochry Hydro Hotel lebte und arbeitete. Diejenigen, die mit ihm arbeiteten, sagten, er stamme aus Glasgow oder Falkirk (einer Stadt in der Nähe des sogenannten „Bonnybridge-Dreiecks“, in dem es Mitte der Mitte der 1990-er Jahre zu einer UFO-Sichtungswelle gekommen war). Aber trotz der breiten medialen Öffentlichkeit sind bislang keine neuen Hinweise aufgetaucht …was das wachsende Rätsel noch verstärkt.
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Wie kann jemand so vollständig verschwinden? Ist er ausgewandert? Oder von Aliens oder MIBs entführt worden? Selbst dann würde man erwarten, dass seine Familie oder Freunde etwas über diese Geschichte wissen. In Ermangelung einer Antwort ist hingegen die Legende somit weiter gewachsen und hat sich in einige sehr seltsame Richtungen bewegt.
Seit der einzige Abzug der ersten Generation des ikonischen Fotos im August 2022 exklusiv in meinem Daily-Mail-Artikel veröffentlicht wurde (…Grewi berichtete), wütet eine Online-Debatte über die Frage nach der Echtheit der Aufnahmen. Das Fehlen einer unmittelbar zufriedenstellenden Lösung des Mysteriums führte zu einer unerträglichen psychologischen Dissonanz unter denen, die von der Geschichte fasziniert sind.
Der amerikanische Folklorist und Legendenforscher Bill Ellis spricht in seinem Buch „Aliens, Ghosts and Cults“ (2001) darüber, wie Menschen Gerüchte und zweideutige Ereignisse am Leben erhalten, indem sie über ihren Realitätsstatus diskutieren, der moderne Legenden schafft und aufrechterhält. Diese Art der hitzigen Debatte darüber, ob eine Geschichte oder ein Foto „wahr“, „echt“ oder „falsch“ ist, ist charakteristisch für die UFOlogie. Sowohl die Skeptiker als auch die Gläubigen spielen eine Rolle bei der Entstehung der Calvin-Legende, wobei Geschichtenerzähler (wie ich selbst) das Rohmaterial liefern. Die Dialektik wird am intensivsten, wenn diese Subkulturen miteinander in Kontakt kommen. Seit die Calvin-Story bekannt wurde, wimmelt es in den sozialen Medien von konkurrierenden und widersprüchlichen Theorien:
Anhänger der außerirdischen Hypothese (ETH) sehen das Foto als Bestätigung ihrer Überzeugungen über die Präsenz von Außerirdischen auf der Erde und die Vertuschung durch die Regierung. Auf der anderen Seite stehen die Skeptiker, die versuchen, das Bild als „nur ein weiteres“ offensichtlich gefälschtes UFO-Foto abzutun. Aus ihrer Perspektive, da UFOs (und andere exotische Luftobjekte) nicht existieren, muss das Foto per Definition falsch sein. Alles, was getan werden muss, ist zu ihrer Zufriedenheit festzustellen, wie der Schwindel ausgeführt wurde … aber genau da liegt das Problem.
Zum Thema
Eine der frühesten und bizarrsten aller Theorien besagt, dass das Foto tatsächlich kein Bild eines UFOs ist, das in einem bewölkten Abendhimmel schwebt, sondern ein um 180 Grad gedrehtes Fotos ein Felsen oder einer Insel, die aus einem vollkommen stillen Gewässer herausragt! Was aussieht wie ein Harrier-Jet, der darunter manövriert, sei in Wirklichkeit ein Mann in einem Ruderboot. Einige der ursprünglichen Befürworter dieser Theorie, einschließlich Simon Holland, von dem später mehr berichtet wird, gaben diese Idee auf, als die Analyse des Fotos ergab, dass Wolken sichtbar waren und die Winkel für eine Reflexion nicht stimmen. Es gibt aber immer noch Leute auf Twitter, die davon überzeugt sind. Etwas überzeugender brachte der belgische Skeptiker Wim van Utrecht einen sorgfältig argumentierten Fall vor, laut dem das rautenförmige UFO tatsächlich ein kleines Modell ist, das an einem dünnen Faden in der Nähe der Kamera hängt. Er ist überzeugt, dass es sich bei dem „Objekt“ um ein fünfzackiges Pappornament handelt, wie es üblicherweise zum Schmücken von Weihnachtsbäumen verwendet wird. Aber was ist mit dem Harrier? Nun, laut van Utrecht ist das ein winziges Modell. Nachdem er den Weihnachtsstern an einem Baum aufgehängt habe, benutzte einer der genialen Witzbolde demnach eine Angelrute und bewegte den kleinen Harrier um das „UFO“ herum, während sein Begleiter die Bilder knipste. So weit so gut … aber da eines der fünf fehlenden Bilder in der von MoD analysierten Sequenz tatsächlich auch eine zweite, weiter entfernte Harrier zeigt, scheint sich diese die Angelrute etwas zu weit auszustrecken.
Um Sherlock Holmes zu zitieren: „… es ist ein großer Fehler, Theorien aufzustellen, bevor man Daten hat. Unmerklich fängt man an, Tatsachen zu verdrehen, um sie an Theorien anzupassen, anstatt Theorien an Tatsachen anzupassen …“
Der Filmemacher Simon Holland glaubt, das Rätsel im Alleingang „gelöst“ zu haben: Das rautenförmige Objekt ist eine geheime Radarplattform auf einem ebenfalls geheimen Testflug. Er glaubt, dass es von der einer Einrichtung des Rüstungskonzerns „BAE Systems“ in Warton in Lancashire für Tests über den schottischen Highlands gestartet wurde. Holland umgeht die heikle Frage, woher die Harriers kamen (das britische Verteidigungsministerium, das Departm,ent of Defence, MoD, sagte, dass zum Zeitpunkt der Sichtung keine solchen Flugzeuge in der Luft waren), indem Holland behauptet, dass es sich um Harrier „in Privatbesitz“ gehandelt haben könnte, vermutlich von BAE-Systemen, umgeht er erneut eine auf fakten begründete Diskussion. Harriers in Privatbesitz? Wenn das stimmt, wäre es leicht zu beweisen. Hat Holland diese Beweise identifiziert und vorgelegt? Natürlich nicht. Eine andere Quelle versicherte mir, dass BAE keine Harriers besaß oder betrieb. Es müsste sich um ausgeliehene Militärflugzeuge gehandelt haben.
Theorien wie diese sind unterhaltsam und in Abwesenheit von Kevin Russell (oder den ursprünglichen Negativen) helfen sie, dieses lästige Vakuum zu füllen und ein „Rätsel“ – zumindest für einige – zu lösen, das sich hartnäckig weigert, gelöst zu werden.
Um fair zu sein, will aber auch ich eingestehen, dass ich selbst, als ich mich 2009 zum ersten Mal mit der Calvine-Geschichte ihm Rahmen der Veröffentlichung der MoD-UFO-Akten an die National Archives befasste, davon überzeugt war, dass die Fotos ein cleverer Scherz waren. Die damals verfügbaren Beweise schienen darauf hinzudeuten. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Militärgeheimdienst durch ein „überzeugendes UFO-Foto“ täuschen ließ. Aber seit dieser Zeit führten mich zahlreiche neue Beweise, einschließlich der Entdeckung des Abzugs der ersten Generation, der von Craig Lindsay aufbewahrt wurde, eher zu der Art von Idee, die jetzt von Simon Holland vertreten wird. Es könnte sich nämlich um geheime Militärtechnik auf einem Testflug handeln. Meine Quellen deuteten an, dass es sich bei der Technologie um eine amerikanische Stealth-Plattform handelte, die zur Zeit der „Operation Granby“ (der Reaktion des Westens auf die irakische Invasion in Kuwait, die 1991 zum ersten Golfkrieg führte) im Nordatlantik operierte. Aber ich muss auch akzeptieren, dass ich aus Gründen, die nur meinen Quellen am besten bekannt sind, dazu gebracht worden sein könnte, dies zu glauben. Jetzt weiß ich einfach nicht, was ich glauben soll. Alles, was ich als Journalist weiß, ist, dass es eine tolle Geschichte ist … und eine, die, wie mein ehemaliger Nachrichtenredakteur sagen würde, „Beine hat“ (also immer weiterläuft).
Was ich als Folklorist auch weiß, ist, dass sich die Aufzeichnung der Entwicklung der Geschichte und der anhaltenden Reaktionen darauf von einem Spektrum von Skeptikern und Gläubigen als weitaus interessanter und aufschlussreicher erweist als der wahre oder falsche Status des Fotos selbst. Es ist ein Fall, der Charles Fort begeistert hätte, der allen dogmatischen Erklärungen von Wissenschaftlern und anderen skeptisch gegenüberstand, die eher nach ihren persönlichen Überzeugungen als nach den Regeln der Beweisführung argumentierten.
Dr. David Clarke ist Historiker und investigativer Journalist, Lektor und Dozent an der Sheffield Hallam University, England. Er hat ein lebenslanges Interesse an Folklore, forteanischen Phänomenen und außergewöhnlichen persönlichen Erfahrungen. Als wissenschaftlicher Berater begleitete David Clarke die Überstellung und Veröffentlichung der Akten des UFO-Akten des britischen Verteidigungsministeriums (MoD) an die National Archives.
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© David Clarke (Übers. A. Müller f. grenzwissenschaft-aktuell.de)