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Die zweite „UFO-Anhörung“ am mexikanischen Kongress – Eine kritische Nachbetrachtung

Ankündigung der Live-Übertragung der öffentlichen UFO-Anhörung am mexikanischen Parlament.Copyright: Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)
Ankündigung der Live-Übertragung der öffentlichen UFO-Anhörung am mexikanischen Parlament.
Copyright: Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)

Mexiko-Stadt (Mexiko) – Am 7. November 2023 fand am mexikanischen Abgeordnetenhaus erneut eine, die nun schon zweite, sog. Anhörung statt, die sich dem Thema „unidentifizierte Phänomene“ widmen sollte, statt. Obwohl damit eigentlich unidentifizierte Flugobjekte und Phänomene (also UFOs bzw. UAP) gemeint waren, wurde die Veranstaltung sehr schnell zu einer erneuten Farce rund um die Diskussion und Präsentation angeblich nicht-menschlicher Mumien.

– Eine kommentierende Einordnung von GreWi-Hrsg. Andreas Müller

Wie schon die erste Anhörung vor der „Cámara de Diputados“ des brasilianischen Kongresses am 12. September 2023 (GreWi berichtete), so stand auch die gestrige, erneut vom mexikanischen Abgeordneten Sergio Luna initiierte „Segunda Audiencia Pública“ eigentlich unter dem Motto eines seriösen und lobenswerten Anliegens: Ging es in der ersten Veranstaltung dieser Art vornehmlich noch darum, das öffentliche und politische Bewusstsein zur UFO-Problematik und deren Konsequenzen für den (mexikanischen) Luftraum und Luftsicherheit zu schärfen, stand die zweite „Anhörung“ nun vordergründig im Zeichen der Forderung nach einem Gesetzentwurf, laut dem in Mexiko zukünftig sämtliche staatlichen Informationen über unidentifizierte Flugobjekte und Phänomene (UFOs/UAP) umgehend und vollumfänglich veröffentlicht werden sollen.

Hierzu war zunächst und zu Beginn der mexikanische Fluglotse Jésus A. Guevara Madrigal geladen, der von seinen eigenen früheren und jüngsten UFO-Beobachtungen im zivilen mexikanischen Luftraum berichtete und eine deutliche Zunahme von Pilotensichtungen im Jahr 2023 attestierte. Diese Aussage unterstrich er mit der Einspielung des Audiomitschnitts der Kommunikation von mexikanischer Zivilpiloten mit dem Tower während einer UFO-Sichtung.

So weit so gut. So weit der seriöse Teil auch dieser „UFO-Anhörung“ an der mexikanischen Abgeordnetenkammer…

Wie schon in der ersten Anhörung, so übernahm in der Folge der in Mexiko berühmte TV-Journalist Jaime Maussan und präsentierte im Anschluss an die Aussagen des Fluglotsen unkommentiert einen Zusammenschnitt jüngster, jedoch nicht authentifizierter und oft auch fragwürdiger UFO-Videos aus aller Welt. (Anm.: Maussan selbst leitet und moderiert die nicht nur in Mexiko populäre TV- und Online-Sendung „Tercer Millenio“ [Das dritte Jahrtausend], in der er u.a. auch genau solche Videos – oft leider wenig kritisch überprüft – präsentiert.)

Nahtlos überführte Maussan von nun an die Anhörung inhaltlich weg vom eigentlichen Thema (UFOs/UAP) hin zu dem Versuch, die schon am Ende in der ersten Anhörung vom 12. September 2023 präsentierten „Nazca-Mumien“ durch weitere, angeblich wissenschaftliche Beweise und Aussagen beteiligter Wissenschaftler als authentische biologische Wesen zu legitimieren.

Insgesamt dauerte die zweite Anhörung 3,5 Stunden, von denen dem eigentlichen UFO-Thema kaum 30 Minuten gewidmet wurden. Der Rest entfiel auf eine oft eher pathetische als sachliche Verteidigung der angeblichen Authentizität der sogenannten „Nazca-Mumien“. Doch dazu später mehr…

Rückblick
Ohne, dass die geladenen internationalen Gastredner (darunter der Harvard-Astronom Avi Loeb, der US-Navy-Pilot Ryan Graves oder der ehemalige Datenanalytiker der staatlichen französischen UFO-Untersuchungsgruppe GEIPAN, Michael Vaillant) darüber vorab informiert worden waren, nutzte Maussan schon die erste Anhörung zur (erneuten) Präsentation angeblich nicht-menschlicher Mumien, die dieser schon zuvor gemeinsam mit dem Online-Sender Gaia.com als echte Funde präsentiert hatte und überlagerte mit diesem „Stunt“ (Zitat: R. Graves) jegliche Bemühungen auch dieser zweiten Anhörung um eine seriöse mediale Auseinandersetzung zum Thema UFOs und UAP, um die es bei der Veranstaltung vordergründig eigentlich gehen sollte.

Um den Kontext der aktuellen zweiten Anhörung in Mexiko richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass Maussan nicht zuletzt durch diesen „Stunt“ während der ersten Anhörung (auch vonseiten der seriösen UFO-Forschung) international scharfe Kritik geerntet hatte – gelten die Mumien doch mehrheitlich als Fälschungen.

Lesen Sie hierzu bitte den ausführlichen GreWi-Bericht „Kontroverse um öffentliche ‚UFO-Anhörung‘ vor dem mexikanischen Abgeordnetenhaus“ vom 13. September 2023 HIER

Wie schon angesichts der ersten öffentlichen Anhörung, so stellt sich auch angesichts der vorgestrigen Veranstaltung vorrangig die Frage nach einer Einordnung der „Anhörung“ selbst.

Richtig ist, dass beide Veranstaltungen nicht nur in den Räumlichkeiten des mexikanischen Parlaments bzw. Kongresses stattfanden, sondern auch von der Abgeordnetenkammer, der „Cámara de Diputados“, in Form einer „öffentlichen Anhörung“ (Audiencia Pública) legitimiert wurde.

Allerdings handelte es sich bei beiden Veranstaltungen weniger um politische Anhörungen, wie man sie von Parlamentssitzungen und -ausschüssen gewohnt kennt, als um eine Art freier und öffentlicher Vortrag. Dieser Umstand wurde besonders in der aktuellen zweiten Anhörung deutlich, als der Abgeordnete Luna die Leitung und Moderation der Veranstaltung vollständig und offiziell an Jaime Maussan übergab, der selbst weder Politiker noch gewählter Abgeordneter des mexikanischen Parlaments ist – und von nun an als einziger der Panelteilnehmer ganz im Sinne seiner eigenen Argumentation und Agenda vortrug, die Redner befragte und kommentierte.
(Ein Verständnis des eigentlichen Charakters der „Anhörung“ ist zum einen deshalb wichtig, um diese und die hier gemachten Aussagen im Kontext anderer, tatsächlich politischer Anhörungen (etwa den Anhörungen vor Parlamentsausschüssen am US-Kongress) richtig einordnen und bewerten zu können. Tatsächlich wurde schon die erste mexikanische Anhörung weltweit von den meisten Nachrichtenmedien zu Unrecht mit genau solchen politischen Anhörungen gleichgestellt.)

Zunächst erscheint es aus persönlicher Perspektive nachvollziehbar, dass Jaime Maussan nach den mehrheitlich kritischen Reaktionen auf seine Präsentation der sog. Nazca-Mumien das Anliegen hatte, sich selbst, seinen journalistischen Ruf und damit verbunden seine eigenen Einschätzungen und Behauptungen, die Mumien seien nicht nur „echt“, sondern auch nicht-menschliche (und damit vermutlich außerirdischer Herkunft) öffentlich zu verteidigen. Das ist nicht nur jedermanns gutes Recht, sondern im wissenschaftlichen Kontext auch Pflicht! Doch auch eine solche Verteidigung und Publikation von Informationen und Daten sollte den akzeptieren Regeln folgen. Das Kapern einer „öffentlichen Anhörung“ durch politische Einflussnahme an einem solchen Ort, ganz offenbar mit dem Ziel, die hier gemachten Aussagen höchstmöglich zumindest scheinbar und vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, gehört sicher nicht zu diesen Formen der wissenschaftlichen Sachdiskussion.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil Maussan und Luna zur gestrigen Anhörung ausschließlich Personen und Vortragende geladen hatten, die im Sinne der Echtheit der Mumien und damit im Sinne des angegriffenen Maussan und Kollegen aussagten. Eine kontroverse Diskussion um das zweifelsohne umstrittene Thema geht anders.

Hintergrund: Zwei „neue“ Mumien
Im Rahmen der Aussagen der Wissenschaftler und Forscher wurden vorgestern kurzzeitig auch zwei bislang unbekannte Mumien gezeigt. Zudem erklärte Maussan mehrmals, dass die Geschichte rund um die Nazca-Mumien „noch größer [sei] als bislang bekannt“ und noch viel mehr Mumien gefunden worden seien.

Im Rahmen der Anhörung am mexikanischen Kongress wurden kurzzeitig auch Aufnahmen einer bislang noch nicht gezeigten „weißen Nazca-Mumie“ gezeigt, die diesmal noch mehr dem Alien-Stereotyp entspricht.Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)
Im Rahmen der Anhörung am mexikanischen Kongress wurden kurzzeitig auch Aufnahmen einer bislang noch nicht gezeigten „weißen Nazca-Mumie“ gezeigt, die diesmal noch mehr dem Alien-Stereotyp entspricht.
Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)
Weitere Aufnahmen zeigten einen weiteren bislang unbekannten, ebenfalls offenbar „ei-schwangeren“ Körper. Einige Kommentatoren in den sozialen Netzwerken glauben darin.Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)
Weitere Aufnahmen zeigten einen weiteren bislang unbekannten, ebenfalls offenbar „ei-schwangeren“ Körper. Einige Kommentatoren in den sozialen Netzwerken glauben darin.
Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)

Wie bereits erwähnt, dauerte die Anhörung rund dreieinhalb Stunden. Eine Detaildiskussion sämtlicher Aussagen würde den hier eh schon strapazierten Rahmen sprengen. Deshalb sollen im Folgenden die wichtigsten Argumente von Maussan und Kollegen geprüft werden.

Maussans zweifelsohne wichtigste, weil eigentlich wissenschaftlich fundierteste Unterstützer waren der Direktor (Dr. Moreno Legua) und 11 weitere Dozenten der Universidad Nacional „San Luis Gonzaga“ (UNICA.edu.pe, diese wird im Laufe der Konferenz auch als „Universidad Nacional de Ica del Peru“ bezeichnet).

In einem Schreiben hatten diese erklärt, dass sich vier der Mumien (darunter die bereits in der ersten Anhörung präsentierten kleinen Mumien sowie die menschengroße Frauenmumie „Maria“ und ein Kleinkind in Fötushaltung, das auf den Beinamen Wawita „getauft“ wurde) bereits sei dem 1. August 2019 im Besitz der Universität befänden und hier seither eingehend und wissenschaftlich untersucht wurden. Zudem verbürgt sich die peruanische Universität mit diesem Schreiben für die „Schlussfolgerung“, dass es sich bei den Mumien um „echte biologische Körper“ handele, die sich jedoch aufgrund „einzigartiger morphologischer wie anatomischer Eigenschaften“ vom Menschen (Homo sapiens) unterscheiden und es ausdrücklich „keinerlei Hinweise“ dafür gebe, „dass es sich um manipulierte Körper, also um Fälschungen“ handelt.

Auch bei der ersten Präsentation dieses Briefes fiel auf, dass das Video, mit dem das Schreiben und die 11 darin aufgeführten Punkte mit Bild- und Filmmaterial illustriert wurden, das von Maussan und Kollegen (u.a. die US-Online-Filmproduktion Gaia.com) stammte und der Beitrag von jenem Sprecher eingelesen wurde, der immer wieder auch die Beiträge Maussans „Tercer Millenio“ kommentiert. Dieser Sprecher ist auch in weiteren Videoeinspielern, die die Aussagen der anwesenden Wissenschaftler illustrieren, zu hören. Der Hinweis im Schreiben der UNICA, dass man sich bei den Untersuchungen und Schlussfolgerung von keinen externen Quellen beeinflussen ließ, erhält damit einen fragwürdigen Beigeschmack.

In der Folge kamen dann unterschiedliche Personen unterschiedlicher Qualifikationen zu Wort. Neben dem in Mexiko populären Sänger und DJ Claudio Yarto (der ohne jeglichen erkennbare Legitimation und Kontext, stattdessen aber vermutlich ausschließlich aufgrund seiner Popularität(?), seine persönliche Faszination für die nachweislich gefälschten UFO-Fotos von Billy Meier zu Ausdruck bringen durfte) und dem nicht unumstrittenen Entdecker und Privatforscher Thierry Jamin (der gemeinsam mit Journalisten als Mittler zwischen dem angeblichen „Entdecker“ der Mumien, sowie zu Journalisten und TV-Machern wie Maussan, Gaia.com und der Universität wirkte) waren dies tatsächlich vornehmlich Wissenschaftler und Mediziner, die entweder Ergebnisse und Schlussfolgerungen ihrer eigenen Untersuchungen oder allgemeine Erkenntnisse von Laboranalysen erläuterten.

– Einen vollständig ins Englische übersetzter Mitschnitt der gesamten zweiten Anhörung finden Sie HIER sowie am Ende dieses Textes.

Allgemeiner Tenor all dieser Aussagen, dessen sich Maussan durch wiederholte Nachfragen am Ende nahezu jedes Vortrages nochmals versicherte: „Die Mumien bzw. Körper sind authentisch, die Morphologie und Anatomie trotz vorhandener Übereinstimmungen dennoch gravierend abweichend von der menschlichen und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Körper manipuliert wurden oder es sich gar um fabrizierter Stücke, also Fälschungen handelt.“

Nicht nur für Laien klingt dies zunächst als schwergewichtige Widersprüche gegen die weitverbreitete Kritik an den Mumien und die Unterstellung, es handele sich um aus menschlichen und tierischen Knochen und Körperteilen, archäologischen Funden und künstlich-modernen Materialien zusammengebastelte Fabrikate.

Doch halten diese Aussagen, auch wenn sie von leitenden UNICA-Wissenschaftlern (darunter Biologen, Medizinern und Chirurgen) stammen, einer kritischen Überprüfung wirklich stand?

Schon Maussans ebenfalls redundant vorgetragene Kernbehauptung, keiner der Kritiker habe diese Mumien jemals selbst vor Ort in Peru untersucht, ist nachweislich und überprüfbar falsch:

So beschäftige sich bereits im November 2018 eine eigene Konferenz an der peruanischen Universidad Mayor de San Marcos mit ersten Ergebnissen vorliegender Analysen und Aufnahmen und kam zu dem Schluss, dass es sich um Fälschungen handelt:

Schon im Februar 2019, also schon Monate bevor die Mumien an die UNICA kamen, kam es zu einer Anhörung am peruanischen Kulturministerium, die zur selben Einschätzung kam:


2020 kam eine Konferenz am „Museo Nacional de Arqueología Antropología e Historia del Peru“ zu gleichen Schlüssen:

Schlussendlich gab es sogar eine Konferenz und Präsentation der Ergebnisse der Untersuchungen an der UNICA selbst (!), die schon im August 2020 (!) gemeinsam mit dem Archäologen Flavio Antonio Estrada Moreno zeigen konnten, dass es sich um Schwindel-Fabrikate handelte (…GreWi berichtete). Die Ankündigung dieser Präsentation und Konferenz findet sich sogar heute noch auf der offiziellen Webseite der UNICA!

Die menschengroße Mumie „Maria“.Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)
Die menschengroße Mumie „Maria“.
Quelle: Canal del Congreso México (Youtube)

Dass diese Ergebnisse in den Ausführungen während keiner der beiden Anhörungen vor dem mexikanischen Kongress auch nur angedeutet zu Wort kamen, sollte zu denken geben.

Doch zurück zur jüngsten Anhörung.

Eines der zunächst ebenso anschaulich wie einleuchtend und überzeugende erscheinenden Argumente für die Echtheit der Mumien als wirkliche biologische Einheiten und damit gegen eine Manipulation im Sinne einer Fälschung wurde im Rahmen der jüngsten Anhörung von Dr. Edgar Martin Hernandez vorgetragen, der als „Wissenschaftler der Universidad Nacional de Ica del Peru“ genannt wird. Die UNICA-Webseite weist die Zahnmedizin als sein Spezialgebiet aus.

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Hernandez bezieht sich anschaulich auf jene Kritik, die sich auf die menschengroße und menschenähnliche dreifingrige weiße Mumie „Maria“ bezieht. Wie auch die kleinen Mumien weist auch diese statt wie wir Menschen fünf- lediglich dreigliedrige Hände und Füße auf.

Zuvor schon hatte das Team um den Archäologen Flavio Antonio Estrada Moreno erklärt, die Dreifingrigkeit von Maria sei zunächst durch das mechanische Entfernen jeweils zweier Finger und der beiden Daumen erreicht worden, deren Knochen dann teilweise zur Verlängerung der ebenfalls auf drei gestutzten verbliebenen Zehen genutzt wurden (siehe folgende Abbildungen 62 u. 63 …GreWi berichtete).

Flavio Antonio Estrada Morenos Illustration zur von ihm vermuteten Machart von Marias dreifingrigen Händen und Füßen. Quelle: Flavio A. E. Moreno
Flavio Antonio Estrada Morenos Illustration zur von ihm vermuteten Machart von Marias dreifingrigen Händen und Füßen.
Quelle: Flavio A. E. Moreno

Dieser Aussage widerspricht Hernandez nun und erklärt, ebenfalls durch anatomische Aufnahmen illustriert, dass bei einem solchen Vorgang (dem Entfernen von Daumen, Fingern und Zehen) Lücken hinterlassen werden, die diesen Vorgang „für jeden Anatomie-Experten deutlich erkennbar“ aufzeigen. Bei Maria sei dies jedoch nicht der Fall. Es gebe also „gar keine Beweise“ für eine solche Zerstückelung einer eigentlich normalen menschlichen Hand.

Veranschaulichung der durch die Entfernung von Daumen- und Fingerknochen entstehenden Lücken im normalen fünffingrigen Handskelett.Quelle: Vortrag Edgar Martin Hernandez am 7.11.23 / Canal del Congreso México (Youtube)
Veranschaulichung der durch die Entfernung von Daumen- und Fingerknochen entstehenden Lücken im normalen fünffingrigen Handskelett.
Quelle: Vortrag Edgar Martin Hernandez am 7.11.23 / Canal del Congreso México (Youtube)

Tatsächlich sind aber genau diese Lücken und zudem weitere charakteristische anatomische Merkmale bei Maria offenkundig vorhanden! Darin sind sich sogar nicht nur das Team um Moreno (dem von Protagonisten der Mumien als authentische Körper die Nähe zur Skeptiker-Bewegung vorgeworfen wird), sondern auch internationale Experten wie der französische Paläontologe Dr. Julien Benoit von der südafrikanischen Universität Witwatersrand (Johannesburg) einig. Julien gilt als Experte für archäologische Osteologie und Bildgebende 3D-Verfahren (Knochenkunde).

Angesichts der ihm zur Verfügung gestellten tomografischen Aufnahmen einer Hand von Maria arbeitete er zunächst das deutlich erkennbare Vieleckbein (Trapezium) und damit den beweglich Anschlussknochen des Daumens zum Bereich der Handwurzelknochen hervor: „Maria hat also einen Ort, an dem sich in der Folge eigentlich der Daumen artikuliert. Allerdings hat sie keinen Daumen. Das war der erste Hinweis dafür, dass es sich bei Maria um ein ursprünglich fünffingriges Wesen handelte, dessen Daumen abgeschnitten wurde(n).“

Position des menschlichen Vieleckbeins bzw. Trapezium (l. grün, Pfeil) und die grafische Umsetzung der 3D-CT-Scan-Daten von Marias Hand mit deutlich erkennbarem Trapezium sowie fünf (5) Sehnen.Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)
Position des menschlichen Vieleckbeins bzw. Trapezium (l. grün, Pfeil) und die grafische Umsetzung der 3D-CT-Scan-Daten von Marias Hand mit deutlich erkennbarem Trapezium sowie fünf (5) Sehnen.
Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)

Zudem geht aus den Scans deutlich der fünfteilige Sehnenapparat der Hand bzw. Finger hervor. „Auch hier kann man deutlich fünf Sehnenansätze abzählen. (…) Hätte Maria ursprünglich nur drei Finger gehabt, so sollte man also auch nur drei Sehnen vorfinden. Das bedeutet eindeutig, Maria hatte ursprünglich einmal fünf Finger und zwei davon wurden abgeschnitten.“

Die CT-Scans der Mumie Maria weisen selbst für Laien deutlich erkennbar fünf Sehnenstränge bzw. deren Reste an Marias Hand aus. (Standbild aus dem folgenden zweiten Video).Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)
Die CT-Scans der Mumie Maria weisen selbst für Laien deutlich erkennbar fünf Sehnenstränge (s. rote Pfeile) bzw. deren Reste an Marias Hand aus. (Standbild aus dem folgenden zweiten Video).
Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)

Ein weiteres wichtiges Merkmal ist laut Benoit der Umstand, dass auch jene Sehnenansätze sich noch immer an Ort und Stelle befinden. „Hätte man Maria die Finger noch zu Lebzeiten [oder unmittelbar nach ihrem Tod] entfernt, hätten sich diese Sehnen in den Arm zurückgezogen. Da diese Sehnen aber noch immer an Ort und Stelle sind, bedeutet dies, dass die Finger entfernt wurden, als Maria bereits mumifiziert war.“ Für den Wissenschaftler schließt dies die Vorstellung aus, dass das Entfernen des Daumens und des vierten Fingers Teil eines antiken Rituals oder Ähnlichem war. Tatsächlich gilt die Mumie Maria auch Kritikern als „echte antike Mumie“ der peruanischen Kultur, womit sich auch ihre Datierung auf ein Alter von 1.705 bis 1.540 Jahren archäologisch erklären lässt.

Der Punkt, dass dieser Mumie nachträglich Gliedmaßen abgeschnitten wurden, vermutlich, um sie so exotischer, nicht-menschlicher oder gar außerirdischer erscheinen zu lassen, ist einer der Hauptvorwürfe im Sinne einer Grabschändung menschlicher Überreste und archäologischer Funde unter anderem durch das peruanische Kulturministerium, aber auch der internationalen Gemeinschaft der Mumienwissenschaftler, mit denen sich der angebliche „Entdecker“ , aber auch Maussan, Gaia und Kollegen bis heute konfrontiert sehen (…GreWi berichtete 1, 2).

Anhand der weiteren Scans konnte Julien Benoit auch die Form des Gehirns einer der kleinen Mumien rekonstruieren. „Die Form dieses Gehirns passt einfach nicht zum Schädel bzw. zum Gesicht. Stattdessen ist die Form identisch mit der Form des Gehirns eines Lamas“. Schon Moreno und Kollegen haben seit spätestens 2019 zeigen können, dass es sich bei den Schädeln der kleinen Mumien in Wirklichkeit um beschnittene Schädel von Vierbeinern handelt (…GreWi berichtete).

Benoits Rekonstruktion der Hirnform einer der kleinen Mumien anhand der CT-Scans (l.) im Vergleich zum Hirn eines Lamas (r.).Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)
Benoits Rekonstruktion der Hirnform einer der kleinen Mumien anhand der CT-Scans (l.) im Vergleich zum Hirn eines Lamas (r.).
Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)

Zudem zeigen die Scans der kopflosen sitzenden Mumie („Victoria“), dass deren Rippen die Wirbel der Wirbelsäule perforieren. „Hätte diese kleine Mumie wirklich gelebt, so wäre ihr Rückenmark von oben bis unten perforiert. Das sind wirklich überzeugende Beweise dafür, dass diese Mumien keine lebenden Wesen waren.“

Abschließend widerspreche bei der angeblich „ei-schwangeren“ Mumie die Art und Weise, wie der Schädel mit der Wirbelsäule verbunden ist, jeglicher Funktionalität. „Entweder sehen wir hier, dass die Wirbelsäule selbst oder eine Art Stock in die Schädelöffnung direkt eindringt. Das ist ganz klar keine funktionelle Art und Weise, wie der Kopf auf der Wirbelsäule gehalten wird und mit dieser verbunden ist.“

Benoit selbst hat schon einige fossilierte Dinosauriereier untersucht. „Ich weiß also recht gut, wie (versteinerte) Eier in CT-Scans aussehen. Diese Dinge, die als Eier bezeichnet werden, sind schlicht und einfach viel zu dicht. Bei einem Ei handelt es sich lediglich um eine Schale mit (weichem) Gewebe im Innern. In einem Ei finden sich lange Zeit noch nicht einmal Knochen, wenn der junge Embryo noch nicht entsprechend entwickelt ist.“

CT-Scan der drei „Eier“ im Bauchraum einer der kleinen Mumien.Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)
CT-Scan der drei „Eier“ im Bauchraum einer der kleinen Mumien.
Quelle: Dr. J. Benoit / Kanal: Luca. (Youtube)

„Wir sollten hier also lediglich eine dichte Außenschicht, also die Schale, und im Innern einen dunklen Raum sehen. Auf den CT-Scans [Anm. GreWi: wie sie im Übrigen auch von Maussan und Kollegen genutzt werden], sehen wir sehr dichte und große Knollen, die sogar noch dichter sind als die Knochen selbst. Das sind also definitiv keine Eier. Es ist etwas anderes, etwas sehr viel dichteres als Eier. Wären es Eier, so würden sie ähnlich aussehen wie die Knochen und man könnte sie durchleuchten. Ich vermute, es sind Steine.“

Auch ein Argument, das in der jüngsten Anhörung in Mexiko von Hernandez gegen die Menschlichkeit von Maria vorgebracht wurde, ist deren Hirnschädelvolumen. Hernandez berichtet, dass das Hirnvolumen von Maria (die Mumie weist einen sogenannten Langschädel auf) ganze 30 Prozent größer sei als das eines normalen Menschen. (Anm. GreWi: Bei den meist künstlich im Kleinkindalter herbeigeführten Langschädeln entsteht zwar ein verlängerter und damit größerer Schädel, jedoch damit einhergehend nicht mehr Hirnmasse.)

Auch Benoit kam schon vor Jahren zu dieser Bewertung. Allerdings wertet er diesen Umstand nicht als ungewöhnlich oder gar als Anomalie und erklärt stattdessen: „Die Größe [bzw. das Volumen] des menschlichen Gehirns variiert um etwa 25 Prozent des Durchschnittsvolumens von 1400 Kubikzentimeter und es gibt eine 25-prozentige Variation. Maria bewegt sich also recht deutlich innerhalb des menschlichen Durchschnitts. Es gibt also keinen Hinweis dafür, dass dieses Lebewesen etwas anderes ist als ein Mensch.“

An dieser Stelle gäbe es noch zahlreiche weitere Merkmale zu nennen, die in der vorgestrigen Anhörung als ungewöhnlich dargestellt wurden, die sich jedoch schon bei einer Überprüfung durch medizinische Laien teilweise als zwar seltene, aber nicht ungewöhnliche Anomalien oder Fehlbildungen der menschlichen Anatomie erweisen. So bestätigt Hernandez auch den wirklich schweren Unterbiss von Maria. Aber schon eine einfache Google-Suche zeigt, das vergleichbare Fehlstellungen des Unterkiefers nicht außergewöhnlich sind und deren Korrektur sogar zum (wenn auch aufwendigen) Standardrepertoire der Kieferorthopädie zählt.

Auch die vermeintlich großen Augenhöhlen von Maria deuten keinesfalls auf ungewöhnlich große Augen hin, sondern sind ein Merkmal einiger Mumien (bei Maria handelt es sich vermutlich um eine der für die Fundregion charakteristischen Trockenmumien), da die Augenhöhlen bei allen Menschen größer sind als der sichtbare Augapfel und sich dieser durch den Austrocknungsprozess zudem ja auch massiv zusammenzieht, was den Eindruck vermeintlich ungewöhnlich großer Augenhöhlen noch verstärkt, der durch eventuell vorhandene Fehlbildungen nochmals verstärkt werden kann.

Ebenso ist es – gerade bei archäologischen (also alten und oft stark beeinträchtigten) Proben nicht ungewöhnlich, dass nur Anteile der DNA zugeordnet werden können. Dies bedeutet dann aber nicht zwangsläufig, dass eine Probe ungewöhnlich, in einem solchen Fall „nicht-menschlich“ oder gar außerirdischer Natur und Herkunft ist. Es bedeutet lediglich, dass diese Anteile nicht mehr eindeutig extrahiert, decodiert und zugeschrieben werden können.

Diese Reihe von Diskrepanzen zwischen den Aussagen der peruanischen Wissenschaftler und selbst für Laien überprüfbarer Fakten könnte an dieser Stelle also noch weiter fortgeführt werden. Es ist jedoch nicht das Ziel dieses sowieso schon umfangreichen Artikels, jede der gemachten Aussagen im Detail zu überprüfen. Sie zeigen aber anschaulich, dass die in der zweiten Anhörung zu Wort kommenden Wissenschaftler nicht ganz so sehr über jeden Zweifel und Kritik erhaben sind, wie es Maussan in seinen Aussagen nicht müde wird zu betonen.

Diese Überprüfung ist nicht die Aufgabe eines Journalisten, sondern anderer Wissenschaftler. Beziehungsweise ist es die Pflicht von Maussan, Gaia.com und der zitierten UNICA-Wissenschaftler, dem wissenschaftlichen Prozedere zu folgen, nachzuweisen, dass die Probenentnahmen, Untersuchungen und Analysen tatsächlich unabhängig (…grade von Maussan, Gaia.com & Co) durchgeführt wurden, diese Ergebnisse nach wissenschaftlichen Standards zu diskutieren und ordentlich zu publizieren, die bisherigen kritischen Ergebnisse ergebnisoffen zu überprüfen und weitere unabhängige Untersuchungen der Mumien zu ermöglichen.

Die Präsentation auf der vorgestrigen „Anhörung“ wird diesem Prozess jedoch nicht gerecht: Weder entstand ein überzeugender Eindruck von ergebnisoffener Unabhängigkeit, noch hatten andere Forscher oder auch Kritiker die Möglichkeit von Nachfragen, geschweige denn einer Diskussion (…nur Maussan durfte die Redner im Nachgang befragen). Zudem wurden frühere Ergebnisse, die nicht dem Credo der Veranstalter entsprachen, schon auf der ersten und auch in der zweiten Anhörung gar nicht erst erwähnt – man könnte auch sagen verschwiegen. Stattdessen wurde Kritikern (nicht nur von Maussan) wiederholt vorgeworfen, die Wahrheit unterdrücken und bekämpfen zu wollen, wenn man nicht die von Maussan & Kollegen attestierte Wahrheit der gemachten Aussagen akzeptieren und die UNICA-Ergebnisse infrage stellen.

Anerkennend bleibt einzig zu erwähnen, dass sich die UNICA selbst wünscht, dass die Mumien von unabhängigen Wissenschaftlern untersucht werden und dafür die Möglichkeiten anbietet und offen dazu einlädt.

Allerdings wiegt die Last der Indizien und Beweise gegen eine Echtheit der Mumien weiterhin schwer. Die Pflicht, Beweise für die Echtheit der Mumien zu erbringen, liegt also bei denen, die sie weiterhin als echt, exotisch, nicht menschlich oder gar außerirdisch darstellen und verteidigen. So funktioniert der wissenschaftliche Prozess und das aus gutem Grund: Wer eine Idee, Hypothese oder gar Theorie aufstellt, hat diese auch zu beweisen und sich der kritischen Hinterfragung und Diskussion ergebnisoffen zu stellen. Diese Pflicht liegt nicht bei jenen, die Schwachstellen in diesen Theorien aufzeigen.

Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) wird diesen Prozess gerne weiterhin ergebnisoffen begleiten. Doch auch die zweite Anhörung am mexikanischen Kongress erfüllte diese Ansprüche leider nicht.

– Der ins Englische übersetzte Mittschnitt der Anhörung vom 7. November 2023

– Der Originalmitschnitt (spanisch) des Youtube-Kanals des Congreso México

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Andreas Müller
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Andreas Müller
(Kornkreisforscher)

ein deutscher UFO-Forscher, Autor und Publizist

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