DNA-Analyse zeigt: „Wilde Frau“ Zana war kein Bigfoot

Zanas Schädel und eine frühe Rekonstruktion (Illu.). Copyright/Quelle: Dr. Igor Burtsev
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Zanas Schädel und eine frühe Rekonstruktion (Illu.). Copyright/Quelle: Dr. Igor Burtsev

Zanas Schädel und eine frühe Rekonstruktion (Illu.).
Copyright/Quelle: Dr. Igor Burtsev

Kopenhagen (Dänemark) – Zu den Legenden der modernen Neuzeit gehört auch jene einer 19. Jahrhundert im Kaukasus gefangenen „Wilden Frau“, bei der es sich vielleicht um eine Almas – die lokale Bezeichnung für einen Bigfoot – gehandelt haben könnte. Zana (Zena, Sana), so der Name der Frau, soll sogar Kinder gehabt haben. Deren sterbliche Überreste sowie Gebeine, die Zana selbst zugeschrieben wurden, wurden nun einer ausführlichen DNA-Analyse unterzogen. Das Ergebnis widerspricht der Vorstellung von Zana als „kaukasischem Bigfoot“.

Hintergrund
Wesen, die in Nordamerika als „Bigfoot“ bzw.Sasquatch“ bezeichnet werden, kennt man im Kaukasus und dem Altaigebirge unter den Namen Alma, Almas, Almasty oder Abnauayu und sind ein fester Bestandteil der lokalen und überregionalen Folklore. Ähnlich wie der Sasquatch, so werden auch diese „Wald- bzw. Wildmenschen“ als ungewöhnlich groß, schnell, stark, am ganzen Körper behaart und aufrecht gehend, aber auch nachtaktiv und scheu beschrieben.

Einige Kryptozoologen – also Forscher, die nach unbekannten oder eigentlich als ausgestorben geltenden Tierarten suchen – vermuten, dass es auch in Europa einst „Bigfoot“ gab, diese aber seit dem Mittelalter durch die zunehmende Waldrodung und Urbanisierung ausgerottet und/oder immer weiter nach Osten verdrängt wurden. Tatsächlich gibt es aus dem Spätmittelalter zahlreiche Berichte über „Wilde Männer“ auch in den westeuropäischen Ländern, von denen einige Exemplare bekämpft, gefangen und an Adelshöfen (etwa in Wien) bis zu ihrem Lebensende „gehalten“ wurden. In diese Kategorie der neuzeitlichen Folklore können auch die Berichte um Sana eingeordnet werden.

Der Schädel von Zanas Sohn Khwit. Quelle: Dr. Igor Burtsev

Der Schädel von Zanas Sohn Khwit.
Quelle: Dr. Igor Burtsev

In den 1960er-Jahren konnten sowjetischen Forscher die Legenden um Zana und deren Nachkommen auf das heute in der georgischen Region Abchasien liegende Dorf Tkhina eingrenzen, wo sich ältere Dorfbewohner noch an die Wilde Frau erinnern konnten. Zana soll im Wald gefangen genommen worden sein, wo sie alleine gelebt haben soll. Später dann wurde sie von lokalen Adligen versklavt und dem Gebietsfürsten von Abkhaz, Edgi Genaba, geschenkt. Glaubt man den Berichten, so galt Zana unter der lokalen Bevölkerung und Adligen als „sexuelle Kuriosität“, weshalb es auch nicht lange dauerte, dass sie auch Nachkommen bekam. Auf dem Anwesen des Fürsten soll Zana, die nie sprechen gelernt haben soll, bis zu Ihrem Tod um 1890 gelebt haben.

Sanas Äußeres wird als ungewöhnlich groß, am ganzen Körper stark behaart, mit grauschwarzer Haut und hervorstehenden Wangenknochen beschrieben. Sie soll zudem ungewöhnlich stark und schnell gewesen sein. Insgesamt soll Zana vier Kinder – zwei Jungen und zwei Mädchen – geboren haben. Das Grab eines der beiden Jungen, Khwit, der 1954 verstarb, konnte in den 1970er-Jahren auf dem Familienfriedhof der Genabas lokalisiert werden, auf dem auch seine Mutter begraben sein soll. Während Khwits Schädel exhumiert werden konnte, war die genaue Lage von Zanas Grab lange Zeit unklar.

Der russische Kryptozoologe Dr. Igor Burtsev berichtete 1987 von der Entdeckung der Überreste einer unbekannten Frau auf dem Familienfriedhof der Gebanas und spekulierte schon damals darüber, dass es sich vermutlich um die Überreste von Zana handeln könnte. Diese wurden exhumiert und archiviert.

Die Ergebnisse einer detaillierten Genom-Analyse durch das Team um Ashot Margarvan von der Universität Kopenhagen, die aktuell im Fachjournal Advances Genetics“ (DOI: 10.1002/ggn2.10051) veröffentlicht wurden, bestätigten nun die anhand der Knochenüberreste bestimmten Geschlechter der beiden Proben, sowie mit deren nachgewiesener biologischer Verwandtschaft auch die Vermutung, dass es sich bei dem weiblichen Skelett tatsächlich um das von Khwits Mutter, also der legendenumwobenen Zana handelt.

Ebenfalls ausschließen konnten die Forscher genetische Anteile archaischer Menschen oder gar Schimpansen in Zanas Genom. Tatsächlich handelt es bei Zana also aus genetischer Sicht sozusagen um einen reinen Homo sapiens. Diese Einschätzung wird zudem durch eine Unsupervised Clustering Analysis (UCA) mittels des Programmes ADMIXTURE bestätigt, die damit ebenfalls jene Hypothese, Zana sei nicht-menschlichen Ursprungs, zurückweist. Während die Forscher selbst damit zu dem Schluss kommen, dass Zana also nichts anderes als ein Homo sapiens gewesen sein kann – sollte darauf hingewiesen werden, dass bislang auch noch kein Genom eines Sasquatchs, Bigfoot oder eben Almas vorliegt, mit dem diese und andere angebliche Bigfoot-Genome verglichen werden könnten. Kurz: Da wir nicht wissen, was die legendären „Waldmenschen“ (so sie existieren) sind, ist dieser Schluss nur bedingt auch wirklich schlüssig.

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Während Khwits Y-Chromosom dem der lokalen Bevölkerung entspricht, lässt Zanas mütterliche Herkunft nun tatsächlich Rückschlüsse auf ihre einstige Herkunft zu: So zeigt ein Vergleich mit 93 menschlichen L2-Haplogruppen-Sequenzen ein Clustering ihres Genoms mit Individuen der sogenannten L2b-Linie auf, die wiederum die Bevölkerung südlich der Sahara dominieren und praktisch nur bei Afrikanern südlich der Sahara vorkommt. Die Analyse verortet Zana selbst somit in der Nähe der kenianischen Bantu und den Luhya. Da Sanas L2b-Haplotyp rund 24.000 Jahre alt ist, kann zumindest aber ausgeschlossen werden, dass es sich um einen urzeitlichen, archaischen Typus handelt.

Anm. GreWi: Damit widersprechen die Ergebnisse zugleich auch einer Hypothese des Oxford-Humangenetikers Dr. Bryan Sykes, der nach einer eigenen Analyse von Khwits-Schädel 2012/2013 spekuliert hatte, dass es sich bei Zana um ein Exemplar von noch mindestens bis ins 19. Jahrhundert in der Kaukasus-Region überlebenden Nachkommen einer bislang unbekannten und sehr viel früheren Migration früher Menschen aus Afrika gehandelt haben. In diesem Fall würde Zana also von einem bislang unbekannten Frühmenschenstamm aus einer Zeit abstammen, als sich die menschliche Spezies immer noch am Entwickeln war und deren Vorfahren durch die erst Zehntausende Jahre später ebenfalls aus Afrika vordringenden und sich ausbreitenden modernen Menschen in die entlegenen Regionen des Kaukasus verdrängt wurden (…GreWi berichtete).

Ein Vergleich der von Zana und Khwit extrahierten DNA mit den im „Human Origins Panel“ hinterlegten Sequenzen verortet Zana mit Mitgliedern des Volkes der Dinka, einem im Südsudan beheimateten afrikanischen Volk. Khwits Sequenzen sind genau halbwegs zwischen den Dinka und Kaukasus-Völkern angesiedelt. Auch dieser Umstand bestätigt das Szenario, laut dem es sich bei Khwitt um ein Kind Zanas mit einem Einheimischen aus der Kaukasus-Region handelt.

Hintergrund

Historische Aufnahme abchasischer Afrikaner, 1914 Livejournal.com / Public Domain

Historische Aufnahme abchasischer Afrikaner, 1914
Livejournal.com / Public Domain

Tatsächlich gibt es in Abchasien eine Jahrhunderte zurückreichende Tradition „afrikanischer Abchasier“. Hierbei handelt es sich um eine relativ kleine Volksgruppe afrikanischer Abstammung, deren Herkunft bis heute unter Wissenschaftlern umstritten ist. Auch hier gilt der einstige Sklavenhandel als wahrscheinlichste Erklärung. Angesichts der Tatsache, dass Menschen afrikanischer Herkunft im damaligen Kaukasus also eine wesentlich weniger exotische Erscheinung darstellten, als man dies ohne diesen Hintergrund annehmen könnte, wirft allerdings zugleich die Frage auf, ob alleine diese fragwürdige „Exotik“ die Legenden um Zana erklären kann.

Die Autoren der Studie zeichnen somit ein Bild von Zana als einer Frau, die aus der heutigen Grenzregion zwischen Kenia, dem Südsudan und Uganda stammte – einer Region, in der tatsächliche auch die beiden Ethnien Luhya und Dinka aufeinandertreffen.

Damit stützt die Analyse die Vorstellung davon, dass entweder die direkten Vorfahren Sanas oder sie selbst durch den bis Ende des 19. Jahrhunderts andauernden Sklavenhandel der Osmanen irgendwann zwischen den 16. und 19. Jahrhundert in die Kaukasus-Region verschleppt wurde.

Zwar entwerfen die Autoren verschiedene mögliche Szenarien über Zanas Schicksal, doch bleibt all dies ebenso Spekulation wie eine Antwort auf die Frage, wie und ob sie im Kaukasus der Sklaverei entkam und schlussendlich zeitweise (alleine?) in den Wäldern lebte, wo sie dann gefangen und erneut versklavt wurde.

Zum Thema

Ebenfalls unklar ist die Frage nach einer Erklärung für die ungewöhnlichen körperlichen Eigenschaften von Zana, wie sie weder verallgemeinernd typisch für ihre afrikanische Herkunft noch die Kaukasus-Region waren.

„Wir spekulieren, dass Zana vielleicht an einer genetischen Störung wie Hyperstrichose litt, was nicht nur ihre übermäßige Körperbehaarung, sondern vielleicht auch ihr ungewöhnliches Verhalten und ihre Unfähigkeit zur verständlichen Sprache erklären könnte“, schreiben die Forscher abschließend. „Unsere Entdeckungen unterstreichen Zanas unglückliche Lebensgeschichte und stellen ein deutliches Beispiel dafür dar, wie zeitgenössische Vorurteile und Missverständnisse zur Vorstellung kryptider Hominiden beitragen können, die sich bis heute erhalten haben.“ (Anm. GreWi: Letztere Aussage behält allerdings nur so lange Gültigkeit, wie man die Existenz derartiger “kryptider Homiden”, also menschenähnlicher Wesen wie Bigfoot, Sasquatch oder Almas, ausschließt.)

GreWi-Kommentar
Während die Autoren der Studie jegliche Legendenbildung und wissenschaftliche Spekulationen über einen nichtmenschlichen Ursprung Zanas als unethisch bezeichnen und mit ihren Ergebnissen „dazu beitragen wollen, die wahrhaft menschliche Natur Zanas aufzuzeigen und ihr und ihren Nachkommen die Würde, die ihnen zusteht, wieder zu geben“, ist die Vorstellung von der Vermischung menschlicher Arten, seien dies nun potenzielle Überlebende archaischer oder/und moderner Arten, nichts unethisches und bildet sogar eine der Grundlagen unserer eigenen Existenz. Auch eine saubere wissenschaftliche Fragestellung und Erforschung besonderer und ungewöhnlicher Situationen – wie sie die Lebens- und Leidensgeschichte Zanas zweifellos darstellt – ist so lange nicht unethisch, wie den „Betroffenen“ mit Würde und Respekt begegnet und diese nicht zum begafften Kuriosum degradiert werden. Die Frage, wer und was Zana also war, darf angesichts ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften und im Kontext der sich bis heute haltenden lokalen Legenden gestellt werden. Schließlich – auch das zeigt die aktuelle Studie – sind nur so Schlussfolgerungen und Rückschlüsse in beide Richtungen möglich. Sind Schicksale, wie das von Zana also die Grundlage der weltweiten Legenden und Bigfoot, Sasquatch und Amalsty – oder fügen sich diese Schicksale nur (zufällig?) in ein bereits bestehendes Bild ein, das es ebenfalls wert ist, ergebnisoffen erforscht zu werden? Auf diese Frage liefert auch die aktuelle Studie keine abschließende Antwort.

Historische Aufnahmen von Zanas Sohn Khwit und einer ihrer Enkelinnen.

Historische Aufnahmen von Zanas Sohn Khwit und einer ihrer Enkelinnen.

In seinem Blogbeitrag zu den neuen Forschungsergebnissen auf der Webseite des Netzwerks für Kryptozoologie verweist Tobias Möser zudem auf dem Umstand, dass Sana zwar die grundlegenden Menschenrechte genommen worden waren und sie nicht zuletzt zu harter Arbeit und der Duldung sexuellen Missbrauchs gezwungen wurde, dass sie aber andererseits „eine gewisse Anerkennung genossen“ zu haben schien: „Ihr Sohn Khwit lebte als freier Mann in der Dorfgemeinschaft, von Diskriminierung ist nichts bekannt – sieht man einmal davon ab, dass er (laut Paturi, 1989) regelmäßig vorführen musste, wie er mit den Zähnen einen Stuhl hochheben konnte, auf dem ein Mann saß. Dazu kommt, dass sie (Sana) nicht auf dem Dorffriedhof bestattet oder irgendwo in der Natur verscharrt wurde. Sie bekam ihr Grab auf dem Familienfriedhof der lokalen Adelsfamilie, wenn auch ohne (überdauernden) Grabstein. Diese ‚Ehre‘ dürfte vielen der Nutznießer ihrer Versklavung verwehrt geblieben sein.“




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Recherchequellen: Advanced Genetics, Netzwerk Kryptozoologie, eigenen Recherchen GreWi

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