DNA ist nur eines von Millionen möglicher genetischer Moleküle
Tokyo (Japan) – Ob es sich bei den den Molekülen DNA und RNA um die einzige Möglichkeit handelt, erbliche molekulare Informationen zu speichern galt bislang unter Wissenschaftlern als umstritten und einige glauben sogar, dass das Leben, wie wir es kennen, nicht existieren können, bevor es Nukleinsäuren gab. In einer aktuellen Studie kommen Wissenschaftler nun allerdings zu einer gänzlich anderen Ansicht und sehen in DNA und RNA nur zwei „von Millionen möglicher genetischer Moleküle“. Das könnte auch gewaltige Konsequenzen für die Möglichkeit der Vielfalt außerirdischen Lebens haben.
Hintergrund
Nukleinsäuren wurden erstmals im 19. Jahrhundert identifiziert, aber ihre Zusammensetzung, biologische Rolle und Funktion wurden erst im 20. Jahrhundert verstanden. Die Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA durch Watson und Crick im Jahr 1953 ergab eine einfache Erklärung für biologische und evolutionäre Funktionen.Alle Lebewesen auf der Erde speichern Informationen in der DNA, die aus zwei Polymersträngen besteht, die wie ein Caduceus (helixartig) umeinander gewickelt sind, wobei sich jeder Strang gegenseitig ergänzt. Wenn die Stränge auseinandergezogen werden, werden beim Kopieren des Gegenstücks auf eine der Vorlagen zwei Kopien des Originals erstellt. Das DNA-Polymer selbst setzt sich aus einer Folge von „Buchstaben“ zusammen, wobei die Basen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T) darstellen. Lebende Organismen haben Methoden entwickelt sicherzustellen, dass die korrekte Buchstabenabfolge während dieses Kopiervorgangs nahezu immer korrekt erhalten bleibt. Die Basensequenz wird von Proteinen in RNA kopiert, die dann in eine Proteinsequenz eingelesen wird. Die Proteine selbst ermöglichen eine Vielzahl fein abgestimmter chemischer Prozesse, die Leben ermöglichen.
Die zentrale Rolle, die die Nukleinsäuren RNA und DNA im biologischen Informationsfluss einnehmen, macht sie auch zu wichtigen Zielen für die Pharmaforschung und die Erforschung synthetischer Moleküle, die Nukleinsäuren imitieren, bilden die Grundlage vieler Behandlungen für Viruserkrankungen, einschließlich HIV. Andere nukleinsäureartige Polymere sind bekannt, doch hinsichtlich möglicher Alternativen für die Speicherung erblicher Informationen ist noch vieles unbekannt.
Beim Kopieren von DNA treten gelegentlich kleine Fehler auf, und andere werden manchmal durch Umweltmutagene hervorgerufen. Diese „kleinen Fehler“ sind sozusagen der Nährstoff für die natürliche Selektion: Einige dieser Fehler führen zu Sequenzen, die angepasstere (fittere) Organismen produzieren, obwohl die meisten nur geringe Auswirkungen haben. Viele können sich jedoch als tödlich erweisen. Die Fähigkeit neuer Sequenzen, das Überleben des Wirts zu fördern, ist sozusagen das Getriebe, das es der Biologie ermöglicht, sich an die sich ständig ändernden Herausforderungen der Umwelt anzupassen. Dies ist der eigentliche Grund für das Kaleidoskop biologischer Formen auf der Erde: Die in Nukleinsäuren gespeicherten Informationen ermöglichen ein „Gedächtnis“ in der Biologie.
Quelle: Tokyo Institute of Technology
Wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Professor Jim Cleaves vom Earth-Life-Science-Instituts (ELSI) am Tokyo Institute of Technology gemeinsam mit Kollegen vom Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Emory University aktuell im „Journal of Chemical Information and Modeling“ (DOI: 10.1021/acs.jcim.9b00632) berichten, haben sie sich zunächst die Frage gestellt, ob DNA und RNA vielleicht die einzige Möglichkeit sein könnten, diese Erbinformationen zu speichern oder ob sie vielleicht schlichtweg der beste Weg waren, der erst nach Millionen von Jahren „evolutionären Bastelns“ entdeckt wurde?
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Zur Beantwortung dieser Fragen haben die Autoren mittels ausgeklügelter Berechnungsmethoden die „chemische Nachbarschaft“ von Nukleinsäureanaloga untersucht.
Hierbei fanden selbst zum eigenen Erstaunen weit über eine Million mögliche Varianten. Das wiederum deute auf ein riesiges, unerforschtes Universum der Chemie hin, das für die Pharmakologie, die Biochemie und die Bemühungen, die Ursprünge des Lebens zu verstehen, von kaum absehbarer Bedeutung sei, erläutern die Autoren der Studie. Die in dieser Studie aufgezeigten Moleküle könnten zudem weiter modifiziert werden, um Hunderte von Millionen potenzieller Pharmazeutika-Zuleitungen zu produzieren.
Hintergrund
Da die meisten Wissenschaftler der Ansicht sind, dass die Grundlage der Biologie vererbbare Informationen sind, ohne die eine natürliche Selektion nicht möglich wäre, haben sich Evolutionswissenschaftler, die die Ursprünge des Lebens untersuchen, auch darauf konzentriert, DNA oder RNA aus einfachen Chemikalien herzustellen, die möglicherweise einst spontan auf der primitiven Erde vorgekommen sind. Aus chemischen Überlegungen heraus glauben die meisten Forscher, dass sich die RNA vor der DNA entwickelt hatte. DNA ist viel stabiler als RNA, weshalb die DANN sozusagen zur „Festplatte des Lebens“ wurde.Die Forschung in den 1960er Jahren teilte das Feld der theoretischen Ursprünge jedoch bald in zwei Bereiche: diejenigen, die RNA als die einfache Antwort auf das Problem der Ursprünge der Biologie sahen, und diejenigen, die die zahlreichen Mängel der abiologischen Synthese von RNA sahen. RNA ist immer noch ein kompliziertes Molekül, und es ist möglich, dass strukturell einfachere Moleküle an seiner Stelle genutzt wurden, bevor sie entstanden sind.
Quelle: Tokyo Institute of Technology
„Es ist wirklich aufregend, das Potenzial für alternative genetische Systeme auf der Basis dieser analogen Nukleotide in Betracht zu ziehen“, zeigt sich Dr. Jay Goodwin, Chemiker an der Emory University von der Ergebnissen der Studie fasziniert und erläutert dazu abschließend: „Diese könnten möglicherweise in verschiedenen Umgebungen entstanden sein und sich entwickelt haben, vielleicht auf anderen Planeten oder Monden und das sogar auch in unserem eigenen Sonnensystem. Diese alternativen genetischen Systeme könnten unser Konzept des ‚zentralen Dogmas‘ der Biologie in neue evolutionäre Richtungen erweitern, als robuste Reaktion auf zunehmend herausfordernde Umgebungen hier auf der Erde.“
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