Bern (Schweiz) – Flüssiges Wasser gilt allgemein als eine, wenn nicht sogar die Grundvorausetzung für Leben auch auf fernen Planeten und Himmelsköprern – zumindest für Leben, wie wir es von der Erde kennen. Entsprechend galt auch eine sog. Erdähnlichkeit als Voraussetzung für einen Planeten, auf dem es sich lohnt, nach außerirdischem Leben zu suchen. Nun aber legen neuste Forschungsergebnisse nahe, dass Wasser – anders als bisher angenommen – auch über Milliarden von Jahren auf Planeten existieren, die sich stark von der Erde unterscheiden. Dies stellt unsere bisherigen Vorstellungen und Modelle von potenziell lebensfreundlichen Planeten in Frage.
„Das Leben auf der Erde begann in den Ozeanen“, bemerkt die Pressemitteilung der Universität Bern. „Bei der Suche nach Leben auf anderen Planeten ist daher das Potenzial für flüssiges Wasser eine wichtige Voraussetzung. Um es zu finden, haben Forschende traditionell nach Planeten gesucht, die unserem eigenen ähneln.“ Wir Forschende der Universität Bern und der Universität Zürich, die Mitglieder des Nationalen Forschungsschwerpunkt PlanetS nun aber aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-022-01699-8) berichten, muss langfristig flüssiges Wasser aber nicht unbedingt unter ähnlichen Bedingungen wie auf der Erde vorkommen. Günstige Bedingungen könnten über sogar Jahrmilliarden hinweg auch auf Planeten herrschen, die unserem Heimatplaneten kaum ähneln.
„Einer der Gründe, warum Wasser auf der Erde flüssig sein kann, ist die Atmosphäre“, erklärt Studienmitautorin Ravit Helled, Professorin für Theoretische Astrophysik an der Universität Zürich und Mitglied des NFS PlanetS und führt dazu weiter aus: „Mit ihrem natürlichen Treibhauseffekt fängt sie genau die richtige Menge an Wärme ein, um die notwendigen Bedingungen für Ozeane, Flüsse und Regen zu schaffen“.
Tatsächlich war auch die Erdatmosphäre in ihrer Frühzeit ganz anders: „Als sich der Planet erstmals aus kosmischem Gas und Staub bildete, sammelte er eine Atmosphäre an, die hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestand – eine sogenannte primordiale, also Uratmosphäre“, erklärt Helled weiter. „Im Laufe ihrer Entwicklung verlor die Erde jedoch diese ursprüngliche Atmosphäre.“
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen, kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftler nun berichten, können andere, massereichere Planeten viel größere Uratmosphären angesammelt haben und ansammeln, die sich in einigen Fällen erhalten haben könnten. „Solche massiven Uratmosphären können auch einen Treibhauseffekt hervorrufen – ähnlich wie die heutige Erdatmosphäre. Wir wollten deshalb herausfinden, ob diese Atmosphären die notwendigen Bedingungen für flüssiges Wasser schaffen können“, sagt Helled.
Hierzu modellierten die Forschenden unzählige Planeten, um so deren Entwicklung über Milliarden von Jahren hin zu simulieren. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die jeweiligen Eigenschaften der Planetenatmosphären, sondern auch die Intensität der Strahlung ihrer Zentralgestirne sowie die nach außen abstrahlende innere Wärme der Planeten selbst. Wie sich zeigt, spielt diese geothermische Wärme zwar auf unserer Erde nur eine geringe Rolle für die Bedingungen an der Oberfläche, auf Planeten mit massiven Uratmosphären kann sie aber durchaus einen substanziellen Beitrag dazu leisten.
„Wir haben herausgefunden, dass in vielen Fällen die ursprünglichen Atmosphären durch die intensive Strahlung der Sterne verloren gegangen sind – vor allem auf Planeten, die sich in der Nähe ihres Sterns befinden. Doch in den Fällen, in denen Atmosphären erhalten wurden, können Bedingungen entstehen, unter denen flüssiges Wasser existieren kann“, berichtet Marit Mol Lous, Doktorandin und Hauptautorin der Studie. Laut der Forscherin der Universität Bern und der Universität Zürich sind «in Fällen, in denen genügend geothermische Wärme die Oberfläche erreicht, die intensive Strahlung von einem Stern wie der Sonne nicht einmal nötig, damit Bedingungen an der Oberfläche herrschen, die die Existenz von flüssigem Wasser erlauben“. Wichtig sei aber, dass die Ergebnisse zeigen, dass diese Bedingungen über sehr lange Zeiträume anhalten können – bis zu mehreren zehn Milliarden Jahren.
„Für viele mag dies eine Überraschung sein. Die Astronomie erwartet normalerweise, dass flüssiges Wasser in Regionen um Sterne vorkommt, die genau die richtige Menge an Strahlung erhalten: nicht zu viel, damit das Wasser nicht verdampft, und nicht zu wenig, damit es nicht komplett gefriert“, erklärt Studien-Mitautor Christoph Mordasini, Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität Bern und ebenfalls Mitglied des NFS PlanetS.
„Da das Vorhandensein von flüssigem Wasser eine wahrscheinliche Voraussetzung für Leben ist und das Leben auf der Erde wahrscheinlich viele Millionen Jahre gebraucht hat, um sich zu entwickeln, könnte dies den Horizont für die Suche nach außerirdischen Lebensformen erheblich erweitern. Nach unseren Ergebnissen könnte es sich sogar auf sogenannten freischwebenden Planeten, die nicht um einen Stern kreisen, entwickeln“, so Mordasini.
Dennoch bleiben die Forschenden abschließend vorsichtig: „Unsere Ergebnisse sind zwar aufregend, sollten aber mit Vorsicht genossen werden. Denn damit solche Planeten langfristig flüssiges Wasser haben können, müssen sie die passende Atmosphäre haben. Wir wissen nicht, wie häufig dies der Fall ist.“ Und selbst unter den idealen Bedingungen wisse man nicht, wie wahrscheinlich es sei, dass sich Leben in einem solch exotischen potenziellen Habitat entwickle. „Das ist eine Frage für die Astrobiologie. Mit unserer Arbeit haben wir jedoch gezeigt, dass unsere erdzentrische Vorstellung von einem lebensfreundlichen Planeten möglicherweise zu eng gefasst ist“.
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Studie zeigt: Flüssiges Wasser auch auf Monden um sternenlose Planeten möglich 14. Juni 2021
Auch sternennahe Planeten könnten an Wasser reiche Atmosphären haben 16. März 2021
Sub-Neptune sind vermutlich Wasserwelten 14. Mai 2019
Leben auf Planeten um unsere Nachbarsterne vielleicht gerade wegen hoher Strahlungsdosen möglich 10. April 2019
Recherchequelle: Universität Bern
© grenzwissenschaft-aktuell.de