Eindeutiger Biomarker: Giftiges Molekül als klares Zeichen für außerirdisches Leben identifiziert
Cambridge (USA) – Für nahezu sämtliches irdisches Leben ist das stinkende Molekül Phosphin das reinste Gift. Jetzt haben Wissenschaftler allerdings festgestellt, dass der einzige Weg, durch den Phosphin in der uns bekannten Natur erzeugt werden kann, in der Ausscheidung extrem sauerstoffunabhängiger Mikroorganismen liegt. Sollte das Molekül also einmal in bestimmten Mengen in der Atmosphäre eines fernen Felsplaneten oder Mondes identifiziert werden, so wäre dies ein eindeutiger Hinweis auf dortiges außerirdisches Leben.
Auf der Erde gehört Phosphin zu den übelriechendsten und giftigsten Gasen und findet sich generell überall dort, wo es richtig schmutzig zugeht – etwa in Pinguinhaufen, in den Tiefen von Sümpfen und Mooren und sogar im Darm einiger Dachse und Fische. Das faulige Gas ist zudem leicht entzündbar und reagiert mit Partikeln in unserer Atmosphäre. Das meiste Leben auf der Erde, insbesondere alles aerobe – also sauerstoffatmende Leben – will nichts mit Phosphin zu tun haben – weder es produzieren noch es nutzen, um zu überleben.
Wie das Team um Clara Sousa-Silva vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) aktuell im Fachjournal „Astrobiology“ (DOI: 10.1089/ast.2018.1954) berichtet, haben sie herausgefunden, dass Phosphin allerdings von seltenen Lebensformen produziert wird: von anaeroben Organismen wie Bakterien und Mikroben, die keinen Sauerstoff benötigen, um zu gedeihen. Das Team stellte fest, dass Phosphin in der Natur nur durch diese extrem sauerstoffarmen Organismen hergestellt wird – ein Umstand, der das Gas Phosphin zu einer reinen Biosignatur macht, also einem Anzeichen für Leben – zumindest bestimmter Arten von Leben.
Hinzu berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass das Gas ein charakteristisches Lichtmuster in der Atmosphäre eines Planeten erzeugen würde, wenn Phosphin in ähnlichen Mengen wie Methan auf der Erde erzeugt werden würde. Dieses Spektralmuster wäre klar genug, um mit einem Teleskop wie dem geplanten Weltraumteleskop „James Webb“ (JWST) noch aus einer Distanz von bis zu 16 Lichtjahren erkannt werden zu können. „Würde Phosphin also in der Atmosphäre eines felsigen Planeten entdeckt werden, wäre dies ein unverkennbares Zeichen für außerirdisches Leben“, so die Forscher.
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„Hier auf der Erde ist Sauerstoff eigentlich ein wirklich klarer Biomarker“, erläutert Sousa-Silva. „Aber Sauerstoff wird nicht nur durch Leben produziert. Es ist also wichtig, auch andere Moleküle als Biomarker in Betracht zu ziehen, die möglicherweise nicht so häufig und abiotisch produziert werden. Sollten wir diese vorfinden, gäbe es nur eine Erklärung.“
Derzeit stellen Sousa-Silva und Kollegen eine Datenbank mit spektralen Fingerabdrücken jener Moleküle zusammen, die potenzielle Biosignaturen sein könnten. Hierbei hat das Team mehr als 16.000 Kandidaten gesammelt – darunter auch Phosphin. Die überwiegende Mehrheit dieser Moleküle muss allerdings noch vollständig charakterisiert werden. Weshalb bei vielen noch unklar ist, ob es sich um eindeutige Biomarker handelt, oder ob sie auch auf nicht-biologische Weise – etwa durch geologische Prozesse – entstehen und freigesetzt werden können.
Angesichts des aktuell beschriebenen Phosphins ist dies jedoch anders, da bislang keine andere natürliche Art und Weise bekannt ist, durch die das Gas erzeugt wird, außer die durch Mikroorganismen – also durch Leben. Sollte sich Phosphin also in der Atmosphäre eines Exoplaneten finden, so wäre dies ein eindeutiger Beweis zumindest für dortiges phosphinerzeugendes mikrobielles Leben.
Hintergrund
Phosphin ist ein Molekül aus einem Phosphor- und drei Wasserstoffatomen, die normalerweise nicht zusammenkommen. Es erfordert enorme Energiemengen, beispielsweise in den extremen Umgebungen von Jupiter und Saturn, die Atome mit genügend Kraft zu zerschlagen, um ihre natürliche Abneigung zu überwinden. Tatsächlich wurde Phosphin allerdings bereits in den 1970er Jahren in den Atmosphären von Jupiter und Saturn, also von großen Gasplaneten – entdeckt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Molekül im Innern dieser Gasriesen regelrecht zusammengeballt wurde und, wie Sousa-Silva und Kollegen es beschreiben, „von gewaltigen Konvektions-Stürmen in Planetengröße gewaltsam erzeugt wurde“.
Über Phosphin war lange Zeit noch nicht viel bekannt und Sousa-Silva widmete ihre Abschlussarbeit am University College of London der Feststellung des spektralen Fingerabdrucks des Moleküls. In ihrer Diplomarbeit hat die Wissenschaftlerin die exakten Wellenlängen des Lichts festgelegt, die Phosphin absorbieren sollte und die in den atmosphärischen Daten fehlen würden, wenn das Gas vorhanden wäre.
Während ihrer Promotion begann sie sich dann zu fragen: Könnte Phosphin nicht nur in den extremen Umgebungen von Gasriesen, sondern auch durch das Leben auf der Erde produziert werden? Am MIT begann sie dann gemeinsam mit Kollegen, eine Antwort auf diese Frage zu suchen.
„Wir haben jeden einzelnen Hinweis auf den Nachweis von Phosphin zusammengetragen. Dabei hat sich gezeigt, dass überall dort, wo kein Sauerstoff vorhanden ist, Phosphin vorhanden ist – etwa in Sumpfgebieten, in Seesedimenten bis hin zu Därmen und Mägen. Plötzlich ergab alles Sinn: Es ist ein wirklich giftiges Molekül für alles, was Sauerstoff mag. Aber für Leben, das Sauerstoff nicht mag, scheint es ein sehr nützliches Molekül zu sein.“
Die so erlangte Erkenntnis, dass Phosphin mit anaerobem Leben assoziiert ist, war für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Hinweis darauf, dass das Molekül eine nützliche Biosignatur sein könnte. Hierzu musste aber jede Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass Phosphin von etwas anderem als von Organismen produziert werden kann. Um dies zu erreichen, haben die Forscher zahlreiche Phosphorarten, die wesentliche Bausteine von Phosphin sind, einer umfassenden theoretischen Analyse möglicher chemischer Wege und der Thermodynamik mehrerer Szenarien auf der Erde unterzogen, um so herauszufinden, ob sie genug Energie produzieren können, um Phosphor auf abiotosche Weise in Phosphin umzuwandeln.
„Auf diese Weise gelangten wir zu immer unwahrscheinlicheren Szenarios, unter denen Phosphin entstehen könnte, etwa Plattentektonik, Plasmafunken, Meteore, oder Blitze, die irgendwie auf Phosphor trafen. Wir haben alle diese Möglichkeiten jahrelang durchgespielt und sind nun zu dem Schluss gekommen, dass nichts anderes als das Leben nachweisbare Mengen an Phosphin erzeugt.“
Zudem zeigen die Analysen, dass für Phosphin keine signifikanten Fehlalarme bei der spektralen Analyse existieren. Auch dieser Umstand bestärkt die Forscher und Forscherinnen in ihrer Schlussfolgerung, dass der Nachweis von Phosphin tatsächlich ein sicherer Biomarker wäre.
In einem weiteren Schritt untersuchte das Team um Sousa-Silva dann, ob das Molekül in der Atmosphäre eines Exoplaneten nachweisbar sein könnte. Hierzu simulierten sie zwei Arten von Atmosphären idealisierter, sauerstoffarmer, terrestrischer Exoplaneten (also Planeten, die einen anderen Stern als unsere Sonne umkreisen): wasserstoffreiche und kohlendioxidreiche Atmosphären. In diese Berechnungen haben die Wissenschaftler dann unterschiedliche Raten der Phosphin-Produktion eingespeist und auf diese Weise ermittelt, wie das Lichtspektrum einer bestimmten Atmosphäre bei einer bestimmten Phosphin-Produktionsrate aussehen würde.
Hierbei stellten sie fest, dass Phosphin, wenn es in vergleichbar kleinen Mengen wie irdisches Methan produziert würde, ein Signal in der Atmosphäre entstehen ließe, das deutlich genug wäre, um von einem fortschrittlichen irdischen Observatorium (wie etwa dem kommenden James-Webb-Weltraumteleskop) detektiert zu werden, wenn sich ein solcher Planet innerhalb von 5 Parsecs bzw. 16 Lichtjahren von der Erde entfernt befände. Dieser Raum entspricht einer imaginären Kugel, innerhalb derer sich vermutlich eine Vielzahl von Sternen mit erdartigen Planeten befindet.
Laut Sousa-Silva und Kollegen bieten die nun vorgelegten Ergebnisse nicht nur die Möglichkeit, Phosphin als nützliche und eindeutige Biosignatur für die Suche nach außerirdischem Leben zu etablieren, sondern zeigen auch einen Weg und Prozess auf, anhand derer Forscher die Charakterisierung aller anderen 16.000 Biosignaturkandidaten verfolgen können.
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Quelle: MIT
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