EmDrive-Erfinder kritisiert aktuelle Testergebnisse

Ein EmDrive in Labor der Lockheed-Skunkworks. Copyright: Gemeinfrei
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Ein EmDrive in Labor der Lockheed-Skunkworks. Copyright: Gemeinfrei

Ein EmDrive in Labor der Lockheed-Skunkworks.
Copyright: Gemeinfrei

Blaine (USA) – Nur wenige Wochen nachdem Physiker der TU Dresden die Abschlussergebnisse ihrer ausführlichen Tests mit dem angeblich treibstofflosen Antrieb „EmDrive“ vorgestellt haben und dabei keine systemeigenen Schübe der drei getesteten Varianten feststellen konnten (…GreWi berichtete), hat sich nun der Erfinder des „unmöglichen Antriebs“, Robert Shawyer auf einer Konferenz zu den Ergebnissen aus Dresden geäußert und erklärt, diese seien aufgrund falscher Versuchsaufbauten von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat dazu erneut beim Leiter der Studien, Prof. Dr. Martin Tajmar nachgefragt.

Zuvor hatte “TheDebrief.org” über Shawyers Kommentare zu den Dresdner Ergebnisse auf der virtuellen “Alternative Propulsion Energy Conference”( APEC) vom 3. April berichtet. Bereits im Oktober 2017 habe er selbst Tajma gegenüber erklärt, warum das bereits von der NASA verwendete Modell niemals messbaren Schub entwickeln würde, so Shawyer. Aus selbigem Grund habe es ihn auch nicht verwundert, dass die Untersuchungen an der Technischen Universität Dresden nun auch keine systemeigenen Schübe messen konnten.

Hintergrund
Beim “EmDrive” (ElectroMagnetic Drive), handelt es sich um das Konzept des britischen Wissenschaftlers und ehemaligen EADS-Atrium-Ingenieurs Dr. Roger Shawyer, das elektrische Energie mittels Mikrowellen in Schubkraft umwandeln soll – ohne dabei allerdings ein klassisches Treibmittel zu benötigen.
Trotz der Behauptungen chinesischer Forscher, das Konzept bereits erfolgreich getestet zu haben (UPDATE: Entsprechenden Behauptungen wurden später zurückgezogen), verbannen die meisten westlichen Wissenschaftler den “EmDrive” ins Reich der Phantasie und Pseudowissenschaft – da es schließlich dem physikalischen Impulserhaltungsgesetz widerspreche.

2014 hat jedoch selbst die NASA das Konzept überprüft und in einem Fachartikel ebenfalls bestätigt, dass der Antrieb “prinzipiell tatsächlich funktioniert” (…GreWi berichtete).

Da der “EmDrive” ohne Treibstoff auskommt und die notwendigen Mikrowellen mittels Solarenergie erzeugt werden können, könnte der Antrieb völlig neue Wege und Möglichkeiten der Raumfahrt aufzeigen, da das Konzept “eine (Antriebs-)Kraft erzeugt, die keinem klassischen elektromagnetischen Phänomen zugeschrieben werden könne“.

Der Antrieb bediene sich dabei möglicherweise subatomarer Teilchen, so die Vermutung der NASA-Wissenschaftler. Andere Forscher, wie auch der Erfinder des EmDrive selbst, vermuten hinter dem auf den ersten Blick an das Konzept eines Perpetuum mobile erinnernden Antrieb einen Effekt der speziellen Relativitätstheorie (SRT).

Bislang beläuft sich der angeblich gemessene Schub noch im Bereich von Mikronewton und damit tatsächlich derart gering, dass die beteiligten Wissenschaftler alles daran setzten, auch unvorhergesehene Effekte und Phänomene als falsche Schubmessung auszuschließen. Bis zu den jetzt vorgestellten Messergebnissen der Dresdner Physiker hofften einige Raumfahrtvisionäre, dass der treibstofflose EmDrive auf Raumschiffproportionen vergrößert und etwa die Reise zum Rand unseres Sonnensystems auf wenige Monate reduziert werden könnten. Ob die neuen Ergebnisse weiteren Arbietn am und mit dem Emdrive nun ein Ende setzten, bleibt abzuwarten.

Tatsächlich hatte Tajmars Team jene Konfiguration verwendet, die auch das Team um White und Kollegen von den Eagleworks der NASA verwendet hatten, „weil dieses System das bislang am besten dokumentierte und beschrieben EmDrive-System war“.

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Nun erklärte Shawyer, dass genau dieses (NASA-)System, das er selbst zuvor noch als Bestätigung seiner Erfindung zitiert hatte, derart fehlerhaft sei, dass es nicht funktionieren könne. Ironischerweise sieht sich Shawyer nun zudem gerade durch den nicht erbrachten Nachweis von Schubentwicklungen durch das TUD-Team in seinem eigenen Ansatz bestätigt. Also ganz nach dem fragwürdigen Motto: Wenn der falsche Versuchsaufbau keinen Schub entwickelt, belegt das, dass der echte Aufbau Schub entwickelt.

Auf Shawyers Aussagen angesprochen, erwiderte Prof. Martin Tajmar gegenüber GreWi-Hrsg. Andreas Müller:

„Der Fall ist ganz klar – wir haben im Paper eindeutig gesagt, dass wir uns auf die NASA-Geometrie und -Thruster konzentrieren, da diese als einzige in einem namhaften Journal publiziert wurde, mit einer aussagekräftigen Analyse und entsprechender wissenschaftlicher Tiefe. Alles andere – wie vom Erfinder selber – sind alte Berichte auf einer Website, die nicht publiziert wurden und auch nicht dem wissenschaftlichen Standard entsprechen – vor allem, wenn es um Behauptungen geht, die 300 Jahre Newtonscher Mechanik widersprechen.

Noch vor 11 Monaten wurde von Herrn Shawyer der NASA-Test (u.a. auf seiner Webseite) als Beweis für seinen EmDrive in Präsentationen verwendet – unser Test mit einer um den Faktor 1000 höheren Genauigkeit als damals bei der NASA, ist sicher nicht nur repräsentativ für den NASA-Test, sondern für das ganze Thema EmDrive.“

Hinzu bemängelt Tajmar, dass Shawyer selbst weder ein Triebwerk zur Verfügung stellt, das unabhängig getestet werden kann, noch eine unabhängige Inspektion der eigenen Teststände vor Ort zulasse.

Anhand Shawyers eigenen Aussagen darf also bezweifelt werden, dass damit das letzte Wort in der Diskussion zur Wirksamkeit des EmDrives gesprochen ist. Tatsächlich berichtete GreWi bereits im vergangenen Herbst darüber, dass sich auch die „Defense Advanced Research Projects Agency“ (DARPA) dem EmDrive widmet. Bei der DARPA handelt es sich um eine Forschungs- und Entwicklungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums, die besonders für ihre unkonventionellen und futuristischen Entwicklungen von Antriebs- und Robotik-Konzepten bekannt ist. Bereits 2018 hatte Shwayer von Kontakten und Plänen mit der DARPA berichtet (…GreWi berichtete). Wann mit Ergebnissen dieser Tests zu rechnen ist, ist bislang unbekannt. Einige Beobachter vermuten jedoch, dass schon Ende Mai 2021 damit zu rechnen ist.

…GreWi wird weiterhin berichten.




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Quellen: eigene Recherchen GreWi, TheDebrief.com, emdrive.com

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