Erste Professur für Naturheilkunde und Integrative Medizin in Baden-Württemberg

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Symbolbild: Akupunktur
Copyright: Cpl. Paul Peterson / Gemeinfrei

Tübingen (Deutschland) – Ab 2019 wird es an der Universität Tübingen eine neue Professur für Naturheilkunde und Integrative Medizin geben. Es ist zugleich der erste Lehrstuhl dieser Art in Baden-Württemberg.

Wie die Landesregierung aus Grünen und CDU erläutert, wird der Lehrstuhl seinen Sitz am Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) und in den ersten fünf Jahren von der Robert Bosch Stiftung getragen. Danach stelle das Land die langfristige Finanzierung sicher.

Wie die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Theresia Bauer (Die Grünen) erläutert, folge Einrichtung der Professor dem Umstand, dass „Naturheilkunde und komplementäre Behandlungsmethoden von vielen Menschen ganz selbstverständlich genutzt werden, beispielsweise zur Ergänzung konventioneller Therapieangebote.“

Aus diesem Grund soll die neue Professur die Verfahren und Methoden der Naturheilkunde und der Integrativen Medizin wissenschaftsgeleitet erforschen und damit einen Beitrag dazu leisten, entsprechende Potenziale zu heben.

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„Die Erforschung und Lehre komplementärmedizinischer Methoden sind ein wichtiger Baustein zur Erhöhung der Patientensicherheit sowie zur festen Verankerung entsprechender Therapieangebote in der Versorgung der Patientinnen und Patienten“, unterstreicht der Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha (Die Grünen). „Ein breites Therapieangebot, das auch Naturheilkunde und Komplementärmedizin umfasst, ist den Menschen im Land sehr wichtig“.

Mit dem neuen Lehrstuhl sollen Naturheilkunde und Integrative Medizin künftig fester Bestandteil des Studienangebotes an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen werden, so der politische Wunsch.

Hierzu soll am Stuttgarter RBK der Nutzen von gemeinsamen Therapien aus Naturheilkunde und Schulmedizin weiter erforscht werden und den Patienten zu Gute kommen. „Schon unser Stifter Robert Bosch verfolgte das Ziel, Schulmedizin und naturheilkundlichen Verfahren in einer umfassenden Heilkunde zu vereinen“, sagt Prof. Dr. Joachim Rogall, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung. „Das Umfeld am Robert-Bosch-Krankenhaus mit dem 2016 gegründeten Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen (RBCT) und der seit 2015 bestehenden klinischen Abteilung für Naturheilkunde und Integrative Medizin bietet dafür hervorragende Rahmenbedingungen.“

Info
Neben den bestehenden Angeboten der spezialärztlichen und konventionellen Medizin bietet  das Robert-Bosch-Krankenhaus ergänzend eine wissenschaftlich belegte Form der naturheilkundlichen und integrativ-medizinischen Behandlung für onkologische Patienten an.

Ende 2015 hat das RBK mit dem Aufbau des Bereichs „Naturheilkunde und Integrative Medizin“ begonnen. Die Umsetzung begleitet Prof. Dr. Gustav Dobos, Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls für Naturheilkunde und Integrative Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und Ärztlicher Direktor der Abteilung Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte.

Wissenschaftliche Studien belegen positive Effekte naturheilkundlicher Behandlungen insbesondere im Hinblick auf auftretende Nebenwirkungen der angewendeten Krebstherapien. Die unkontrollierte Einnahme von Heilkräutern oder Vitaminen kann jedoch unerwünschte Folgen haben, die der Krebstherapie sogar entgegenwirken können. Eine qualifizierte, spezialärztliche Beratung und der gezielte Einsatz naturheilkundlicher Verfahren sind daher wichtig für den Therapieerfolg. Das RBK verfolgt den Ansatz der Integrativen Onkologie, die konventionelle Medizin, wissenschaftlich geprüfte Naturheilkunde und Mind-Body-Medizin kombiniert.
(Quelle: RBK)

„Sogenannte sanfte oder natürliche Methoden können schwere Krankheiten wie etwa Krebs alleine nicht heilen. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen aber, dass sie häufig zu Therapieerfolgen beitragen, da sie den Patienten helfen, schulmedizinische Therapien gut zu überstehen. So können beispielsweise die teils schweren Nebenwirkungen einer Chemotherapie oder Bestrahlung gemindert und die Lebensqualität verbessert werden. Beispiele wissenschaftlich belegter Anwendungen sind Akupunktur, Akupressur oder auch Kneippsche Wickel. Die Entwicklung solcher maßgeschneiderten Therapien aus Schul- und Komplementärmedizin, insbesondere für Tumorpatienten, ist das Ziel des neuen Lehrstuhls für Naturheilkunde und Integrative Medizin.“

Wie das „Schwäbische Tageblatt“ unter Berufung auf die DPA weiter berichtet, loben die ebenfalls in Baden-Württemberg ansässigen Hersteller alternativer Arzneimittel den Schritt der Politik: „Baden-Württemberg nimmt damit eine Vorreiterrolle in Deutschland und in Europa ein“, so ein Unternehmenssprecher der Wala Heilmittel GmbH in Bad Boll. „Die Landesregierung trage mit der Entscheidung dem Wunsch vieler Patienten und Ärzte nach umfassenden Behandlungskonzepten Rechnung.

Zudem hoffen die Unternehmen, dass durch die Arbeit am neuen Lehrstuhl Licht in die oft kritische Debatte um Homöopathie gebracht wird. „Wir sehen mit Erstaunen und Befremden, dass eine bewährte Therapierichtung wie die Homöopathie, die Teil der Vielfalt des therapeutischen Angebots in Deutschland ist, diskreditiert werden soll“, sagte ein Sprecher des Herstellers Weleda AG mit Sitz in Schwäbisch Gmünd der DPA. Nicht zuletzt deshalb begrüße man den Lehrstuhl: «Es ist gut, dass Forschung und Lehre ausgebaut werden, da eine Mehrheit der Bevölkerung Komplementärmedizin wünscht und nachfragt. Es braucht Ärzte, die in diesen Bereichen auch universitär ausgebildet werden.“

Allerdings schränkt Ingo Autenrieth, Dekan der Medizinischen Fakultät in Tübingen diese Hoffnungen zumindest im Hinblick auf Homöopathie oder anthroposophische Medizin zumindest ansatzweise ein: Da diese Ansätze am neuen Lehrstuhl „nicht gelehrt, aber innerhalb der Lehre beleuchtet werden“ sollen. Zudem sortiere man „Ideologien und alles, was nichts mit Wissenschaft zu tun hat“ aus.

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