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Erstmals beobachtet: Orang-Utans erfinden den Haken neu

Symbolbild: Orang-Utan.
Copyright: hari-net (via Pixabay.com), CC0

Wien (Österreich) – Während es schon Menschenkindern unter acht Jahren schwer fällt, aus einem Stück Draht einen Haken zu biegen, um nach einem Körbchen mit Futter zu angeln, galt diese Fähigekeit als allein dem Menschen eigen. Kognitionsbiologen und Vergleichende Psychologen haben diese Fähigkeit Hakenwerkzeuge zu erfinden, nun erstmals auch bei Menschenaffen – den Orang-Utans – beobachten können.

Wie das Team um Isabelle Laumer und Alice Auersperg  von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Kollegen um Josep Call von der University of St. Andrews aktuell im Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-018-34607-0) berichten, stellten die Affen – konfrontiert -mit einer Aufgabe, die das Herstellen von Hackenwerkzeugen bzw. deren Umkehr erforderte – schon beim ersten Versuch spontan Hakenwerkzeuge aus einem geraden Stück Draht her und bogen einen gekrümmten Draht in einer zweiten Aufgabe zu einem geraden Stoßwerkzeug zurück.

„Bereits in jungen Jahren stellen Kinder routiniert Werkzeuge her“, erläutert die Pressemitteilung der Veterinärmedizinischen Universität Wien und führt dazu weiter aus: „Die Aufgabe, auf die Idee zu kommen aus einem Stück Draht einen Haken zu biegen, um ein Körbchen mit Henkel aus einer senkrechten Röhre herauszuholen, gelingt Kindern unter acht Jahren aber nur selten. Wie britische ForscherInnen herausfanden, gelang es der Mehrheit der Kinder erst im Alter von acht Jahren, selbstständig ein Hakenwerkzeug zu erfinden. Nach einer Demonstration waren aber Kinder aller Altersklassen in der Lage selbst einen Haken zu biegen. Obwohl es ein offensichtliches Verständnis davon gibt, welche Art von Werkzeug benötigt wird und auch die Fähigkeit gegeben ist, ein funktionales Werkzeug herzustellen, scheint es ein kognitives Hindernis bei der Erfindung dieses zu geben.“

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In ihren Experimenten stellten die Forscher um Laumer dieselbe Aufgabe erstmals einer Menschenaffenart. „Wir konfrontierten die Orang-Utans (im Zoo Leipzig)mit einem geraden Stück Draht und einer senkrechten durchsichtigen Röhre, die ein Körbchen mit Henkel, befüllt mit ihrem Lieblingsfutter, enthielt. In einer zweiten Aufgabe erhielten die Tiere ein um 90 Grad gebogenes Stück Draht und eine horizontale Röhre, die in der Mitte eine Belohnung enthielt“. Um an den Inhalt des Körbchens zu gelangen, mussten die Tiere also auf die Idee kommen die Spitze des Drahts zu einem Haken zu verbiegen, diesen in den Henkel einzuhängen und das Körbchen hochzuziehen. In der zweiten Aufgabe befand sich die Belohnung in der Mitte eines horizontalen Röhrchens. Um zu dem Futter zu gelangen, mussten die Tiere ein um 90 Grad gebogenes Drahtstück gerade biegen. Nur dadurch konnten sie das Futter aus dem Röhrchen herausstoßen.

Das Ergebnis: Mehrere Affen waren in der Lage beide Aufgaben zu lösen. Zwei Orang-Utans lösten sogar beide Aufgaben innerhalb der ersten Minuten des allerersten Versuchs. „Die Orang-Utans haben die Haken meistens direkt mit ihren Zähnen und dem Mund gebogen, während sie den Rest des Werkzeugs gerade gelassen haben. Danach führten sie es sofort richtig herum ein, hakten es in den Henkel ein und zogen das Körbchen hoch.“

Hintergrund
Orang-Utans teilen 97 Prozent ihrer DNA mit Menschen und gehören zu den intelligentesten Primaten. Sie haben ein menschenähnliches Langzeitgedächtnis, benutzen routinemäßig eine Vielzahl ausgefeilter Werkzeuge in der Wildnis und bauen jede Nacht aus Laub und Ästen aufwendige Schlafnester. Wie alle vier großen Menschenaffen sind sie vom Aussterben bedroht und stehen auf der Roten Liste der IUCN. Der natürliche Lebensraum beschränkt sich heute nur noch auf die Regenwälder von Sumatra und Borneo. „Der Verlust des Lebensraums aufgrund der extensiven Palmölproduktion, illegaler Handel und Wilderei sind die Hauptbedrohungen für in Freiheit lebende Orang-Utans. Palmöl ist das am häufigsten verwendete Pflanzenöl der Welt. Solange es eine Nachfrage nach Palmöl gibt und die Verbraucher weiterhin Produkte kaufen, die Palmöl enthalten, floriert die Palmöl-industrie. Laut eines Gutachtens des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) aus dem Jahr 2007 werden Orang-Utans innerhalb von zwei Jahrzehnten in freier Wildbahn ausgestorben sein, falls sich die derzeitigen Entwaldungstrends fortsetzen.“ sagt Isabelle Laumer.

„Der Haken-Test hat sich zu einem Standard-Test für die Prüfung der Innovationsfähigkeit von Werkzeugen in der vergleichenden Psychologie entwickelt.“, erläutert Auersperg und führt dazu weitre aus: „Die Tatsache, dass die Affen sehr schnell auf die Lösung gekommen sind, lässt vermuten, dass die Orang-Utans das Hakenwerkzeug aktiv als Lösung für dieses Problem gebaut haben.“

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„Diese Fähigkeit bei einem unserer nächsten Verwandten zu finden, ist erstaunlich. In der menschlichen Evolution erscheinen Hakenwerkzeuge erst relativ spät. Erste archäologische Funde von Angelhaken und harpunenartigen, gekrümmten Objekten sind etwa 16.000 – 60.000 Jahre alt“, erklärt Josep Call von der Universität von St. Andrews.

Warum also ist die Erfindung eines Hakenwerkzeugs für jüngere Kinder so schwierig? „Folgestudien zeigten, dass die Probleme der Kinder die Aufgabe zu lösen, nicht darauf zurückzuführen sind, dass sie zu impulsiv wären, auf nichtmodifizierte Werkzeuge fixiert sind oder nicht in der Lage wären eine bereits verfolgte Strategie zu ändern. Die Aufgabe stellt ein komplexes Problem dar, zu dessen Lösung mehrere unbelohnte Teilschritte nötig sind, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren.“, erklärt Laumer abschließend. „Komplexe Problemstellungen werden in bestimmten Arealen des medialen präfrontalen Kortex verarbeitet. Interessanterweise reift dieses Hirnareal bei Kindern erst später vollständig aus. Das könnte den Erfolg der älteren Kinder erklären.“

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Dritte Orang-Utan-Art auf Sumatra entdeckt 3. November 2017
Menschenaffen beherrschen doch Grundlagen der Sprache 17. August 2015

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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