Die Kurve der vom Weltraumteleskop Kepler registrierten Helligkeitsschwankungen (weiße Kurve) vor dem Hintergrund einer UKIRT-Teleskopaufnahme des Sterns KIC 8462852.
Copyright: NASA, Boyajian et al., Komp. grewi.de
Saarbrücken (Deutschland) – Erst im vergangenen Dezember (2016) veröffentlichte der Physiker Prof. Dr. Eduard Heindl von der Universität Furtwangen mit seiner Hypothese von stellarem Bergbau, sog. Star Lifting, als Erklärung für das bislang einzigartige Lichtmuster des fernen Sterns „KIC 8462852“ erstmals nicht nur ein Modell, wie es die Merkmale des Lichtmusters nahezu exakt nachzeichnet, sondern auch eine überprüfbare Vorhersage für das Verhalten des Sterns in naher Zukunft (…GreWi berichtete). Der vorhergesagte Stichtag für einen erneuten Helligkeitsabfall im Licht des Sterns ist kürzlich verstrichen. Grenzwissenschaft-Aktuell hat bei Prof. Heindl, bei der Entdeckerin des rätselhaften Lichtmusters, der Astronomin Prof. Tabetha Boyajian und bei Prof. Jason Wright, der die Hypothese einer außerirdischen Megastruktur um den Stern als erster zur Diskussion stellte, nachgefragt.
Andreas Müller, Hrsg. Grenzwissenschaft-Aktuell (Grewi): Herr Professor Heindl, in Ihrem Artikel haben Sie erst im vergangenen Dezember vorhergesagt, dass – laut Ihrer Hypothese von sogenanntem Star Lifting, also stellarem Bergbau durch eine technologisch weit fortgeschrittene Zivilisation im Umfeld von KIC 8462852 – der Stern am 21. Februar 2017 erneut einen deutlichen Helligkeitsabfall (Dip) aufweisen sollte. Dieses Datum ist nun seit einigen Tagen verstrichen. Was ist passiert?
Prof. Dr. Eduard Heindl
Copyright: Dominik Haderer (via WikimediaCommons), CC BY-SA 3.0
Prof. Dr. Eduard Heindl: Es ist wirklich traurig, aber in der kritischen Zeit um den 21.2.2017 wurden überhaupt keine verwertbaren Daten vom Netzwerk der „American Association of Variable Star Observers“ (AAVSO) aufgezeichnet. (Anm. GreWi: Stand 1. März 2017)
Und auch sonst, scheint grade in der (für meine gemachte Vorhersage) spannenden Phase um den 21.2.2017 (also vom 02.19 bis 02.25. 2017) niemand auf der Welt den Stern beobachtet zu haben!
Zum einem lag das Problem an der ungünstigen Position in Sonnennähe am Nordhimmel und entsprechend am schlechten Wetter, Wolken! Aber auch an der Ignoranz der offiziellen Wissenschaft, kein Großteleskop hat es – meines Wissens nach – versucht.
GreWi: Das ist wirklich schade. Gerade wenn man bedenkt, was es bedeutet hätte, wenn Ihre Vorhersage bestätigt worden wäre. Gibt es auf der Grundlage ihrer Arbeit zu KIC 8462852 eine weitere Vorhersage für den nächsten Dip in Folge des dort möglicherweise stattfindenden stellaren Bergbaus, also konkret ein nächstes Datum?
Heindl: Ja, im Februar 2019 sollte bzw. könnte es wieder soweit sein. Hoffentlich wird der Stern dann beobachtet.
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Zugegeben etwas verwundert über die nicht vorliegenden Beobachtungsergebnisse, kontaktierte ich dann Prof. Jason T. Wright, der als erster als Erklärung für das einzigartige Lichtmuster von KIC 8462852 eine künstliche „Megeastruktur“ um den Stern zur Diskussion gestellt hatte (…GreWi berichtete 1, 2) und seither auch mit in die Beobachtungen des Sterns eingebunden ist.
GreWi: Herr Professor Wright, sind Sie mit der Hypothese von Prof. Heindl zu stellarem Bergbau als Erklärung für das Rätsel um KIC 8462852 vertraut, die (meines Wissens) bislang als einzige auch eine konkrete Vorhersage beinhaltet und – wenn ja – was halten Sie davon?
Prof. Jason T. Wright
Copyright: psu.edu
Professor Jason Wright: Die Hypothese selbst kann ich nicht kommentieren.
Die „Vorhersage“ basiert aber auf dem rund 2 Jahre langen Abstand der beiden stärksten bislang beobachteten Helligkeitsabfälle (Dips) und der Vermutung, das es deshalb alle zwei Jahre zu einen solchen Dip kommt. Die Vorhersage basiert also nicht per se auf Heindls Star-Lifting-Modell. Tatsächlich haben auch schon andere ähnliche Vermutungen geäußert. Auch deshalb haben wir die Sterne den ganzen Monat intensiv beobachtet.
GreWi: Wissen Sie, warum noch nicht einmal das AAVSO Beobachtungsdaten für den kritischen Zeitraum liefert?
Wright: Dazu liegen mir leider absolut keine Informationen vor. Vielleicht war das Wetter für die regulären AAVSO-Beobachtungen einfach nicht geeignet. Vielleicht wurden entsprechende Beobachtungen aber einfach auch noch nicht in die Datenbank eingetragen?
GreWi: Erlauben Sie mir nochmals eine Rückfrage: Sie sagen, dass der Stern zur fraglichen Zeit (um den 21. Februar) beobachtet wurde. Können Sie uns etwas zu diesen Beobachtungen sagen?
Wright: Ich bin nicht der, die Beobachtungen leitende Wissenschaftler, deshalb sollte ich auch keine Ergebnisse diskutieren. Ich kann allerdings sagen, dass wir jegliche Dips, so sie sich während unserer Beobachtungen ereignen, auch unmittelbar veröffentlicht hätten und zukünftige Dips veröffentlichen werden, damit jeder sie verfolgen kann. Wie sie wissen, gab es bislang keine solche Bekanntmachung, weshalb Sie davon ausgehen können, dass wir bislang noch nichts entsprechendes beobachtet haben.
GreWi: Heindls Hypothese sagt ein weiteres Ereignis für den Februar 2019 vorher. Sofern das Rätsel um KIC 8462852 bis dahin nicht gelöst sein wird, wird es dann weitere Beobachtungen geben?
Wright: Wir werden den Stern ganz sicher weiterhin beobachten und hoffen alle rund 12 Monate auf größere Dips – allerdings nicht wegen Prof. Heindls Vorhersage.
+ GreWi-Dossier +
Künstliche Mega-Struktur um fernen Stern?
Die wichtigsten GreWi-Meldungen rund um KIC 8462852
Um genauere Informationen zu erhalten, nahm ich dann Kontakt zu Prof. Tabetha Boyajian von der Louisiana State University auf, die als Hauptentdeckerin des merkwürdigen Verhaltens des Sterns gilt.
GreWi: Frau Professor Boyajian, kennen Sie Professor Heindls Hypothese und wie beurteilen sie diese?
Professor Tabetha Boyajian: Ich denke, diese Hypothese ist schon bemerkenswert, hat aber auch ihre Ecken und Kannten. Ich freue mich aber, dass einige Physiker die Vorstellung dortiger außerirdischer Zivilisationen ernst nehmen. Dennoch beinhaltet ein solches Szenario am ende aber auch eine ganze Menge unbekannter Variablen, was die Wahrscheinlichkeit wiederum einschränkt, dass es sich um die korrekte Erklärung für die beobachteten Dips handelt.
GreWi: Laut den mir bekannten Informationen verstrich am 21. Februar 2017 ein – nicht nur von Professor Heindl – vorhergesagtes Datum für einen weiteren großen Helligkeitsabfall im Licht von KIC 8462852 ohne, dass ausführliche Beobachtungen durchgeführt wurden bzw. werden konnten. Können Sie diese für den astronomischen Laien vielleicht merkwürdig erscheinende Situation kurz kommentieren?
Prof. Tabetha Boyajian
Copyright/Quelle: CC BY-SA 3.0 (WikimediaCommons)/ iau.org
Boyajian: Gerne. Es ist nicht so, dass wir dieses Datum nicht ernst genommen hätten. Das Problem ist, dass der Stern selbst sich derzeit an einem für erdgestützte Beobachtungen schwierigen Punkt am Himmel befindet: Während der Monate Januar und Februar kann der Stern nur mit Teleskopen in den höheren nördlichen Breitengraden beobachtet werden – oder eben mit Weltraumteleskopen.
Doch es sind gerade diese Örtlichkeiten, die eigentlich als Standort für irdische Teleskope gemieden werden, da sich mit zunehmender Nähe zum Äquator ein zusehends größeres Beobachtungsfeld eröffnet. Das bedeutet, dass die erdgestützte Beobachtung von diesen Positionen aus, vornehmlich Amateurastronomen überlassen wird. Doch trotz des widrigen Wetters, haben auch einige dieser Beobachter Daten zur fraglichen Zeit erhalten – aber auch hier wurden keine Helligkeitsveränderungen beobachtet.
Da wir diese Schwierigkeiten natürlich schon vorab in Betracht gezogen hatten, habe ich mich um Beobachtungszeit mit dem SWIFT-Weltraumteleskop bemüht, damit wir ein potentielles Ereignis auch wirklich nicht verpassen.
Unsere Anfrage für SWIFT wurde akzeptiert – aber die Helligkeit des Sterns blieb konstant.
Künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops SWIFT (Illu.).
Copyright: NASA
GreWi: Was die SWIFT-Beobachtungen anbetrifft, so hat Professor Heindl vor wenigen Tagen darauf verwiesen, dass das Weltraumteleskop jeweils nur wenige Minuten beobachtet und somit den Stern gar nicht konstant im Blick hatte.
Boyajian: Das stimmt. Die Belichtungszeit für sämtliche unserer Beobachtungen, sowohl mit SWIFT als auch von der Erde aus, beträgt jeweils nur wenige Minuten. Die Helligkeitsabfälle, die aus den Kepler-Beobachtungsdaten hervorgehen, hielten allerdings einige Tage lang an. Das geht also in Ordnung. Unsere Strategie besteht darin, dass wir die Helligkeit des Sterns in entsprechenden Intervallen verfolgen und dann genauere Beobachtungen auslösen können, wenn wir Hinweise auf Veränderungen sehen.
Hintergrund:
Eine Liste aller bisherigen SWIFT-Beobachtungen von KIC 8462852, darunter auch die aktuellsten Beobachtungszeiten von Ende Februar 201, finden Sie HIER
Mit diesen Daten habe ich mich dann erneut an Herrn Professor Heindl gewandt, der so freundlich war, auch diese vor dem Hintergrund seiner Star-Lifting-Hypothese zu kommentieren:
Heindl: Vielen Dank Herr Müller, für diese Daten. Leider gab es aber am 21. und 22. Februar – eben genau zum vorhergesagten Zeitpunkt, keine einzige Messung – und das fast 70 Stunden lang.
Man hätte zum fraglichen Zeitraum wenigstens alle 5 Stunden eine Messung machen müssen, weil der Dip 792 eben nur 5 Stunden lange gedauert hat. (Anm. GreWi: Prof. Heindl konnte den „Dip 792“ anhand seiner Simulationen des von ihm postulierten Star Lifting nahezu deckungsgleich simulieren.)
Dip 792 in Simulation und Messkurve
Copyright/Quelle: E. Heindl
Und wie Sie dem Beobachtungsprotokoll von SWIFT entnehmen, wird alle 15 Minuten ein anderer Stern beobachtet, wobei kaum all die anderen Sterne genau zu dieser Zeit extrem interessante Daten liefern.
Ich verstehe das nicht, entweder ist es Bürokratie, die die Messzeiten Jahre vorher verteilt, völlige Ignoranz von Forschung die SETI betrifft oder eben einfach Unaufmerksamkeit.
Sollte sich in einigen Jahren herausstellen, dass es Star-Lifting ist, weil man 2019 doch regelmäßige Messungen macht, wird man das im Rückblick nicht mehr verstehen.
Diese Info finden Sie im deutschsprachigen Web so nur auf Grenzwissenschaft-Aktuell
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Besten Dank!
Auch Professor Tabetha Boyajian habe ich auf diese Anmerkungen hingewiesen und um ein Kommentar dazu gebeten:
Boyajian: Zunächst dauerten die wirklich großen Dips deutlich länger als fünf Stunden – vielmehr mehrere Tage. Und genau das ist für uns auch ein großes Glück, da wir, wie bereits erläutert, den Stern eben nicht die ganze Zeit im Auge behalten müssen. Das wäre mit SWIFT auch nicht einfach, da es viele Nutzungsanfragen und Zusagen für Beobachtungen mit dem Instrument gibt. Vor dem Hintergrund des noch stark limitierten Wissens über das Verhalten des Sterns wäre ein kürzerer Beobachtungsrythmus als besagte 3 Tage einfach nicht zu machen. Vom Boden aus waren wir leider durch die eingeschränkte Sicht und das Wetter eingeschränkt.
Auch wenn ich die Enttäuschung einiger Beobachter verstehen kann, so kann ich zugleich versichern, dass wir uns wirklich intensiv darum bemühen, unsere Beobachtungsstrategien und Planung so produktiv und sinnvoll wie möglich zu gestalten. Kepler verwöhnte uns mit Daten, die alle 30 Minuten gewonnen wurden und das über einen ungestörten Zeitraum von fast vier Jahren. Diese Frequenz ist ohne Kepler leider nicht mehr zu halten.
Natürlich wären mehr Daten immer besser, aber wir verfügen eben leider nur über eingeschränkte Ressourcen, da wir leider über kein eigenes Weltraumteleskop verfügen können. Aber selbst wenn das anders wäre, so ergeben sich auch hier immer wieder Lücken, wenn Teleskope wie Kepler wieder Richtung Erde gewendet werden müssen, um die gesammelten Daten zur Erde zu übertragen.
Auf der Grundlage unserer bisherigen Beobachtungen kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass das nächste große Ding, das dieser Stern veranstalten wird, gänzlich unerwartet kommen wird. Wir unsererseits werden alles uns Mögliche daran setzten, ihn weiterhin im Auge zu behalten.
GreWi bedankt sich bei Prof. Tabetha Boyajian, Prof. Jason Wright und Prof. Eduard Heindl für ihre Zeit und die freundlichen Auskünfte, Erläuterungen und Informationen.
…GreWi wird weiterhin berichten.
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