Evolutionäre Anpassung muss nicht von Mutationen abhängen
Ein sog. Blinder Höhlensalmler (Astyanax jordani).
Copyright: Vassil (via WikimediaCommons), CC0
Bethesda (USA) – Als Anpassung an einen immerdunkle Umgebung haben einige Tierarten ihre Augen stark zurückgebildet oder sogar gänzlich verloren. Während etwa bei Nacktmullen Mutationen zur Deaktivierung der die Augenentwicklung steuernden Gene geführt haben, fanden Wissenschaftler nun bei der Untersuchung augenloser mexikanischer Höhlenfische keine derartigen Mutationen. Mutationen sind also nicht der einzige Weg, Genaktivitäten zu verändern.
Wie das Team um Aniket V. Gore und Dr. Brant M. Weinstein vom Eunice Kennedy Shriver National Institute of Child Health and Human Development aktuell im Fachjournal „Nature Ecology and Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-018-0569-4) erläutert, handele es sich vielmehr um eine epigenetische Steuerung der Genaktivität bei der blinden in immerdunklen Höhlen lebenden Form mexikanischer Süßwasserfische (sog. Blinde Höhensalmler), die die Entwicklung des Augengewebes schon wenige Tage nach der Befruchtung einstellt.
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Bei der epigentischen Regulation handelt es sich um einen eigentlich wieder umkehrbaren und zeitlich beschränkten Prozess, in dem Gene aus- oder angeschaltet werden können. Der Mechanismus unterscheidet sich somit deutlich von genetischen Mutationen, die eine dauerhafte Veränderungen im DNA-Sequenz darstellen.
„Die Eigenschaften von im Untergrund lebenden Arten stellt eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung darüber dar, wie sich Tiere in extremen Umgebungen entwickeln. Einige dieser Eigenschaften gleichen zudem Eigenschaften einige menschlichen Krankheiten“, erläutert Weinstein. „Viele der Gene, die wir in den untersuchten Höhlenfischen gefunden haben, können wir mit menschlichen Augenkrankheiten in Verbindung bringen. Das wiederum legt nahe, dass diese Gene durch die gesamte Evolution hinweg sozusagen konserviert wurden und vielleicht heute noch auch in Menschen auf ähnliche Weise gesteuert werden.“
Hintergrund
Bei Astyanax mexicanus (s. Abb.l.o., Bildquelle: nichd.nih.gov) handelt es sich um einen kleinen, tropischen Süßwasserfisch aus der Familie der Echten Salmler (Characidae), der hauptsächlich in Mexiko vorkommt.
Vor einigen Millionen von Jahren wurden einige dieser Fische vermutlich in immerdunklen Höhlen eingeschlossen und entwickelten sich seither hier zu einer völlig unterschiedlichen Variation ihrer Art – sogenannte Morphe – ohne Augen (s. Abb.l.u., Bildquelle: nichd.nih.gov), dafür aber mit einer Anzahl anderer für die auch als „Blinde Höhlensalmler“ (Astyanax jordani) bezeichneten Höhlenfische einzigartigen physiologischen, psychologischen und Verhaltenseigenschaften.
Während in früheren Studien keine auffälligen Mutationen in den Genen der blinden mexikanischen Höhlenfische gefunden werden konnten, zeigt die neue Untersuchung, dass die Augenentwicklung epigenetisch eingestellt wird. 26 der hierfür zuständigen Gene sind auch u.a. für die Augenentwicklung beim Menschen verantwortlich. 19 werden mit menschlichen Augenkrankheiten in Verbindung gebracht.
„Unsere Studie legt nahe, dass kleine genetische Veränderungen, wie die, die epigenetische Regulation verändern können, eine wichtige Rolle in der Evolution (einer Art) spielen kann, in dem sie dramatische Veränderungen in der Ausprägung einer ganzen Reihe von Gengruppen auslösen kann“, so Gore abschließend.
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