Fehlende Materie des Universums entdeckt
Grafische Simulation des „kosmischen Netzes“ aus Gasfilamenten, das die Galaxien quer durch das Universum miteinander verbindet (Illu).
Copyright: NASA, ESA, E. Hallman (CU Boulder)
Rom (Italien) – Lange Zeit standen Astrophysiker angesichts des Widerspruchs zwischen der eigentlich vom kosmologischen Standardmodell vorhergesagten Masse an gewöhnlicher Materie und jenem Anteil, der tatsächlich beobachtbar war, vor einem großen Rätsel. Jetzt berichten Wissenschaftler, das fehlende Dritten der gewöhnlichen Masse in in dünnen, dafür aber weit ausgedehnten Gasfilamenten entdeckt zu haben, die unser gesamtes Universum durchziehen.
Wie das Team um Fabrizio Nicastro vom italienischen Istituto Nazionale di Astrofisica (INAF), dem Osservatorio Astronomico di Roma und des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics gemeinsam mit Michael Shull von der University of Colorado aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-018-0204-1) berichtet, gelang ihnen mit Hilfe des Röntgenspektrums eines Quasars der eindeutige Nachweis der schon zuvor formulierten Theorie.
Während unser Universum hauptsächlich aus Dunkler Materie und Dunkler Energie besteht, macht die gewöhnliche, als Baryonen bezeichnete Materie gerade einmal fünf Prozent aus. Das bisherige Problem: Selbst von diesen fünf Prozent der normalen Materie konnten Wissenschaftler bislang nur rund zwei Drittel in Galaxien, Galaxienhaufen und Halos entdecken und nachweisen.
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Schon zuvor hatten einige Astronomen das fehlende Drittel in kosmischen Filamenten, also gewaltigen Gassträngen vermutet, die zwar das gesamte Universum wie ein Netz durchweben, aber aufgrund ihrer geringen Dichte und starken Ionisation nur schwer zu erforschen sind.
Mit Hilfe des ESA-Röntgenteleskops XMM-Newton und des starken Röntgenlichts des fernen Quasars mit der Bezeichnung „1ES 1553“ durchleuchteten die Astronomen nun besagte Gasfäden nun und stießen so auf deren Signaturen im Röntgenspektrums des Quasar-Lichts. Bei dem Quasar handelt es sich um ein Schwarzes Loch im Innern des dortigen Galaxienkerns.
In den langjährigen Beobachtungsdaten entdeckte die Forscher schlussendlich die Signatur von (ionisiertem) Sauerstoff, dessen hochgerechnete Dichte der Masse der fehlenden
Materie entspricht.
„In diesen Filamenten sind offenbar große Mengen an Materie, u.a. Sauerstoff, gebunden und das in eben jenen Mengen, nach denen wir gesucht haben und die die bisherige Lücke im Anteil beobachtbarer gewöhnlicher Materie schließt“, so Nicastro. „Der Baryonen-Zensus von Wasserstoff, Helium und allen andern Elementen ist dabei eine der Grundsäulen der Tests der Urknalltheorie“, fügt Shuller hinzu.
Weitere Beobachtungen sollen nun überprüfen, ob es sich bei der Messung nicht doch auch um einen in Wirklichkeit seltenen – zu seltenen – Einzelfall handelt.
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