Symbolbild: Analogie zur Vorstellung früherer vergangener Zivilisationen auf der Erde aus dem Kinofilm „Planet der Affen“ (1968)
Rochester (USA) – Ein immer wiederkehrendes Motiv der alternativen Geschichtsschreibung und Archäologie ist die Vorstellungen von fortgeschrittenen Zivilisationen auf unserer eigenen Erde, lange vor unserer eigenen Geschichtsschreibung. Während die ein solches Szenario stützende archäologische Funde meist fraglich oder zumindest mehr als kontrovers diskutiert und von der Wissenschaft meist abgelehnt werden, haben sich zwei US-Forscher nun der Frage gewidmet, ob sich in den geologischen und fossilen Archiven unseres Planeten noch heute Hinweise auf eine „Zivilisation vor uns“ finden ließen.
Das Hauptproblem angesichts der Frage, ob es lange vor uns bereits eine (oder sogar mehrere…?) vielleicht sogar technologisch fortgeschrittene Zivilisation auf der Erde gab, liegt in der nach geologischen Maßstäben extrem kurzen Haltbarkeit archäologischer Indizien und Beweise – schließlich ist es schon heute nur noch in seltenen Fällen möglich, archäologische Hinterlassenschaften von vor mehr als 10.000 Jahren zu finden.
Hinweis: Wenn in dieser Meldung von „früheren Zivilisationen“ die Rede ist, so sind damit keine mehr oder weniger unbekannten oder mysteriösen Zivilisationen rund um die Antike, sondern Zivilisationen, die lange Zeit vor unserer eigenen – deren Geschichte mit dem Homo sapiens beginnt – gemeint.
Jetzt haben sich der der Wissenschaftler Gavian A. Schmidt vom Goddard Institute for Space Studies der NASA und der Astrophysiker Adam Frank von der University of Rochester der Frage nach möglichen Hinweisen auf frühere Zivilisationen angenommen und dazu einen ersten Fachartikel im „International Journal of Astrobiology“ (DOI: 10.1017/S1473550418000095) veröffentlicht.
Schon der Titel der Arbeit „The Silurian hypothesis: would it be possible to detect an industrial civilization in the geological record?“ (Die Silurianische Hypothese: Wäre es möglich, eine industrielle Zivilisation in den geologischen Aufzeichnungen zu entdecken?) spielt – in Anlehnung an die sogenannte Selurianer aus der TV-Science-Fiction-Serie „Dr. Who“, mit dem Bild eine reptil-humanoiden Rasse (eben den sog. Selurianern, siehe Abb. l.), die Teil einer fortgeschrittenen Zivilisation waren, die die Erde vor rund 400 Millionen Jahren bevölkert hatte.
Während also archäologische Funde im besten Fall nur wenige Jahrtausende überdauern, wird es angesichts von deutlich größeren Zeiträumen deutlich schwieriger, von wirklich aussagekräftigen Funden auszugehen.
„Selbst die zugänglichen geologischen Aufzeichnungen sind in der Regel nicht älter als 2,6 Millionen Jahre“, führen Frank und Schmidt aus. „So sind beispielsweise die ältesten heute noch zugänglichen Teile der Erdoberfläche, wie sie in der Nubischen Wüste zu finden sind, gerade einmal 1,8 Millionen Jahre alt. Ältere Schichten sind dann nur noch in geologischen Aufbrüchen, in Gebirgen oder an Klippenbrüchen in Form von Erd- und Gesteinsschichten sichtbar. Überschreitet man also die Linie zum sog. Quartär, so ist alles nur noch in umgewälzter und zu Staub zermahlener Form vorhanden.“
Wer nun auf die viele Millionen Jahre älteren Dinosaurierfossilien verweist übersieht, wie selten diese im Vergleich zu der einstigen Verbreitung und Anzahl der Urzeitechsen tatsächlich sind. „Für alle diese einst lebenden Tiere sind heute nur noch wenige tausende Funde pro 100.000 Jahren bekannt.“ Wir – also der Homo sapiens – existieren hingegen aus geologischer Sicht betrachtet erst derart kurz, dass – würden wir morgen aussterben – schon in wenigen Millionen Jahren vermutlich keine Fossilien mehr zu finden wären.
Unsere „industrielle Zivilisation“, so unterstreichen die beiden Wissenschaftler weiter, „existiert bislang sogar erst gerade einmal rund 300 Jahre, was selbst nur einen winzigen Bruchteil unserer Existenz und einen noch kleineren Bruchteil der Existenz komplexen Lebens auf unserem Planeten (∼400 Mio. Jahre) ausmacht.“ Genügend Zeit also, als dass auch schon lange vor uns eine oder sogar mehrere Zivilisationen entstanden und wieder vergangen sein könnten.
Statt also nach Fossilien wirklich lange vergangener Hochkulturen oder archäologischen Artefakten zu suchen, schlagen Schmidt und Frank vor, nach „physiochemischen Spuren früherer Zivilisationen“ zu suchen. Gemeint sind anormale Veränderungen in den Chemikalien innerhalb der geologischen Aufzeichnungen (also Erdschichten), die darauf hindeuten, dass zum Zeitpunkt deren Ab- und Einlagerungen etwas Ungewöhnliches passiert sein muss.
So zeichnet sich das kürzlich ausgerufene sog. Anthropozän und damit jenes Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist, durch die Nutzung sog. seltener Erden durch die Computerindustrie, gewaltige Mengen an Dünger, Plastik, nukleare Strahlung und Abfälle und durch einen deutlichen Anstieg atmosphärischen Kohlenstoffs aus. Alle diese und weitere Merkmale unserer modernen Zivilisation sind vermutlich auch noch in Jahrmillionen anhand chemischer Veränderungen der historischen Normalwerte nachweisbar.
Tatsächlich sind schon heute genau solche „geologischen Rätsel“ bekannt, die als Kandidaten für die „Silurische Hypothese“ angesehen werden könnten, führen die Autoren aus:
So rätseln Geologen beispielsweise über die sogenannten EMLOs (Eocene Layers of Mysterious Origin; dt.: Eozän-Schichten mysteriösen Ursprungs) während des sog. Eozäns (vor rund 56-34 Millionen Jahren). Diese zeichnen sich durch „signifikante negative Kohlenstoffisotopabweichungen, einer Klimaerwärmung und eine vergleichsweise hohe Sedimentationsrate“, sowie durch die Erwärmung, sinkender Salinität sowie Sauerstoffmangel der Ozeane auszeichnen. Auch aus der Übergangsepoche zwischen dem Paläozän und dem Eozän stellt das sogenannte „Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum“ (PETM) die Wissenschaft vor ein Rätsel.
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Tatsächlich gebe es „zweifelsohne Ähnlichkeiten zwischen früheren abrupten Ereignissen dieser Art in den geologischen Aufzeichnungen und den zukünftigen wahrscheinlichen geochemischen Signaturen des Anthropozäns.
Allerdings geben die beiden Autoren auch zu bedenken, dass es schwierig ist, Gründe für die beschriebenen und anderen Anomalien zu finden, wie sie auch von natürlichen Ereignissen wie tektonischen und vulkanischen Ereignissen verursacht worden sein könnten und dann natürlich kein Beweis für die „Silurianische Hypothese“ wären.
Während Schmidt und Frank in ihrem Fachartikel eine ganze Anzahl geologischer Anomalien aus unterschiedlichen Erdepochen diskutieren, gestehen sie aber selbst ein, dass diese Arbeit nur als erster, kleiner und zudem spekulativer Schritt angesehen werden könne:
„Wir hoffen aber dennoch, dass unsere dargelegte Analyse andere zu zusätzlichen Studien motiviert. So müsste zunächst noch genauer untersucht werden, welche einzigartigen industriellen Nebenprodukte Signaturen des Anthropozäns in den Sedimenten hinterlassen werden und ob diese auch noch in Jahrmillionen auffindbar wären. Zudem sollten die Anomalien in den urzeitlichen Sedimenten noch tiefgreifender analysiert werden – auch im Hinblick auf die ‚Silurianische Hypothese‘.“
Hinzu sind sich Frank und Schmidt sicher, dass ihre eigene Hypothese zu weiteren und deutlich ungezwungeneren Spekulationen führen werden und ihre Arbeit Gefahr laufe, von anderen zur unangemessenen Untermauerung ihrer eigenen Theorien benutzt, statt fundiert ausgearbeitet zu werden.
„Während wir selbst stark bezweifeln, dass es bereits vor uns eine industrialisierte Zivilisation auf der Erde gab, ergeben sich dennoch aus der Frage nach der verbleibenden Möglichkeit und den dafür potentiell auffindbaren Beweisen nützliche Fragestellung sowohl für die Astrobiologie als auch für Studien zum Anthropozän“, hoffen die beiden Wissenschaftler abschließend.
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