Forscher beobachten erstmals hilfsbereite und tolerante Papageien

Copyright: Max-Planck-Institut für Ornithologie / Comparative Cognition Group
Seewiesen (Deutschland) – Nicht nur wir Menschen können, so wir wollen, zumindest gegenüber unseren Artgenossen oder auch anderen Lebewesen hilfsbereit und tolerant sein. Vergleichbares Verhalten und damit einhergehende geistige Fähigkeiten wurden auch schon bei anderen Primaten, Delfinen und Rabenvögeln beobachtet. Jetzt haben Ornithologen Hilfsbereitschaft und Toleranz erstmals auch bei Papageien nachgewiesen.
Tatsächlich steht die Intelligenz von Papageien für Vogelkundler grundsätzlich nicht mehr in Frage. „So konnte der Graupapagei Alex, der mit rund 500 Wörtern kommunizierte, Fragen beantworten und spontan Objekte klassifizieren“, berichtet die Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Forscherinnen um Désirée Brucks und Anastasia Krasheninnikova von der Außenstelle des Instituts auf Teneriffa haben nun nachgewiesen, dass Papageien auch ein hohes Maß sozialer Intelligenz und Hilfsbereitschaft aufweisen: „Die Vögel helfen Artgenossen, selbst wenn sie keine sofortige Gegenleistung für ihre Hilfe erhalten. Darüber hinaus erwidern sie Gefallen und reagieren nicht mit Neid, wenn Artgenossen eine größere Belohnung erhalten als sie selbst. Geistig sind Papageien damit auf dem Niveau von Rabenvögeln, Delfinen und Primaten.“
In den vorangegangenen Experimenten hatte etwa das Graupapageien-Weibchen Bella gelernt, metallene Wertmarken gegen eine Futterbelohnung eintauschen zu können, während sie in einer Plexiglas-Kammer sitzt. Einziges Problem und Interesse der beobachteten Forscher: Das Loch in dieser Kammer, durch das der Tauschhandel stattfindet, wurde versperrt. In der direkt benachbarten Testkammer allerdings wartete ihre Freundin Kimmi, deren Öffnung für den Austausch Marke gegen Futter ist offen. Aber Bella sieht, dass Kimmi keine Wertmarken bekommt. Was wird sie tun?
Tatsächlich nahm die Papageien-Dame Wertmarke für Wertmarke in den Schnabel und reichte sie Kimmi durch eine Öffnung zwischen beiden Kammern. Diese nahm die Gaben sichtbar gerne an und verliert keine Zeit, sie gegen eine Nascherei einzutauschen. Gelassen beobachtet Bella, wie Kimmi von ihrer Großzügigkeit profitiert – ohne zu wissen, dass sie sich später vielleicht revanchieren kann

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„Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen verhalten sich neben dem Menschen nur Menschenaffen in vergleichbaren Situationen so scheinbar selbstlos“, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Alle anderen bislang getesteten Tiere achten nicht darauf, wie es ihren Artgenossen ergeht. Sie verhalten sich scheinbar gleichgültig oder handeln sogar eigensüchtig. Unsere Papageien dagegen haben begriffen, dass ein anderes Individuum Hilfe braucht, um ein Ziel zu erreichen.“
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In einer weiteren Variante des Versuchs war dann auch die Tauschöffnung von Kimmi versperrt. In diesem Fall sparte Bella sich die Mühe und reichte keine Wertmarken hinüber. „Die Graupapageien erkennen also, wann ein Artgenosse von ihrer Hilfe profitieren kann und wann nicht.“
In einer zweiten Studie konnten die Papageien dann die Fähigkeit beweisen, auch auf das Wohl anderer zu achten und konnten zudem nach der Devise „Wie Du mir, so ich Dir“ handeln. Beides sind wichtige Grundlagen für kooperatives Verhalten.
Im Versuch mussten sich die Vögel zwischen einer Wertmarke entscheiden, die nur ihnen selbst zugutekommt, und einer Marke, die auch dem Nachbar Futter sichert. „Am Anfang trafen die Papageien ihre Wahl noch zufällig, ohne auf das Wohl des Nachbarn zu achten“, erklärt Krasheninnikova. „Sobald sie aber abwechselnd mit Ihrem Partner getestet wurden, lernten sie schnell die Wertmarken auszuwählen, von der auch jeweils der Andere profitierte.“
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Darüber hinaus haben die Forscherinnen in einer weiteren Studie herausgefunden, dass Papageien offenbar nicht neidisch sind, wenn ein Artgenosse für die gleiche Leistung höher belohnt wird oder wenn er für die gleiche Belohnung weniger hart arbeiten muss. „Das kam überraschend, denn eigentlich gelte ein ‚Sinn für Fairness‘ als Voraussetzung dafür, dass in der Evolution Zusammenarbeit entstehen kann“, sagt Auguste von Bayern, die am Max-Planck-Institut die Arbeitsgruppe Vergleichende Kognitionsforschung leitet. „Wenn man tatsächlich merkt, wenn man benachteiligt wird, kann man Trittbrettfahrer entlarven und sich neue, fairere Partner suchen.“
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Primaten beispielsweise nehmen eine solche Ungleichbehandlung nicht klaglos hin. Papageien hingegen bleiben gelassen. „Möglicherweise liegt das daran, dass sie in der Regel ein Leben lang mit einem Partner zusammenleben, während Primaten viele Partner gleichzeitig haben und sie außerdem schnell und häufig wechseln“, vermuten die Forscherinnen abschließend. „Wenn man so eng mit seinem Partner verbunden ist wie die Papageien, kommt es nicht darauf an, ob der andere einmal besser davonkommt. Was zählt, ist auf Dauer gemeinsam viel mehr zu erreichen als allein, und gemeinsam Junge aufzuziehen. Deshalb sind Papageien wahrscheinlich toleranter gegenüber Ungleichheit als nicht monogame Arten.“
Die Ergebnisse der Experimente wurden in drei Studien veröffentlicht:
Désirée Brucks & Auguste von Bayern
Parrots voluntarily help each other to obtain food rewards.
Current Biology; 09 January, 2020Anastasia Krasheninnikova, Désirée Brucks, Sigrid Blanc and Auguste M. P. von Bayern
Assessing African grey parrots‘ prosocial tendencies in a token choice paradigm.
6 R. Soc. open sci.; 11 Dec, 2019Anastasia Krasheninnikova, Désirée Brucks, Nina Buffenoir, Dániel Rivas Blanco, Delphine Soulet & Auguste von Bayern
Parrots do not show inequity aversion.
Scientific Reports; 11 November, 2019
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