Forscher finden Wasserstoff-Leben unter Gletschereis

Der Austritt eines Schmelzwasserabflusses am Kötlujökull-Gletscher auf Island. Copyright: Eric S. Boyd.
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Der Austritt eines Schmelzwasserabflusses am Kötlujökull-Gletscher auf Island. Copyright: Eric S. Boyd.

Der Austritt eines Schmelzwasserabflusses am Kötlujökull-Gletscher auf Island.
Copyright: Eric S. Boyd.

Bozeman (USA) – US-Forscher haben neue Erkenntnisse über jene Prozesse gewonnen, durch die Mikroben unterhalb gewaltiger Eisdecken und Gletschern gedeihen können. Die Entdeckung von erlaubt Rückschlüsse darüber, wie sich das Leben über die Zeiten hinweg selbst an unwirtlichen Orten und dass womöglich auch auf anderen Himmelskörpern wie Monden und Planeten überdauern kann.

Wie der Doktorand Eric Dunham und Professor Eric Boyd von der Montana State University aktuell im Fachjournal “Proceedings of the National Academy of Sciences“ (DOI: 10.1073/pnas.2007051117) berichten, haben sie untersucht, wie Wasser und Mikroben im Grundgestein unter Gletschern miteinander interagieren und haben dazu Sedimentproben von Gletschern in Kanada und Island analysiert.

“Überall, wo wir gesucht haben, haben wir in diesen Systemen Organismen gefunden, die sich von Wasserstoffgas ernähren“, erläutert Dunham und führt dazu weiter aus: „Zunächst schien das keinen Sinn zu machen, da wir nicht erkannten, wo dieses Gas unterhalb der Gletscher herkam.“

Später entdeckte dann ein Team um Boyd, das seine Reihe von physikalischen und chemischen Prozessen Wasserstoffgas dort entstehen lässt, wo an Kieselsäure reiches Grundgestein unter dem Gewicht der Gletscher zu kleinsten Mineralpartikeln zermahlen wird. Wenn diese Mineralpartikel mit dem Schmelzwasser des Gletschers interagieren, wird Wasserstoff abgegeben.

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Noch erstaunlicher waren jene Beobachtungen der Wissenschaftler, die zeigten, dass die Mikroben-Gemeinschaften unter den Gletschern dieses Wasserstoffgas mit Kohlendioxid kombinieren können, um so in einem als „Chemosynthese“ bezeichneten Prozess weitere organische Biomasse zu erzeugen. Der Prozess ist also vergleichbar mit der Photosynthese oberirdischer Pflanzen, die durch Sonnenlicht Biomasse aus Kohlendioxid gewinnen. Allerdings benötigt es für die Chemosynthese kein Sonnenlicht.

Um mehr über diese chemosynthetischen Mikroben herauszufinden, haben die Forschenden Sedimentproben untersucht und die darin enthaltenen Mikroben im Labor in ihrer simulierten subglazialen Umgebung mehrere Monate lang kultiviert und beobachtet.

„Um zu wachsen, brauchten diese Organismen das Wasserstoffgas als Nahrung. Die meisten der gefundenen Organismen sind zudem anaerob – Sauerstoff würde sie also abtöten“, erläutert Durham weiter.

Die Untersuchungen zeigten zudem, dass die Art des Untergrundgesteins nicht nur die Menge an freigegebenem Wasserstoffgas, sondern damit auch die Art der mikrobischen Gemeinschaften beeinflusste, die sich schließlich von eben diesem Wasserstoff ernährten:

Proben, die unter dem isländischen Kötlujökull-Gletscher entnommen worden waren, der sich über basaltischem Untergrund erhebt, erzeugten mehr Wasserstoffgas als Proben des kanadischen Robertson-Gletschers, der auf Karbonatgestein sitzt.

Da die Mikroben Wasserstoffgas nutzen, um Energie zu gewinnen, ziehen sie auch Kohlenstoffdioxid aus der Luft, um auch damit Biomasse zu erzeugen, sich zu vermehren und zu wachsen. Die Fähigkeit, Kohlenstoff zu binden, sei ein wichtiger Regulationsprozess, der ebenfalls der Photosynthese von Pflanzen gleiche.

„Wenn wir bedenken, dass Gletscher und Eisdecken heute noch etwa 10 Prozent der irdischen Landmasse bedecken und dass früher noch sehr viel mehr Land von Eis bedeckt war, so darf davon ausgegangen werden, dass mikrobische Aktivitäten einen sehr viel größeren Einfluss auf das Erdklima hatten als bislang angenommen“, so die Forscher und erläutern weiter: „Wir wussten bereits, dass Mikroorganismen unter Eisdecken und Gletschern Kohlenstoff binden können, aber wir wussten bislang noch nicht wie. (…) Die jetzt vorgelegte Arbeit zeigt nun nicht nur, dass diese Organismen nicht nur vollständig selbsterhaltend ihre eigenen Energie erzeugen und Kohlenstoff binden können, sondern auch, dass sie dafür kein Sonnenlicht brauchen, wie es fast der gesamte Rest der uns bekannten Biosphäre tut.“

Die neuen Forschungsergebnisse seien aber nicht nur für unseren eigenen Planeten, sondern auch angesichts ferner Himmelskörper wie Monde und anderer Planeten interessant: Zwei der kritischen Elemente, nach denen Wissenschaftler bei der Suche nach (erdähnlichem) Leben fahnden, sind Wasser und eine Energiequelle. Die jetzt entdeckten Mikroben-Gemeinschaften können in eisigen Umgebungen gedeihen, indem sie Wasserstoffgas erzeugen und nutzen. Das ist ein wichtiger Schritt auch zur Identifizierung potenziell lebensfreundlicher Umgebungen auch auf anderen Planeten und Himmelskörpern.

“Schon jetzt gibt es zahlreiche Beweise für Eis und Gletscher auf anderen Planeten und Monden“, so Dunham abschließend. „Ob diese aber auch lebensfreundlich sind, wissen wir bislang noch nicht. Könnten diese Mikroben unter dortigen Eisdecken und Gletschern in ähnlichen Sedimenten und Grundgesteinsschichten existieren und gedeihen? Absolut. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht so sein sollte.“




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Quelle: Montana State University

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