Forscher nutzen Kunst und altes Wissen der Aborigines zur Untersuchung der australischen Feenkreise
Crawley (Australien) – Feenkreise, runde Flächen ohne Bewuchs inmitten ausgedehnter Grasländer, galten lange Zeit als ein auf die afrikanischen Wüsten-Grasländer Namibias begrenztes Phänomen. 2016 entdeckten Forscher das Phänomen erstmals auch in Australien. Ebenso wie ihre namibischen Gegenstücke stellen die australischen Exemplare Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch immer vor zahlreiche Rätsel. Jetzt haben australische Forschende das Wissen und die Kunst der australischen Ureinwohner in ihre Untersuchungen miteinbezogen.
In ihrem aktuell im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-023-01994-1) veröffentlichten Artikel, stellt das interkulturelle Team aus Forschenden um die Ethnoökologin Dr. Fiona Walsh von der University of Western Australia und Aborigines der Western-Desert-Region bisherige wissenschaftliche Theorien zur Entstehung der lokalen Feenkreise in Frage.
Das Team habe zunächst die wissenschaftliche Standardtechniken in Betracht gezogen, die davon ausgehen, dass Feenkreise durch den Konkurrenzkampf der Pflanzen um Wasser und Nährstoffe entstehen. „Als wir jedoch mit Aborigines zusammenarbeiteten, um ihre Praktiken und Geschichten, ihre Kunst und ihre Designs zu untersuchen, kamen wir zu einem anderen Schluss“, sagte Dr. Walsh. „Die Ureinwohner sagten uns, dass diese regelmäßigen kreisförmigen Muster und die diese verbindenden Pfade im Untergrund von Spinifex-Termiten besetzt sind. Zudem sehen wir Ähnlichkeiten zwischen Mustern in der minimalistischen Kunst der Aborigines und Luftaufnahmen der Kreise, und es gibt tiefgründige und komplexe Geschichten der Vorfahren über die dortigen Aktivitäten von Termiten“
In der Sprache der lokalen Martu-Aborigines sind die Feenkreise als „Linyji“ bekannt. „Linyji sind die Heimat von Termiten, die unter der Erde leben. Ich habe das von unseren Alten gelernt und es selbst viele Male gesehen“, erklärt die Martu-Älteste Gladys Bidu. Mit diesem Wissen um Termiten im Untergrund der Kreise gelang es den Martu früher auch, die Grundlage für eine ihrer fettreichen Mahlzeiten, eben jene von den Alten als „Warturnuma“ bezeichneten Termiten gezielt zu finden. Erfahrungen wie diese wurden über Generationen von Martu, Warlpiri und anderen Aborigine-Gruppen weitergegeben, die das Ergebnis der Untersuchungen der Forschenden.
Tatsächlich fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei ihrer Untersuchungen von zahlreichen Orten mit Feenkreisen im Nyiyaparli-Land, östlich von Newman in der Region East Pilbara in Washington, in einer Tiefe von etwa 15 Zentimeter unterhalb der betonharten Oberfläche in allen untersuchten Kreisen horizontal wie vertikal verlaufende Termitenkammern und in rund 40 Prozent dieser Kreise lebende Termiten. „Termiten und Termitenstrukturen waren zudem viel häufiger unter den Kreisen und Wegen zwischen den Kreisen als in den geschlossenen Spinifex-Graslandschaften daneben, was alternative wissenschaftliche Beweise zu der vorherrschenden internationalen Theorie lieferte, die bislang das Phänomen der ‚Feenkreise‘ in Australien erklärt.“
Mehr als 80 Gemälde von 34 Künstlerinnen und Künstlern beziehen sich nicht nur auf Termiten und die Kreise und Gänge in den Spinifex-Grasländern, sondern gleichen auch deren Anordnungen, wenn diese aus der Luft betrachtet (a, c) werden und das, obwohl die Bilder zu einer zeit entstanden, bevor Luftbilder oder gar Satellitenbilder zur Verfügung standen, wie dies heute der Fall ist.
Mitautor und Termitenökologe, Professor Theo Evans von der School of Biological Sciences der UWA, erläutert, dass Ernte-Termiten wie der Krill der Wüstenökosysteme seien. „Sie sind sehr zahlreich, – die meisten Leute denken an oberirdische Termitenhügel, aber es gibt eine ganze Gemeinschaft, die hauptsächlich im Untergrund lebt und auftaucht, um totes Spinifex zu fressen oder um auszufliegen, um sich fortzupflanzen.“
Eine weitere Schilderung aus den Aborigine-Erzählungen über die Eigenschaften der „Linyji“ führte die Wissenschaftler zu neuen Erkenntnissen über das bislang unbekannte Brutverhalten der großen Wüstenkinke. Bislang war nicht bekannt, dass die betonharte Oberfläche der Kreise nach Regenfällen das Regenwasser in Form kleiner Wasserflächen und Tümpel hält und speichert. Anhand der Martu-Überlieferungen fanden die Forschenden nun heraus, dass die mittlerweile vom Aussterben bedrohten Kinke in diesen Wasserlachen schlüpfen. „Dieses Brutverhalten war für diese Art bisher nicht bekannt“, so Walsh.
Hierbei handele es sich um ein anschauliches Beispiel dafür, wie das Wissen der Ureinwohner nicht nur wissenschaftliche Fragen beeinflusst, sondern auch beantworten könne. „Die wasserspeichernden Eigenschaften von Termitenböden waren Wüstenwissenschaftlern unbekannt, bis wir Hinweise in den Geschichten unserer Aborigine-Kollegen und der Aborigine-Kunst entdeckten“, so Walsh weiter.
„Die Ureinwohner haben ihre Enzyklopädie und ihr maßgebliches Wissen verfeinert, da sie seit mindestens 65.000 Jahre ununterbrochen auf diesem Kontinent leben. Ihr Wissen ist entscheidend für die Verbesserung des Ökosystemmanagements und für das Verständnis und die Pflege der australischen Wüste“, so Dr. Walsh abschließend.
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Recherchequelle: UWA
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