Fortschritt bei Rekonstruktion der DNA des Tasmanischen Tigers
Melbourne (Australien) – Auf dem Weg zu einer Wiederbelebung der eigentlich seit knapp 100 Jahren ausgestorbenen bzw. ausgerotteten, auch als Tasmanische Tiger oder Beutelwölfe bezeichneten Thylacine vermelden australische Artenschützer und Genetiker nun einen wichtigen Fortschritt und präsentieren die bislang vollständigste Rekonstruktion des Genoms der Tasmanischen Tiger.
Hintergrund
Die Grundidee der De-Extinktion einer ausgestorbenen bzw. ausgerotteten Art fußt auf der möglichst vollständigen Entschlüsselung ihres Genoms. Liegt diese vor, könnte mit Hilfe einer Leihmutter einer artverwandten Spezies ausgetragen und geboren werden. Das Problem ist jedoch die Haltbarkeit von DNA: Je länger eine Art ausgestorben oder ausgerottet ist, desto geringer ist die Qualität und Vollständigkeit erhaltener DNA – etwa in Form von Museumspräparaten oder Körperfunden. Je größer die Lücken im bekannten und sequenzierten Genom, desto schwieriger ist auch eine computergestützte Rekonstruktion.Da vom Thylacin bislang keine lebendigen Zelllinien vorliegen, reicht also gewöhnliches Klonen (wie etwa beim sog. Klon-Schaf Dolly) nicht aus. Zur De-Extinktion braucht es Genom-editierende Methoden wie CRISPR-Cas9, um das Genom des Thylacin innerhalb von Beuteltier-Stammzellen zu rekonstruierten.
Nachdem das neugegründete “Thylacine Integrated Genetic Restoration Research Lab“ (TIGRRI) von Professor Andrew Pask an der University of Melbourne jüngst mit einer millionenschweren Spendensumme ausgestattet wurde (…GreWi berichtete), ist es den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen nun gelungen, das bislang vollständigste Genom des Thylacins vorzulegen.
Hintergrund: Der Tasmanische Tiger
Noch bis in die frühen 1900er Jahre hinein wurde der Tasmanische Tiger in Australien exzessiv bejagt und dadurch in freier Wildbahn vermutlich ausgerottet. Das letzte bekannte Exemplar verstarb 1936 im Beaumarais Zoo von Hobart. Der Grund für die Ausrottung war die von den weißen Farmern kolportierte Behauptung, dass die Beutelwölfe gefräßige Schafsräuber seien. In Wirklichkeit gingen die meisten gerissenen Schafe jedoch auf das Konto von verwilderten Hunden. Dennoch setzte in den 1830er Jahren die australische Regierung Kopfgeld für jeden getöteten Tasmanischen Tiger aus. 2011 konnte eine Studie über die Beißkraft des etwa hundsgroßen Tieres jedoch eindeutig nachweisen, dass die Kiefer der Beutelwölfe in Wirklichkeit zu schwach waren, um größere Tiere wie Schafe zu reißen (…GreWi berichteten). Zudem setzte wahrscheinlich eine Krankheit der stark dezimierten Population der Tiere zu, die sich in plötzlich zurückgehenden Abschussraten um 1906 abzeichnete. Trotz zahlreicher Bemühungen internationaler Zoos gelang es nicht, die Art in Gefangenschaft zu züchten und so vor der Ausrottung zu bewahren.Lediglich in verschiedenen Zoos hatten Thylcine bis 1936 überlebt, als das letzte lebende Exemplar auch dort verstarb. Seither gab und gibt es aber immer wieder Augenzeugen, die lebende Exemplare gesichtet und teilweise auf fotografiert und gefilmt haben wollen.
Zeigen diese Aufnahmen ein Exemplar 2008 in Western Victoria?
Schon 2018 hatte Pask und sein Team die erste Thylacin-Genomsequenz anhand von DNA veröffentlicht, die aus einem etwas mehr als 100 Jahre alten Alkohol-Präparat eines Jungtieres im Melbourne Museum gewonnen werden konnte. Auf der Grundlage der damaligen Arbeit konnten die Forschenden dann die genetische Verwandtschaft der Beutelwölfe mit anderen, heut noch lebenden Beuteltieren bestimmen und die genetischen Grundlagen für bestimmte Körpermerkmale abgleichen.
Obwohl schon 2018 das Genom fast vollständig war, fehlten weiterhin mit einigen Tausend genetischer Buchstaben wichtige Bestandteile. Durch Fortschritte bei Methoden der DNA-Anordnung und zahlreicher vollständig vorliegender Genome heute noch lebender Verwandter der Beutelwölfe, konnten die Genetiker um Pasks nun ein neues Thylacin-Genom erstellen.
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Wie die Forschenden aktuell im Fachjournal „Genome Biology and Evolution“ (DOI: 10.1093/gbe/evac048) berichten, haben sie hierzu zwei unterschiedliche Ansätze miteinander kombiniert und konnten so 90 Prozent des Thylacin-Genoms sequnezieren und rekonstruieren. „Unter anderem waren wir nun in der Lage, DNA-Sequenzen des Thylacine mit Chromosomen des Tasmanischen Teufels mit erstaunlicher Genauigkeit und Effizienz abzugleichen.“ Dieser Erfolg sei aufgrund einer Eigenart in der Biologie der beiden Arten möglich: „Sowohl die Thylacine wie auch die Tasmanischen Teufel gehören zur Gruppe der fleischfressenden Beuteltiere (Dasyuromorphia), von der ungewöhnlich viele vollständige Chromosome in hoher Qualität vorliegen. Deshalb wissen wir auch, dass unser neues Thylacin-Genom nahezu die gleiche Qualität aufweist, wie die jüngst sequenzierter Beuteltierarten wie dem Dunnart, dem Tammar Wallaby und dem Gleichfarbkuskus. (…) Unser neues Genom erlaubt es uns nun, 90 Prozent der Thylacin-Genomeinheiten zu kartieren und weitere zukünftige Fortschritte, werden sicherlich bald auch noch den Rest liefern.
Hintergrund
Angesichts der Meldungen über Fortschritte bei der Sequenzierung des Genoms ausgestorbener und ausgerotteter Tierarten wie dem Thylacin und dem Forschungswunsch, diese Arten durch De-Extinktion wieder zum Leben zu erwecken, werden Wissenschaftlern wie Pask immer wieder niedere Beweggründe unterstellt und „Jurassic Park“-Fantasien herangezogen. Forschern wie Pasks geht es aber nicht darum, eine ausgestorbene Art zu Sensationszwecken wieder zum Leben zu erwecken, sondern um Arten- und Umweltschutz: „„Einer der Gründe, warum sich der Beutelwolf hierfür geradezu anbietet, liegt darin, dass sich der tasmanische Lebensraum seit dem Aussterben bzw. der Ausrottung der Art größtenteils bis heute kaum verändert hat. Er liefert somit die perfekte Umgebung, um die Tiere – so sie erfolgreich wiedergezüchtet werden konnten – ebenso erfolgreich wieder in ihrem angestammten Ökosystem auszuwildern.“ Darüber hinaus erläutert die Direktorin der Abteilung „DNA Zoo“ an der University of Western Australia, Parwinder Kaur „Es gibt auch ökologisch einen guten Grund, Tasmanische Tiger wieder im australischen Busch aus- und anzusiedeln: Thylacine sind fleischfressende Jäger und bildeten einst die Spitze der natürlichen Nahrungskette. Vor Ort könnten sie dabei helfen, die ebenso bedrohten Ökosysteme wieder ins Gleichgewicht zu bringen“ (…GreWi berichtete).
Von der neuen Genomsequenzierung erhoffen sich die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch neue Erkenntnisse über die genetische Diversität der Beutelwölfe vor deren Ausrottung: „So konnten wir beispielsweise frühere Studienbestätigen und zeigen, dass der Thylacin die niedrigsten Diversität alle bislang untersuchten Beuteltierarten aufwies“, erläutert Pask. „Vermutlich bewegte sich der Thylacin auf einen genetischen Flaschenhals zu“. (Anm: Dieser Begriff bezeichnet eine starke genetische Verarmung einer Art die durch Reduktion auf eine sehr kleine, oft nur aus wenigen Individuen bestehende Popultion hervorgerufen wird. Beim Erhalt stark gefährdeter Arten kann dies ein zentrales Problem darstellen und Inzuchtdepression zur Folge haben. Quelle: Wikipedia)
Zum Thema
In der Folge kann eine betroffene Art gegenüber Krankheiten und sich verändernder Umweltbedingungen anfällig werden. „Dennoch ist ein niedriger Diversitätsgrad nicht gleichbedeutend mit genetischer Gesundheit bzw. Krankheit einer Art“, erläutert Pask. „Einige Arten haben den genetischen Flaschenhals erfolgreich durchquert sich wieder vollständig erholt.“ So galt die Arabische Oryx Antilope (Oryx leucoryx) seit 1970 in der freien Wildbahn bereits als ausgestorben – und es waren nur noch neun (9) Exemplare in Gefangenschaft bekannt. Dennoch konnten aus diesen neun Exemplaren eine gesunde Population von mehr als 6.000 Tieren gezüchtet werden, von denen mehr als 1.000 Exemplare erfolgreich wieder ausgewildert werden konnten. Heute gilt der Arabische Oryx nicht mehr als bedrohte Art.
Von der genauen Sequenzierung der Genome hunderter Museumsexemplare erhoffen sich die Forschenden um Pask nun die zunehmende Vervollständigung des Thylacin-Genoms mit dem Ziel der De-Extinktion und Schutz des ehemals größten australischen Raubtieres.
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Recherchequelle: University of Melbourne
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