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FRBs: Mysteriöse Radioblitze erstmals in einer nahen Galaxie verortet

Künstlerische Darstellung eines Radiostrahlungsausbruchs, der in einem Kugelsternhaufen, einem System alter Sterne in der Nähe der Spiralgalaxie Messier 81 (M81), stattfindet. (Illu.). Copyright: Daniëlle Futselaar/ASTRON (artsource.nl)
Künstlerische Darstellung eines Radiostrahlungsausbruchs, der in einem Kugelsternhaufen, einem System alter Sterne in der Nähe der Spiralgalaxie Messier 81 (M81), stattfindet. (Illu.).
Copyright: Daniëlle Futselaar/ASTRON (artsource.nl)

Bonn (Deutschland) – Seit 2007 der erste schnelle Radioblitz (Fast Radio Burst, FRB) im fernen All detektiert wurde, rätseln Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen darüber, um was es sich bei dem Phänomen handeln könnte und diskutieren von Hinweisen auf ferne Zivilisation bis zu bislang unbekannten astrophysikalischen Phänomenen. Jetzt haben Astronomen und Astronominnen die bislang unserer Erde am nächsten gelegene Quelle dieser rätselhaften Signale ausfindig gemacht.

Wie das internationale Team um Franz Kirsten von der schwedischen Chalmers-Universität, und ASTRON in den Niederlanden und Kenzie Nimmo (ebenfalls ASTRON und Universität Amsterdam) an dem auch Ramesh Karuppusamy und Uwe Bach vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn beteiligt waren, aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-021-04354-w) und „Nature Astronomy“ (DOI 10.1038/s41550-021-01569-9) berichtet, gelang ihnen die Verortung der FRB-Quelle mit Hilfe von Präzisionsmessungen mit Radioteleskopen. Diese zeigen, dass die Ausbrüche in einem Kugelsternhaufen, also einem System alter Sterne, in der rund 12 Millionen Lichtjahren nahen Spiralgalaxie „M 81“ entstanden sind, und zwar auf eine Weise, die niemand so erwartet hatte.

Hintergrund
Bei FRBs handelt es sich um hochenergetische Radioblitze von nur wenigen Millisekunden Dauer. Bislang ist noch völlig unbekannt, wovon die ultrakurzen Radioblitze ausgelöst werden. Während selbst einige Astronomen hoffen, dass es sich zumindest bei einigen dieser Radioblitze um absichtlich oder indirekt von außerirdischen Zivilisationen ausgesandte Signale handeln könnte, vermuten andere extreme astrophysikalische Phänomene als Auslöser (…siehe Links u.). Bislang wurden 85 der mysteriösen Signale aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen registriert. Alleine, dass die Signale nicht nur aus einer außerirdischen, sondern auch außergalaktischen Quelle entstammen, ist anhand der bislang vorliegenden Beobachtungdaten bekannt. Zumindest die Quelle eines der wenigen sich wiederholenden Radioblitze, das Signal „FRB121102“ konnte 2017 einer stark magnetisierten Umgebung zugeschrieben werden (…GreWi berichtete). Jüngste Verortungen eines einmaligen FRB zeigten dann jedoch, dass dieser aus einer gänzlich anderen astrophysikalischen Umgebung kam, woraus sich ableiten lässt, dass FRBs nicht zwangsläufig einer einzigen Quelle entstammen müssen (…GreWi berichtete).

Die Messungen sind das Ergebnis von Beobachtungen sich wiederholender FRBs, die im Januar 2020 im Sternbild Ursa Major, dem Großen Bären, entdeckt wurden.

„Wir wollten nach Hinweisen auf die Ursprünge der Ausbrüche suchen. Wenn wir viele Radioteleskope im Verbund benutzen, können wir den Ort der Quelle am Himmel mit äußerster Präzision bestimmen. Das gibt uns die Möglichkeit festzustellen, wie die lokale Umgebung eines schnellen Radiostrahlungsausbruchs aussieht“, erläutert Franz Kirsten.

Auf diese Weise konnten die Forschenden die Quelle diese wiederholten Radioblitze an einer Stelle zu verorten, „die niemand so erwartet hatte“. Sie verfolgten die Ausbrüche bis in die Außenbezirke der nahe gelegenen Spiralgalaxie „Messier 81“ (M 81), die etwa 12 Millionen Lichtjahre entfernt ist. „Damit stellt diese Entdeckung die bisher nächstgelegene Quelle für schnelle Radiostrahlungsausbrüche dar.“

Auch die genaue Position der Quelle war für die beteiligten Astronomen und Astronominnen eine Überraschung: „Die Position stimmte genau mit einem Kugelsternhaufen überein, einer dichten Ansammlung von sehr alten Sternen.“

Es sei erstaunlich, schnelle Radiostrahlungsausbrüche in einem Kugelsternhaufen zu finden, so Kenzie Nimmo und erläutert dazu weiter: „Dies ist ein Ort im Weltraum, an dem man nur alte Sterne findet. Weiter draußen im Universum hat man solche Ausbrüche an Orten gefunden, an denen die Sterne viel jünger sind.“

„Die Ähnlichkeit des Ausbruchs mit der Emission einiger Pulsare in unserer Galaxie bringt uns zwar auf vertrautes Terrain, macht aber auch deutlich, dass die Vorläufer des Strahlungsausbruchs sehr unterschiedlich sein können. Dies ist sicherlich ein Anreiz für die Lokalisierung und Charakterisierung weiterer solcher Radiobursts“, fügt Ramesh Karuppusamy hinzu.

Das Radio-Observatorium Effelsberg mit dem 100-m-Radioteleskop des MPIfR. Copyright: Norbert Tacken/MPIfR
Das Radio-Observatorium Effelsberg mit dem 100-m-Radioteleskop des MPIfR.
Copyright: Norbert Tacken/MPIfR

Bislang wurden viele schnelle FRBs in der Umgebung von jungen, massereichen Sternen gefunden, die viel größer als die Sonne sind. An diesen Orten kommt es häufig zu Sternexplosionen, die stark magnetisierte Überreste hinterlassen. „Eine Reihe von Wissenschaftlern sind zu der Überzeugung gelangt, dass schnelle Radiobursts in Objekten entstehen können, die als Magnetare bekannt sind“, erläutert die Pressemitteilung des MPIfR). „Magnetare sind extrem dichte Überreste explodierter Sterne, die die stärksten bekannten Magnete im Universum darstellen.“

„Wir erwarten, dass Magnetare strahlende und junge Objekte sind und definitiv nicht aus einer Umgebung von alten Sternen kommen. Wenn das, was wir hier sehen, also wirklich ein Magnetar ist, dann kann er nicht durch die Explosion eines jungen Sterns entstanden sein. Es muss einen anderen Weg geben“, sagt Jason Hessels (Universität Amsterdam und ASTRON), ein weiteres Mitglied des Forscherteams.

Die Forscher und Forscherinnen glauben nun, dass es sich bei der Quelle der Radioblitze um etwas handelt, das zwar vorhergesagt, aber bisher noch nie gesehen wurde: ein Magnetar, der sich bildete, als ein Weißer Zwerg genügend Masse angesammelt hatte, um unter seinem eigenen Gewicht zu kollabieren.

„Im Laufe des mehrere Milliarden Jahre dauernden Lebens eines engen Sternhaufens geschehen seltsame Dinge. Wir glauben, dass wir hier einen Stern mit einer ungewöhnlichen Geschichte sehen“, sagt Franz Kirsten.

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Gewöhnliche Sterne wie die Sonne werden mit der Zeit alt und verwandeln sich in kleine, dichte, helle Objekte, sog. Weiße Zwerge. Viele Sterne im Sternhaufen leben in Doppelsternsystemen zusammen. Von den Zehntausenden von Sternen im Haufen kommen sich einige wenige so nahe, dass ein Stern Material vom anderen aufsammelt. Genau dies könnte zu einem Szenario führen, das mit dem Fachbegriff „akkretionsinduzierter Kollaps“ bezeichnet wird“, erklärt Kirsten weiter.

„Wenn einer der Weißen Zwerge genug zusätzliche Masse von seinem Begleiter aufnimmt, kann er sich in einen noch dichteren Stern, einen so genannten Neutronenstern, verwandeln. Das ist ein seltenes Ereignis, aber in einem Haufen alter Sterne wäre es der einfachste Weg, um schnelle Radiostrahlungsausbrüche zu erzeugen“, sagt Teammitglied Mohit Bhardwaj von der McGill-Universität in Kanada.

Auf der Suche nach weiteren Hinweisen, indem sie ihr Datenvolumen vergrößerten, fanden die Astronomen eine weitere Überraschung: einige der Blitze waren sogar kürzer, als sie erwartet hatten: „Die Radioblitze veränderten ihre Helligkeit innerhalb von nur ein paar Dutzend Nanosekunden. Das sagt uns, dass sie aus einem winzigen Volumen im Weltraum kommen müssen, kleiner als ein Fußballfeld und vielleicht nur einige Dutzend Meter groß“, sagt Kenzie Nimmo.

Ähnlich ultrakurze Signale wurden auch von einem der berühmtesten Objekte am Himmel, dem Pulsar im Krebsnebel, beobachtet. Dabei handelt es sich um einen winzigen, dichten Überrest einer Supernova-Explosion, die 1054 n. Chr. von der Erde aus im Sternbild Stier (Taurus) beobachtet wurde. Sowohl Magnetare als auch Pulsare sind verschiedene Arten von Neutronensternen und damit extrem dichte Objekte mit der Masse der Sonne in einem Volumen von der Größe einer Stadt, die starke Magnetfelder aufweisen.

„Einige der Signale, die wir gemessen haben, sind kurz und extrem stark, genau wie einige Signale des Krebs-Pulsars. Das deutet darauf hin, dass wir tatsächlich einen Magnetar sehen, allerdings an einem Ort, an dem bisher noch keine Magnetare gefunden wurden“, sagt Kenzie Nimmo.

Künftige Beobachtungen dieses und anderer Systeme sollen nun dabei helfen, herauszufinden, ob es sich bei der Quelle tatsächlich um einen ungewöhnlichen Magnetar handelt oder um etwas anderes, wie einen Pulsar mit ungewöhnlichen Eigenschaften oder ein schwarzes Loch und einen dichten Stern in einer engen Umlaufbahn.

„Diese schnellen Radiostrahlungsausbrüche scheinen uns neue und unerwartete Einblicke in das Leben und Sterben von Sternen zu geben. Wenn das stimmt, könnten sie uns, ähnlich wie Supernovae, etwas über Sterne und ihr Leben sagen, das für das gesamten Universum gilt“, sagt Franz Kirsten abschließen.

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Recherchequelle: MPIfR

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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