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Frühe Schreiber versuchten Maria Magdalenas Bedeutung herabzusetzten

Quelle: duke.edu
Quelle: duke.edu

Durham (USA) – Bei der Analyse einiger der ältesten bekannten Manuskripte des Johannesevangeliums glaubt eine US-Religionswissenschaftlerin den historischen Versuch nachweisen zu können, die Bedeutung der Maria Magdalena im wahrsten Sinne des Wortes klein zu schreiben – in dem ihr Name oder Bezüge zu ihr verändert wurden.

Wie die das Universitätsjournal „Duke Today“ berichtet, gilt der Papyrus 66 (auch bekannt als Papyrus Bodmer II) als ältestes nahezu vollständig erhaltenes Manuskript des Johannesevangeliums. Bei der Analyse hochauflösender Digitalscans entdeckte die Duke-Doktorandin der Religionswissenschaften Elizabeth Schrader etwas Merkwürdiges: „Das ursprüngliche Wort ‚Maria‘ wurde durch hinwegkratzten des einstigen altgriechischen Buchstabens „iota“ (i) und ein stattdessen hinzugefügtes „th“ zu dem Namen ‚Martha‘ umgeschrieben. In einem späteren Vers wurde der Frauenname dann durch die Bezeichnung ‚die Schwestern‘ ersetzt.

Hierbei handelte es sich um die beiden ersten Entdeckungen Schraders, in deren Folge die Forscherin zahlreiche weitere biblische Handschriften untersuchte und dabei immer wieder auf ähnliche „leichte“, jedoch offenbar beabsichtige „Veränderungen“ mit großen Konsequenzen stieß.

Ein Textbeispiel für die altgriechische Schreibweise des Namens „Maria“ (u.r.) und des Namens „Martha“ (m.). Beide unterscheiden sich lediglich durch die Buchstaben „i“ und „th“. Im Wortbeispiel ganz oben wird deutlich, wie „Maria“ zu „Martha“ umgeschrieben wurde. Quelle: Elizabeth Schrader, Duke Today
Ein Textbeispiel für die altgriechische Schreibweise des Namens „Maria“ (u.r.) und des Namens „Martha“ (m.). Beide unterscheiden sich lediglich durch die Buchstaben „i“ und „th“. Im Wortbeispiel ganz oben wird deutlich, wie „Maria“ zu „Martha“ umgeschrieben wurde.
Quelle: Elizabeth Schrader, Duke Today

Laut Schrader deuten ihre Entdeckungen auf den Versuch einer „absichtliche Reduzierung des Erbes der Maria Magdalena und damit jener Jüngerin Jesu hin, die Zeugin seines Todes, seiner Beisetzung und Widerauferstehung wurde – und die schon lange im Zentrum unterschiedlicher Spekulationen und Theorien über ihre Position unter den Jüngern bis hin zur von einigen Autoren vermuteten Ehefrau Jesu und Mutter dessen Nachkommen steht.

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Ihre ersten Entdeckungen hatte Schrader bereits vor zwei Jahren in der „Harvard Theological Review“ veröffentlicht. Seither hat sie weitere Beweise für ihre Theorie gefunden – unter anderem in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, die sich heute in der Rubenstein Library an der Duke University befindet. Auch hier wurde „Maria“ zu „Martha“ umgeschrieben, einer Frau, die im Lukasevangelium erwähnt wird.

Auch Schrader ist sich der Bedeutung ihrer Entdeckung durchaus bewusst: Nicht zuletzt könnten sie mit dem Johannesevangelium die Grundlagen eines der vier Evangelien der Bibel untergraben.

Hintergrund
In einem Interview mit „Duke Today“ erläutert Schrader die Folgerungen aus ihren Entdeckungen und deren Konsequenzen. Die Kernaussagen dieses Interview sind im Folgenden zusammengefasst.

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Elizabeth SchraderDie Religionswissenschaftlerin Elizabeth Schrader.
Copyright/Quelle: Duke.edu

„Ich denke, dass Maria Magdalenas ursprüngliche Rolle im Vierten Evangelium so aufgeteilt wurde, dass es den Anschein macht, dass Johannes drei Frauen beschreibt. Ich behaupte aber nicht, dass es Martha nicht gab. Nein, sie gehört eindeutig ins Lukasevangelium – aber nicht in das des Johannes. Dieser Vorgang macht auch Sinn, da Martha in nahezu jeder Szene, in der sie im Johannesevangelium (wie wir es heute kennen) erscheint, eigentlich keinen richtigen Sinn ergibt – Maria Magdalena aber schon. Man muss mehr als 200 Manuskripte zugleich betrachten, um diese Tendenz zu erkennen. Viele davon wurden aber erst kürzlich zugänglich gemacht. Ich denke, das ist auch der Grund, warum diese Beweise erst jetzt entdeckt wurden.“ (…)

„Die Probleme mit Martha (als Person im Johannesevangelium) sind unterschiedlich. Im Manuskript, dass hier an der Duke aufbewahrt wird, wurde Maria (Magdalena) in Vers 11,21 in Martha umgeschrieben. Dies wird auch anhand der ‚King James Bible‘ deutlich, in der in Vers 11,3 noch ‚eine‘ Schwester, in der modernen Bibel aber plötzlich ‚zwei‘ Schwestern beschrieben werden.“ (…)

„Im Papyrus 66, der ältesten bekannten Abschrift des Johannesevangeliums, wurde ‚Maria‘ in ‚Martha‘ und ‚die Schwestern‘ umgeschrieben. Auf diese Weise wurde an einer Stelle aus einer Frau (Maria) nicht nur eine ganz andere (Martha), sondern an späterer Stelle zwei gänzlich unbenannte Frauen gemacht.“ (…)

„Ich selbst vermute, dass diese Veränderungen gemacht wurden, um die Darstellung von Maria Magdalena im Johannesevangelium zu verzerren. Wenn es sich bei Maria Magdalena um Maria, die Schwester von Lazarus handelt, so wird sie zu einer weitaus einflussreicheren Figur im Johannesevangelium. Fügt man nun aber Martha in diese Geschichte ein, so ist Lazarus’ Schwester Maria nicht mehr Maria Magdalena, sondern ‚nur‘ noch eine weitere Maria aus einem anderen Evangelium, sie wird zu Marthas Schwester aus Lukas 10.“ (…)

„Aus anderen frühen christlichen Texten wissen wir, dass Maria Magdalena eine der meist umstrittenen Figuren der frühen Christenheit darstellt. Ich denke, dass hier jemand versucht hatte, ihre Rolle und Bedeutung klein zu reden.“ (…)

„Das Johannesevangelium ist eine Textgrundlagen des Christentums und ich glaube, dass dieses Evangelium ursprünglich unter anderem die Rolle der Maria Magdalena hervorheben sollte. Das war einigen jedoch offenbar zu viel für die damalige Zeit.“

„Die Veränderungen machen aus Maria Magdalena eine von vielen Frauen, die mit Jesus interagiert haben und nicht mehr zu einer der bedeutendsten Figuren im gesamten zweiten Teil des Johannesevangeliums.“

Auf diesem Gemälde von Antonio da Correggio aus dem 16. Jahrhundert erscheint der Maria Magdalena am Ostermorgen der Wiederauferstandene. Copyright: GemeinfreiAuf diesem Gemälde von Antonio da Correggio aus dem 16. Jahrhundert erscheint der Maria Magdalena am Ostermorgen der Wiederauferstandene. Copyright: Gemeinfrei

„Die moderne Bibel zeigt Maria Magdalena auch heute noch als Zeugin am Kreuz und als einzige Person, die Jesus am Ostermorgen gesehen hat. Dafür bleibt sie berühmt. Aber Maria Magdalena ist heute nur noch eine von mehreren Frauen, mit denen Jesus laut Johannesevangelium interagiert.“

„Ich glaube, dass einige dieser Interaktionen nur ihr alleine gebühren. So gibt in modernen Bibeln Martha das zentrale Glaubensbekenntnis im Johannesevangelium ab, wenn sie sagt: ‘Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.‘ (Johannes 11,27). Aber laut dem Kirchenvater Tertullian, der darüber 200 n. Chr. schrieb, war es das Bekenntnis der Maria Magdalena.“ (…)

„Statt ihn in Frage zu stellen, stärkt meine Entdeckung meinen eigenen Glauben. Sie zeigt mir, dass die frühesten (Bibel-)Texte sehr viel wohlwollender mit Maria Magdalena umgehen als das, was später, von jenen daraus gemacht wurde, die offenbar ein Problem mit einer derart starken Frau hatten.“ (…)

Zum Thema

Schraders Entdeckungen werden derzeit auch von der Redaktion des „Nestle-Aland New Testament“ zur Aufnahme als Kommentar in die wissenschaftliche und textkritische Ausgabe der Texte des Neuen Testaments in Betracht gezogen.

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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(Kornkreisforscher)

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