Fünfte Grundkraft? Experimente am CERN stellen physikalische Gesetze in Frage

Sehr seltener Zerfall eines Beauty-Quarks unter Beteiligung eines Elektrons und Positrons, das mit dem LHCb-Detektor am LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN beobachtet wurde. Copyright: CERN
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Sehr seltener Zerfall eines Beauty-Quarks unter Beteiligung eines Elektrons und Positrons, das mit dem LHCb-Detektor am LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN beobachtet wurde. Copyright: CERN

Sehr seltener Zerfall eines Beauty-Quarks unter Beteiligung eines Elektrons und Positrons, das mit dem LHCb-Detektor am LHC-Teilchenbeschleuniger am CERN beobachtet wurde.
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Genf (Schweiz) – Wissenschaftler und Wissenschaftler am weltgrößten Teilchenbeschleuniger LHC am europäischen Kernforschungszentrum CERN haben erstaunliche Ergebnisse ihrer Experimente veröffentlicht. Bestätigen sich die Messungen, so stellen die Resultate physikalische Gesetze in Frage und deuten sie auf eine Physik jenseits des Standardmodells hin – etwa eine neue fundamentale Kraft.

Wie die Gruppe um Professor  Nicola Serra vom Physik-Institut der Universität Zürich (UZH) und der internationalen Forschungskollaboration „LHCb“, die das Large Hadron Collider beauty-Experiment betreibt, aktuell an der Moriond-Konferenz über elektroschwache Wechselwirkungen und vereinheitlichte Theorien sowie an einem Online-Seminar am CERN, berichtetenn, zerfallen die bei der Kollision von hochenergetischen Protonenstrahlen im Large Hadron Collider (LHC) entstehenden, sogenannten Beauty-Quarks, noch an  an Ort und Stelle.

Nach den etablierten Gesetzen der Teilchenphysik – dem sogenannten Standardmodell – sollten diese Beauty-Quarks mit der gleichen Wahrscheinlichkeit in einen Endzustand mit Elektronen bzw. Myonen, den viel schwereren Geschwistern der Elektronen, zerfallen.

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Seit 2014 deuten Messungen am LHC jedoch darauf hin, dass diese „Lepton-Universalität“ in einigen Zerfällen verletzt werden könnte. Tatsächlich zeigen sich kleine Abweichungen vom Verhältnis der beiden Teilchensorten von der theoretischen Vorhersage.

„In der neuesten LHCb-Analyse wurde das Verhältnis der Zerfallsprodukte, die Elektronen und Myonen enthalten, mit viel besserer Präzision bestimmt als bei früheren Messungen“, erläutert die Pressemitteilung der UZH und führt dazu weiter aus: „Verwendet wurden alle bisher vom LHCb-Detektor gesammelten Daten. Das Ergebnis deutet auf eine Abweichung vom Verhältnis eins hin – und damit auf eine Verletzung der ‚Lepton-Universalität‘ in Beauty-Quark-Zerfällen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Daten mit der theoretischen Vorhersage vereinbar sind, beträgt etwa 0,1%. Sollte sich diese Abweichung bestätigen, würde dies eine Physik jenseits des Standardmodells implizieren – etwa eine neue fundamentale Kraft zusätzlich zu den vier Grundkräften: Gravitation, Elektromagnetismus, schwache Wechselwirkung, die für Radioaktivität verantwortlich ist, und starke Wechselwirkung, die die Materie zusammenhält.“

Das LHCb-Experiment ist eines der vier großen Experimente am Large Hadron Collider am CERN Copyright: CERN

Das LHCb-Experiment ist eines der vier großen Experimente am Large Hadron Collider am CERN Copyright: CERN

Zwar sei es derzeit noch zu früh für endgültige Aussagen, dennoch zeichne sich schon jetzt ein großes Potenzial für kommende Messungen ab, so die Forschenden: „Das Standardmodell hat sich jahrzehntelang als sehr erfolgreich erwiesen. Unsere Aufgabe als Experimentatoren ist es, das Modell immer genauer zu testen und zu sehen, ob es der strengeren Überprüfung standhält. In der Elementarteilchenphysik werden Beobachtungen zu echten Entdeckungen, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums unter Berücksichtigung aller bekannten Fehler weniger als eins zu drei Millionen oder 0,00003% beträgt. Es ist also noch zu früh für eine endgültige Schlussfolgerung. Allerdings stimmt die neue Abweichung mit dem Muster von Anomalien überein, die sich im letzten Jahrzehnt abgezeichnet haben.“

Allerdings verfüge die LHCb-Kollaboration über alle Voraussetzungen, um in Beauty-Quark-Zerfällen die mögliche Existenz von Effekten einer neuen Physik zu klären. „Was wir dazu brauchen, sind viele weitere Messungen», so Serra abschließend.




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Quelle: UZH / CERN

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