Genanalyse offenbart „geisterhafte“ Menschenart im Erbgut von Afrikanern
Barcelona (Spanien) – Im Genom heutiger Menschen der Subsahara haben Genetiker die Spuren einer bislang unbekannten und heute ausgestorbenen archaischen Menschenart nachgewiesen. Dieser Umstand dürfte auch Auswirkungen auf unser Verständnis des eurasischen Menschengenoms haben.
Weil sich Spuren diverser Seitensprünge des Homo sapiens heute noch im Erbgut von Europäern, Asiaten und Menschen in Ozeanien finden lassen, war bereits bekannt, dass sich der moderne Mensch seit seiner Auswanderung vom afrikanischen Kontinent immer wieder mit Neandertalern und Denisovanern und einer bislang sogar noch unbekannten Menschenart vermischt hatte (…GreWi berichtete, siehe Links u.).
Ob sich der Homo sapiens allerdings auch schon auf dem afrikanischen Kontinent mit anderen frühen Menschenarten vermischt hatte, war bislang unklar, da bislang nur bei Menschen in Nordafrika Spuren von Denisova-Menschen und Neandertalern fanden – nicht aber Afrikaner aus anderen Regionen des Kontinents.
Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) untersuchte nun ein Team aus Genetikern um Belen Lorente-Galdos von der spanischen Universitat Pompeu Fabra und Oscar Lao vom The Barcelona Institute of Science and Technology die Genome von 21 Individuen aus 15 unterschiedlichen afrikanischen Populationen verschiedener Regionen, Ökosysteme und Kulturräume.
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Das Ergebnis haben die Genetiker aktuell im Fachjournal „Genome Biology“ (DOI: 10.1186/s13059-019-1684-5) veröffentlicht und kommen darin zu dem Schluss, dass die genetische Vielfalt der afrikanischen Bevölkerung nur durch die Existenz einer weiteren, heute ausgestorbenen Menschenpopulation erklärt werden kann, mit der sich der Homo sapiens einst gekreuzt hatte. Die genetischen Spuren dieser Vermischung fanden die Wissenschaftler u.a. in den Genen der Mbuti-Pygmäen, der Khoisan und der Mandinka – also afrikanischer Völker der Subsahara.
Um welche unbekannte Menschenart genau es sich jedoch handelte, diese Frage lässt sich anhand der Analysen nicht beantworten – weshalb die Forscher denn auch erneut von einer „archaischen Geisterpopulation“ sprechen, die sich vermutlich während des Pleistozäns (2,588 Mio bis vor ca. 11.700 Jahren) mit dem Homo sapiens vermischte und sich damals zur gleichen Zeit wie Denisovaner und Neandertaler von dessen Abstammungslinie abspaltete.
Die Erkenntnis der Existenz einer weiteren „Geisterpopulation“ im afrikanischen Erbgut bedeute aber auch, dass eben dieses Erbgut nicht – wie bislang angenommen – frei von fremden Einflüssen ist und dieser Umstand sich auch auf die Genom-Zusammensetzung eurasischer Populationen auswirkt: Vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse vermuten die Autoren nun, dass der bislang vermutete Anteil des Neandertaler-Erbguts bei Eurasiern stark von der Präsenz der Geisterpopulation beeinflusst wurde und die Menge jener DNA, die von Neandertalern kommt, bis zu 3,3 mal höher sein könnte als bisherige Modelle dies vermuten ließen.
Ganz neu ist die Vorstellung von der Vermischung der Vorfahren subsaharischer Afrikaners alleridngs nicht: Schon 2017 fanden US-Genetiker derartige Hinweise dafür, dass die sexuelle Vermischung früher Menschenarten kein ungewöhnlicher Vorgang war. Anhand der Mutationsrate schlussfolgern die Wissenschaftler, dass es zu dem genetischen Austausch erst vor rund 150.000 Jahren gekommen ist – und das, obwohl sich die evolutionären Wege beider Arten bereits vor rund 1,5 bis 2 Millionen Jahren getrennt hatten (…GreWi berichtete).
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Forscher finden genetische Hinweise auf “geisterhafte Frühmenschenart” 26. Juli 2017
Genom-Analyse: Frühe Menschen vermischten sich mit Neandertalern, Denisova-Menschen und einer noch unbekannten archaischen Menschenart 20. November 2013
Die GreWi-Quellen:
Centre for Genomic Regulation, Genome Biology
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