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Grabungsarchäologen kommentieren und kritisieren Astro-Deutung von Göbekli Tepe


Pfeiler 43 der Megalithanlage von Göbekli Tepe.

Copyright: K. Schmidt, DAI

Berlin (Deutschland) – Eine Interpretation schottischer Forscher, die in Darstellungen eines Steinpfeilers der steinzeitlichen Kultanlage Göbekli Tepe nahe Sanliurfa (Edessa) Reliefdarstellungen des Einschlags eines Schwarms von Kometenfragmenten auf der Erde vor 13.000 Jahren zu erkennen glauben (…GreWi berichtete), hat weltweit für Schlagzeilen – aber auch Kontroversen in archäologischen Kreisen gesorgt. Auch die Grabungsleiter in Göbekli Tepe vom Deutschen Archäologisches Institut (DAI) haben sich mittlerweile zur Deutung der schottischen Kollegen kritisch geäußert. Diese Kritik hat Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) mit Genehmigung der Archäologen übersetzt.

Ihre Kritik haben Oliver Dietrich und Jens Notroff von der Orient-Abteilung des DAI aktuell in Ihrem Grabungs-Blog „The Tepe Telgrams – News & Notes from the Göbekli Tepe Research Staff“ zu Ihren Arbeiten in Göbekli Tepe in englischer Sprache veröffentlicht, die GreWi im Folgenden in einer eigenen Übersetzung vorstellt. (Anmerkungen von GreWi sind als solche gekennzeichnet.)

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– Den Originalbeitrag (engl.) finden Sie HIER

Vor kurzem sorgte eine von zwei Forschern der University of Edinburgh’s School of Engineering veröffentlichte (peer-reviewed) Studie für Schlagzeilen gesorgt, die zu dem Schluss kommt, dass die Anlage von Göbekli Tepe ein Himmelsobservatorien war und dass einige der Reliefs ein katastrophales kosmisches Ereignis darstellen (…GreWi berichtete).

Eine Auswahl der herausgearbeiteten Reliefs, wie sie auf vielen der T-förmigen Pfeilern von Göbekli Tepe zu finden sind, werden darin als Darstellung von Sternkonstellationen interpretiert und verknüpft. Besonders die Pfeiler 43 (Anm. GreWi: der sog. Pfeiler der Geier), die in der Tat ein hervorragendes (aber im Kontext der Gesamtanlage wiederum kein außergewöhnliches) Beispiel für die reiche und komplexe Ikonographie der Anlage ist, wird als Aufzeichnung eines Meteorschwarms und dessen Kollision mit der Erde interpretiert, die dramatische Konsequenzen für das Leben auf der Erde vor 13.000 – 12.000 Jahren gehabt haben soll. Tatsächlich ist diese sog. Younger-Dryas-Impact- Hypothese (Anm. GreWi: über einen entsprechenden Kometeneinschlag als Auslöser der Jüngeren Dryaszeit, einer rund 1000 Jahre andauernden kleinen Eiszeit) durchaus umstritten, sodass die Behauptung, Göbekli Tepe stelle einen schlagenden Beweis für diese Hypothese dar, unbedingt hinterfragt werden sollte.

Die Debatte über eine mögliche astronomische Verbindung und Interpretation der Architektur und der charakteristischen Pfeiler im Besonderen ist so alt wie die Geschichte der Erforschung von Göbekli Tepe selbst. Bis jetzt wurde jedoch noch kein überzeugender Beweis für eine tatsächliche himmlische Ausrichtung oder Beobachtung astronomischer Phänomene vorgebracht. Allerdings sind wir (Anm. GreWi: Die Archäologen unter der Leitung des DAI) weiterhin offen für diese Diskussionen.

Vor diesem Hintergrund haben wir natürlich auch die neue Studie mit Interesse gelesen. Schließlich ist es eine neue und durchaus faszinierende Interpretation. Nach näherer Betrachtung möchten wir aber dennoch einige Punkte aufzeigen, wie sie die darin dargelegte Interpretation aus unserer Sicht in Frage stellen:

1. Es ist immer noch sehr wahrscheinlich, dass die älteren Teile der Kreisanlage von Göbekli Tepe (Schicht III) tatsächlich einst unterirdische Gebäude darstellen, die möglicherweise sogar von Dachkonstruktionen überbedeckt waren. Dies würde dann ihre Nutzbarkeit als Observatorium deutlich einschränken.

2. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass der Nachthimmel vor 12.000 Jahren genau wie heute aussah, wäre die Frage, ob ein prähistorischer Jäger wirklich die gleichen Asterismen (Anm. GreWi: auffällige Sternkonstellationen, die nicht als eigenes Sternbild gelten) und Konstellationen zusammenstellen würde, die wir heute erkennen? Schließlich gehen die meisten davon auf das Alte Ägypten, babylonische und griechische Gelehrten und deren Beschreibungen zurück.

3. Im Gegensatz zu der Prämisse des diskutierten Artikels sind die ausgegrabenen Merkmale von Göbekli Tepe nicht mehr einzig und allein in Geheimnisse gehüllt. In den letzten Jahren und Jahrzehnten, wurde reichlich wissenschaftliche Literatur dazu veröffentlicht, die leider keinen Eingang in die Studie gefunden hat.

Die spezifischen Tiere, die in der Ikonographie der unterschiedlichen Teile der Anlage dargestellt sind, scheinen einer bestimmten Absicht zu folgen, wobei verschiedene Arten in verschiedenen Teilen hervorgehoben werden. Eine rein substitutionelle Interpretation ignoriert diese subtileren, aber signifikanten Details.

Dies kann auch zum Beispiel für den kopflosen Mann auf dem Schacht der Pfeiler 43 aufgezeigt werden, der (in der aktuellen Studie) als Symbol des Todes und des Massenaussterbens interpretiert wird. Dabei wird der hervorgehobene Phallus in der gleichen Darstellung verschwiegen, der dann doch einer leblosen Vorstellung widerspricht und damit die komplexere Geschichte hinter den einzelnen Reliefs aufzeigt. Zudem gibt es noch mehrere Reliefs auf beiden schmalen Seiten von P43, die gar nicht kommentiert werden.

4. Hinzu erscheint es eher willkürlich, wie hier die Kometen-Interpretation (und ihre in der im Artikel beschriebenen Folgen) nur auf das angewandt werden, was auf einer einzelnen, zufällig ausgewählten Pfeiler angewandt wurde. Die Interpretation bezieht sich also weniger auf die Gesamtsymbolik von Göbekli Tepe, sondern vielmehr auf eine ihrer vielen Eisbergspitzen.

Tatsächlich konnten mittlerweile mehr als 60 monumentale T-Pfeiler in der älteren Schicht III ausgegraben werden. Viele von ihnen zeigen ähnliche Reliefs von Tieren und abstrakte Symbole, einige sogar vergleichbar komplex wie Pfeiler 43, so etwa die Pfeiler 56 und 66. Und damit endet es auch nicht: Die gleiche Ikonographie ist auch bekannt aus anderen Fundgruppen wie Steingefäßen, Schachtglättern und Plaquetten – nicht nur von Göbekli Tepe, sondern auch von einer Vielzahl von zeitgenössischen Stätten in der näheren Umgebung.

Mit allem gebührendem Respekt für die Arbeit und die Bemühungen, der Kollegen aus Edinburgh, gibt es doch – zumindest aus Sicht der Ausgräber dieses wichtigen Ortes – einige Punkte, die einer gründlicheren Diskussion wert sind. Ein Kontakt und Austausch mit dem Ausgrabungs-Team hätte viele dieser Punkte schon vorab klären können.

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
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