GreWi-Faktencheck: Eine Alien-Autopsie 1920?
Saarbrücken (Deutschland) – Erneut sorgt ein historisches Foto für Aufsehen und kontroverse Diskussionen besonders im Web: zeigt es tatsächlich die Autopsie eines humanoiden Aliens und das schon in den 1920er-Jahren? Grenzwissenschaft-Aktuell.de macht den Faktenchek und kommt zu einem ganz anderen Schluss.
Quelle der umstrittenen Aufnahme ist wieder einmal der UFO- und Disclosure-Aktivist Dr. Steven Greer, ein US-amerikanischer UFO-Forscher und Vertreter der Alien-Hypothese (ExtraTerrestrial Hypothese, ETH), der schon zuvor immer wieder mit Behauptungen zu angeblichen außerirdischen Leichen von sich reden machte. Zuletzt vertrat er in einem aufwendig produzierten Dokumentarfilm unter anderem die Position, dass es sich bei einer kaum 10 Zentimeter großen humanoiden Trockenmumie aus der Atacama-Wüste um die eines außerirdischen Wesens handeln müsse. Eine für die Doku selbst initiierte und darin vorab zitierte Untersuchung durch den Humangenetiker Prof. Dr. Garry Nolan von der Stanford University School of Medicine kam dann aber (nach Veröffentlichung der Doku „Sirius“) zu dem Schluss, dass es sich eindeutig um die Mumie eines durch seltene genetische Mutationen verunstalteten Embryos handelt (…GreWi berichtete).
Im Rahmen einer Finanzierungskampagne für eine neue Dokumentation – in der sich Greer unter dem Titel „The Cosmic Hoax“ nun seiner Theorie widmet, wonach eine US-Hintergrunds-Regierung (und andere) eine Bedrohung oder gar Invasion durch Außerirdische plant zu inszenieren, um so extreme politische Veränderungen zu rechtfertigen – hatte Greer am 25. April 2021 zu einem kostenpflichtigen Webinar neuer spektakulärer UFO-Informationen geladen.
Neben Aussagen der ehemaligen Sprecherin von Wernher von Braun und exklusiven Informationen über ein bislang noch unbekanntes UFO-Absturz-Ereignis von „noch größerer Bedeutung als Roswell“, kündigte Greer auch die Präsentation eines zuvor nie gezeigten Fotos aus den 1920er-Jahren an, dass die „Sezierung eines unbekannten Humanoiden“ zeigen soll (was im Kontext von Greers allgemeiner und bisheriger Narrative für seine Leserinnen und Leser ein eindeutiger Hinweis auf die angeblich außerirdische Herkunft des Körpers ist). Dieses Foto, so erläuterte Greer in seinen Hinweisen auf die Veranstaltung weiter, habe er „vor einigen Monaten von einer Leserin seiner Webseite erhalten, die es in den Hinterlassenschaften ihrer Großmutter gefunden“ habe. Die Großmutter sei zu Lebzeiten sowohl in Los Alamos wie auch in Roswell gewesen – erneut ein klarer Wink Greers mit dem Zaunpfahl in welchem (außerirdischen) Kontext das Foto zu interpretieren sei. Das Foto, so unterstreicht Greer, zeige „eindeutig die Sezierung eines unbekannten Humanoiden.“ Er selbst habe das Foto anhand der Kleidung als aus den USA der 1920-er Jahre stammend identifizieren können – eine Einschätzung, die ihm auch von einem Experten für historische medizinische Fotografie bestätigt wurde.
Das nach Greers Webinar nun vielerorts online verbreitete Foto dieser angeblichen Autopsie eines „unbekannten Humanoiden“ sorgt seither für Kontroversen (siehe Titelabbildung).
Tatsächlich zeigt das Foto eine aus heutiger Sicht zunächst vielleicht bizarr wirkende Szene, in der vermeintliche Mediziner – vermutlich Ärzte und/oder Studenten – einen grundsätzlich menschlich wirkenden Körper untersuchen.
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Tatsächlich dürfte Greer mit seiner zeitlichen und geografischen Zuordnung in die USA der 1920-er Jahre die Provenienz der Aufnahme treffend eingeordnet haben. Doch handelt es sich gerade dabei um nicht umstrittene, ja geradezu berüchtigte Phase der medzinisch-anatomischen Lehre in den USA: Nachdem Mitte des 19 Jahrhunderts in den USA die Verwendung der Leichen von „freundlosen Armen“ (friendless poor) zu medizinischen Studienzwecken genehmigt worden war, stieg die Nutzung solcher verarmter Leichen rasant an und erreichte durch die Nutzung größtenteils rechtswidrig erlangter Leichen mehrheitlich dunkelhäutiger US-Bürger einen fragwürdigen Höhepunkt. Aus selbiger Zeit (ca. 1880-1930) stammen denn auch unzählige historische Fotografien, die Mediziner und ihre Studenten in den entsprechenden Anstalten gemeinsam mit den sezierten Leichen in teils bizarren Szenerien und Posen zeigen. Nicht selten wurden diese Veranstaltungen auch zur Herstellung geschmackloser Gag-Fotografien genutzt, in denen die Leichen winkend oder gar beim Kartenspiel gezeigt oder ihnen „lustige“ Namen gegeben wurden.
Genau in diese Zeit und Inszenierung passt denn auch Greers aktuell präsentiertes Foto, auf dem tatsächlich nichts darauf hindeutet, dass der Körper auf dem Seziertisch nicht der eines gewöhnlichen Menschen ist.
Einige von unzähligen Beispielen historischer Aufnahmen von Dissektionen, die in den USA zwischen 1880 und 1930 entstanden:
Zahlreiche weitere Beispiele sowie eine (englischsprachige) Erläuterung der makabren und teilweise menschenverachtenden historischen Hintergründe finden Sie HIER
…GreWi-Kommentar
Nicht zuletzt durch seine 2001 am angesehenen „National Press Club“ in Washington organisierte „Disclosure-Conference“ hat Steven Greer für die Anerkennung des UFO-Themas einen einzigartigen und nicht zu unterschätzenden Dienst erwiesen. Dafür gilt ihm Respekt! Was aber danach folgte, wurde diesem hohen Anspruch meist nicht mehr gerecht. Greers Nutzung einer indigenen Mumie zu Zwecken der Argumentation außerirdischer Besucher auf der Erde und seine Reaktionen auf den gegenteiligen Abschlussbericht der von ihm selbst initiierten Untersuchung der Kleinst-Mumie durch Prof. Dr. Garry Nolan stehen dafür ebenso beispielhaft wie der aktuelle Versuch in ein historisch sehr gut einzuordnendes „medizinisches Foto“ einen Alien-Beweis hineinzudeuten. Das ist schade, weil es nicht nur Greers eigene, wertvollen Beiträge zur UFO-Frage mindert, sondern auch dem UFO-Thema und seiner Anerkennung in der Öffentlichkeit allgemein nichts weiter als einen Bärendienst leistet.
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