Saarbrücken (Deutschland) – Seit einigen Tagen kursiert ein Video in den sozialen Netzwerken sowie auf einigen UFO-Webseiten, das eine Aufnahme des Arecibo-Radioteleskops zeigt und dazu behauptet, die Aufnahmen zeigten eine hunderte Meter große Scheibe samt einer (oder zwei) sie umkreisender Sonde(n). Tatsächlich stammen die Aufnahmen wirklich von dem legendären Radioteleskop und zeigen ein wirkliches Objekt im All, dass sich 2025 erneut der Erde nähert. Doch handelt sich wirklich um eine UFO-Scheibe? Grenzwissenschaft-aktuell.de macht den Faktencheck…
Wie bei derartig „viralen“ Geschichten ist es nur noch schwer, die ursprüngliche Quelle dieser Meldung ausfindig zu machen. Auf jeden Fall haben sich Bilder und Behauptung mittlerweile verselbstständigt und sind gerade in den sog. sozialen Netzwerken fast schon omnipräsent. Auch klassische Webseiten haben die Geschichte mittlerweile aufgegriffen und wiederholen – meist unkritisch – die Behauptung vom Riesen-UFO. Es sind aber einmal mehr fragwürdige Kanäle auf Youtube, TikTok & Co, die vornehmlich für die Verbreitung dieser Story sorgen.
Aber auch einige UFO-Quellen, wie etwa der umstrittenen mexikanische Journalist Jaime Maussan, greifen die Geschichte (leider ebenfalls völlig unkritisch) auf. Via „X“ erklärt Maussan: „Das Arecibo-Radioteleskop hat ein nicht identifiziertes anomales Objekt im Weltraum eingefangen [normale Zeiten, um diese nicht von Menschenhand geschaffenen UAPs zu sehen]; Dies wird sich im US-Verteidigungs- und Mexiko-Transparenzgesetz 2024 widerspiegeln.“
El Radiotelescopio de Arecibo captó un objeto anómalo no identificado en el espacio [tiempos normales de ver estos UAP’s no hechos por el hombre]; lo cual se verá reflejado en la Ley de Defensa de EUA y de Transparencia de México 2024.
Por @UFOSightings101 & @redskywatchers: pic.twitter.com/8axn565pgE
— Jaime Maussan (@jaimemaussan1) December 18, 2023
Die Fakten
Tatsächlich handelt es sich um wirkliche und echte Aufnahmen des Radioteleskops der des Arecibo Observatory auf Puerto Rico. Diese und die dazugehörigen Originaldaten und Bilddateien sind HIER zu finden.
Zunächst stellt sich die Frage nach der Aktualität der Aufnahmen, denn im Gegensatz zu Behauptungen auf TikTok aber auch derart, wie sie Maussan impliziert, kann die Aufnahmen gar nicht aktuell (also von 2023) sein, da das Radioteleskop von Arecibo bereits 2020 ebenso spektakulär wie irreparabel einstürzte (…GreWi berichtete 1, 2) und nicht mehr aufgebaut werden wird (…GreWi berichtete).
Tatsächlich geht aber auch schon auf den Original-Timecodes in den Arecibo-Aufnahmen deren Aufnahmedatum hervor, u.a. 5. Januar 2017.
Ebenso wird anhand der Quelle deutlich, welches Objekt das Arecibo-Teleskop damals ins Visier genommen hatte: Den Asteroiden mit der Kennung „226514 (2003 UX34)“. Laut internationalen Referenzkatalogen handelt es sich bei diesem Objekt um einen erdnahen, potenziell gefährlichen Asteroiden der erdkreuzenden Apollo-Klasse. Mit einer Größe, die in etwa der eines Fußballfeldes entspricht, handelt es sich um einen vergleichsweise kleinen Körper dieser Kategorie (der größte, Sisyphus, hat einen Durchmesser von 8,5 Kilometern) der von einem noch deutlich kleineren (Mond) umkreist wird. Auch die 419-tägige Umlaufbahn dieses Asteroiden ist hinreichend bekannt und führt „2003 UX34“ im Jahr 2025 rund 18.491.650 Kilometer (ca. 45-fache Mondentfernung) an die Erde heran und damit aber in bequemer Distanz an dieser vorbei.
Doch auch wenn NASA&Co das Objekt als „Asteroiden“ bezeichnen, könnte es sich trotzdem schlussendlich auch um etwas anderes handeln, vielleicht auch um ein außerirdisches Raumschiff in Form einer gewaltigen Scheibe – schließlich ist es doch genau das, was uns die Arecibo-Aufnahmen zu zeigen scheinen…?
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Um die Aufnahme richtig zu verstehen, muss man zum einen wissen, dass Radioteleskope wie Arecibo ihre Radaraufnahmen nicht wie ein klassisches Foto machen, sondern es sich dabei um Abbildungen handelt, die mit der Delay-Doppler-Methode erstellt werden. Man muss also eine Vorstellung davon bekommen, wie ein Radioteleskop und konkret das Radioteleskop von Arecibo funktioniert, wie es seine Aufnahmen erstellt und was diese schlussendlich zeigen.
Im folgenden Video (engl.) wird dies sehr anschaulich erklärt:
Tatsächlich geht also aus der Arecibo-Aufnahme die wirkliche Form des Objekts – ganz gleich, ob es sich nun um einen Asteroiden oder um ein Raumschiff handeln sollte – gar nicht eindeutig hervor.
Der Grund: Das Planetenradar bildet oben und unten relativ zur Entfernung zur Erde ab. Je höher die Abbildung, desto näher sind Merkmale zur Aufnahmezeit zur Erde. Links und rechts bilden die unterschiedlichen Frequenzen des zurückgesandten Radarimpulses gemäß der sogenannten Doppler-Verschiebung (siehe Video) ab. Da der große Hauptkörper schnell rotiert, ist auch die durch diese Rotation verursachte Doppler-Verschiebung groß, wodurch das Signal nach links und rechts verteilt wird. Der kleinere Mond dreht sich hingegen nur langsam, sodass er horizontal dünn erscheint. Weil der kleine Mond zur Beobachtungszeit den Hauptkörper in Richtung Erde umkreiste, erscheint seine Geschwindigkeit relativ zum primären Asteroiden verlangsamt.
Wer nun Videos wie dem obig eingebetteten glaubt, dass solche Aufnahmen einzigartig sein, der kann sich selbst mit einer Websuche ein eigenes Bild machen. Ziemlich ähnliche Ansichten gibt es auch von dem Asteroiden, unter anderem von „2001 SN 263“ oder „2000 DP107“, die ebenfalls von Monden umkreist werden.
Wie stark die Arecibo-Radarbilder von der tatsächlich Form von relativ erdnahen Objekten abweichen kann, zeigen die Aufnahmen des Teleskops des Asteroiden Bennu.
Wie unterschiedlich die Delay-Doppler-Aufnahmen (hier vom Goldstone-Radioteleskop) ein Objekt abhängig von der Aufnahmezeit und der jeweiligen Rotationsposition abbilden können, zeigt die folgende Bilderserie von Aufnahmen des Asteroiden „2014 JO25“.
Fazit
Auch wenn das letzte Wort über das tatsächliche Aussehen von „226514 (2003 UX34)“ also noch nicht gesprochen ist, so wird der Asteroid doch seit seiner Entdeckung 2019 fortwährend beobachtet und seine Flugbahn verfolgt. Anhand dieser Daten konnte er sogar in älteren Beobachtungsdaten bis 1996 rückwirkend nachgewiesen werden. Die bisherigen Beobachtungen stimmen sehr gut mit den Umlaufmodellen der besagten Apollo-Asteroidenklasse überein.
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Recherchequellen: NASA, NSF, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de
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