Gunung Padang: Neue Kontroverse um angeblich älteste und erste Pyramide
London (Großbritannien) – Erst kürzlich sorgte ein Fachartikel indonesischer Archäologen weltweit für Aufmerksamkeit, in dem diese erklärt hatten, der Kulthügel Gunung Padang auf der indonesischen Insel Java sei in Wirklichkeit die erste und mit einem Alter von bis zu 25.000 Jahren älteste Pyramide der Welt. Seither regt sich in der archäologischen Fachwelt aber auch Kritik an der Studie. Jetzt untersucht das Fachjournal, das das Paper veröffentlicht hat, selbst dessen wissenschaftliche Qualität.
Zuvor hatte das „Journal Archaeological Prospection“ den Fachartikel des Teams um Danny Hilman Natawidjaja vom indonesischen Centre for Geotechnical Research am 20. Oktober 2023 veröffentlicht (…GreWi berichtete) und damit weltweit sowohl für Aufsehen, Interesse aber auch Kritik von Seiten der etablierten Archäologie gesorgt. Die ältesten Teile der Struktur datieren die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf ein Alter zwischen 25.000 und 14.000 Jahren. „So gesehen könnte Gunung Pandang als älteste Pyramide betrachtet werden.“
„Es würde auch bedeuten, dass sie älter ist als die älteste bekannte megalithische Stätte, Göbekli Tepe in der Türkei, die vor rund 11.000 Jahren von Steinmetzen errichtet wurde. Und es würde das, was über die menschliche Zivilisation in der Region bekannt ist, völlig umschreiben“, kommentiert „Nature.com“ die Konsequenzen dieser Deutung der Ergebnisse.
Kritiker hingegen verwiesen umgehend auf andere archäologische Untersuchungen zur Menschheitsgeschichte in der Region. So verweist Lutfi Yondri, Archäologe der National Research and Innovation Agency (BRIN) im indonesischen Bandung auf seine früheren Arbeiten, in denen er zeigen könne, dass Menschen in der Region zwischen 12.000 und 6.000 Jahren noch in Höhlen lebten – also lange nachdem die Pyramide angeblich erbaut worden sein soll. Es gebe zudem keine Ausgrabungen aus dieser Zeit, die Hinweise auf anspruchsvolle Steinmetzarbeiten erbracht hätten.
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Zwar präsentiere der Fachartikel legitime Daten, doch seien „die Schlussfolgerungen über die Stätte und ihr Alter nicht gerechtfertigt“, kommentiert der Archäologe Flint Dibble von der Cardiff University. Gegenüber Nature.com erklärt der Wissenschaftler, dass aus der Studie keine klaren Hinweise darauf hervorgingen, dass die verborgenen Schichten von Menschen gebaut wurden und nicht das Ergebnis natürlicher Verwitterung und Bewegung von Felsen im Laufe der Zeit waren. „Material, das einen Hügel hinunterrollt, wird sich im Durchschnitt ausrichten“, sagt er. Natawidjaja und Kollegen hingegen erklären, dass die säulenförmigen Steine zu groß und zu geordnet waren, um einfach nur dort hingerollt zu sein: „Die ordentlich angeordnete, geformte und massive Natur dieser Felsen, von denen einige bis zu 300 Kilogramm wiegen, schließt die Wahrscheinlichkeit eines Transports über beträchtliche Entfernungen aus.“
Die Autoren um Natawidjaja berichten auch von einem dolchförmigen Stein, dessen regelmäßige Geometrie und die eindeutige Zusammensetzung, die nicht mit den umgebenden Felsen in Verbindung stehen, auf seine künstliche Herkunft hindeuten. Doch auch hier erklärt Dibble, dass es „unwahrscheinlich [sei], dass der Felsen von Menschen geformt wurde“, da es an dem Stein keine Anzeichen von Bearbeitung gebe.
Weitere aktuelle Kritik konzentriert sich auf den Umstand, dass Gunung Padang nicht nur ein Hauptthema der jüngst nicht minder umstrittenen Netflix-Doku-Serie „Ancient Apocalypse“ war, die vom britischen Autor Graham Hancock moderiert wird und der darin seine Hypothese einer fortgeschrittenen globale Zivilisation vertritt, die vor 12.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit ausgelöscht worden sein soll (…GreWi berichtete). Tatsächlich danken die Autoren der Studie Hancock auch für das Korrekturlesen ihres Papers.
Auch Natawidjaja sagt, dass Gunung Padang vor dem Ende der letzten Eiszeit gebaut wurde, was zeige, dass die Menschen aus dieser Zeit in der Lage waren, komplexe Strukturen zu bauen, und „das macht es zu einem sehr interessanten Monument“.
Gegenüber Nature.com erklärt hingegen Bill Farley, ein Archäologe an der Southern Connecticut State University, die Studie habe mitnichten den Nachweis erbracht, dass eine fortgeschrittene Zivilisation während der letzten Eiszeit existiert hatte. „Die 27.000 Jahre alten Bodenproben von Gunung Padang, obwohl genau datiert, tragen keine Merkmale menschlicher Aktivität wie Holzkohle oder Knochenfragmente“. Hingegen zeigen laut Farley andere Aufzeichnungen, dass der Übergang von Jäger-und-Sammler-Gesellschaften zu komplexen Gesellschaften, die große Siedlungen besetzten, nach dem Beginn des Holozäns vor 11.700 Jahren erfolgte. Die älteste bekannte Stadt ist die 9.000 Jahre alte Stätte von Çatalhöyük in der heutigen Türkei.
In Folge der aktuelle Kontroverse hat das publizierende Fachjournal „Archaeological Prospection“ und dessen Verleger, Wiley, mittlerweile eine Untersuchung des Fachartikels eingeleitet. In einer E-Mail an Nature.com erklärte Eileen Ernenwein, eine archäologische Geophysikerin an der Tennessee State University Mitherausgeberin des Journals, dass die Herausgeber und das Ethik-Team von Wiley das Paper derzeit gemäß den Richtlinien des Committee on Publication Ethics untersuche. Bis zum Ergebnis dieser Untersuchungen wolle man sich jedoch in der Sache nicht weiter äußern.
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Recherchequelle: Nature.com
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