Originalzeichnung des Hauptzeugen Oskar Linke
Copyright: Oskr Linke
von Ralf Bülow, 2014
Zu den faszinierendsten deutschen UFO-Fällen zählt die Sichtung eines mysteriösen Fluggeräts und zweier Besatzungsmitglieder am 17. Juni 1950 beim Dorf Haselbach in Thüringen. Beteiligt waren Oskar Linke, damals Bürgermeister des Nachbardorfs Gleimershausen, und seine zehnjährige Stieftochter Gabriele. 64 Jahre nach dem Ereignis haben wir Frau Linke aufgesucht und uns mit ihr über den Fall unterhalten.
Der UFO-Fall von Haselbach (mit nur einem „s“ – in manchen Quelle steht auch „Hasselbach“) ist mit zwei Daten verknüpft, dem 17. Juni 1950, dem Tag der eigentlichen Sichtung nahe der innerdeutschen Grenze, und dem 1. Juli 1952, als der Hauptzeuge Oskar Linke in West-Berlin zum Notar geht und die Geschichte publik macht. Sie wird schnell von Pressediensten aufgegriffen, verbreitet sich in Europa und den USA und landet in den Archiven des US-Geheimdienstes CIA und des UFO-Projekts Blue Book der amerikanischen Luftwaffe. Außerdem entsteht ein kurzer Dokumentarfilm.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen GreWi-Newsletter bestellen +
Beginnen wir mit Oskar Linke, dem wichtigsten Zeugen des Falles. Geboren 1901 in Breslau und von Beruf Kunstmaler, dient er im 2. Weltkrieg in der Marine. Nach 1945 wird er Bürgermeister des im südlichen Thüringen und ab 1949 in der DDR gelegenen kleinen Dorfs Gleimershausen. Er ist verheiratet, wobei seine Frau eine Tochter in die Ehe brachte, die im September 1939 in Stettin geborene Gabriele. Linkes Job ist nicht leicht, und ein besonderes Problem bilden die sowjetischen Besatzungstruppen. Er geht aber mit den Offizieren zur Wildschweinjagd und hat im Dienst Zugang zu einem Telefon und einem altersschwachen NSU-Motorrad.
Am 16. Juni 1950, einem Freitag, knattert er abends zu einem Vortragstermin in einem Nachbardorf, mit Gabriele auf dem Rücksitz. Der Termin zieht sich hin und verlängert sich durch Abendessen und Umtrunk. Als Oskar Linke und seine Tochter nach Hause aufbrechen, ist es schon Samstag, der 17. Juni. Es kommt wie es kommen muss, die NSU gibt den Geist auf, und der Bürgermeister muss das Motorrad schieben. Um halb drei– oder vielleicht ein später – befinden sich die Linkes auf der Straße zwischen Haselbach und Gleimershausen, und dann passiert‘s.
Die folgenden Geschehnisse werden ausführlich auf englischen und deutschen Internetseiten geschildert, im „MUFON UFO JOURNAL“ vom November 1980 < http://de.slideshare.net/mufonnexus/mufon-ufo-journal-1980-11-november > im Artikel „Herr Linke and the Flying Warming Pan“ und daran anschließend im „CENAP-REPORT“ Nr. 116 vom Oktober 1985 im Beitrag „UFO-CE3 auf DDR-Gebiet?“, so dass wir uns kurz fassen können. Das Mädchen glaubt auf einer Wiese in einigem Abstand von der Straße Rehe zu sehen; ihr Vater lässt daraufhin das Motorrad stehen und pirscht sich heran.
Oskar und Gabriele Linke
Quelle: Privatfoto
Es sind aber keine Rehe, sondern zwei Gestalten in dicken metallischen Overalls, die Linke zunächst für Russen hält. In ihrer Nähe steht ein ebenso glänzendes Objekt mit fünfzehn Meter Durchmesser und zweieinhalb Meter Höhe, das ihn an eine Wärmflasche erinnert. Oskar Linke denkt hier nicht an die biegsame Gummiflasche, sondern an deren runden oder ovalen Vorläufer aus Zink, der durch eine Öffnung auf der Oberseite mit heißem Wasser gefüllt wird – siehe unsere Abbildung. Er beobachtet die beiden Gestalten eine Weile, als er seine Tochter rufen hört.
Eiligst klettern die „Russen“ in ihren Apparat, der eine mechanische Veränderung durchmacht. Ein zentraler, oben herausragender Zylinder schiebt sich nach unten, und analog hebt sich die „Wärmflasche“, bis sie auf dem nunmehr unten befindlichen Zylinder zu ruhen scheint. Sie summt und heult, leuchtet und glüht, und der Zylinder schiebt sich wieder nach oben. Der Apparat legt sich aber nicht auf den Erdboden, sondern bleibt in der Schwebe und steigt plötzlich steil auf. Hoch oben in der Luft nimmt er Kurs nach Südwesten Richtung Hildburghausen und Coburg.
Anschließend untersuchen Oskar Linke und seine Tochter, die das Objekt gleichfalls abfliegen sah, den Startplatz und finden eine Vertiefung, die offenbar vom zentralen Zylinder herrührt. Schließlich kehren sie nach Hause zurück, und am Tage zeigt sich, dass auch ein Schäfer und ein Nachtwächter Seltsames am Himmel gesehen haben. Im Dorf verrät Linke nichts von seinem Erlebnis, denn wer weiß, wie die sowjetischen Soldaten darüber denken würden.
Im April 1951 flieht Oskar Linke mit seiner Frau und vier Kindern aus der DDR und lässt sich in West-Berlin nieder. Am 1. Juli 1952 begibt es sich dort zu einem Notar namens Oskar Krause und hinterlegt eine Erklärung, in der er die UFO-Sichtung noch einmal schildert. Die Geschichte findet den Weg in die Presse und erscheint am 6. Juli im Londoner Boulevardblatt „Sunday Graphic“; in den USA verbreiten sie die Agenturen UPI und NANA (North American Newspaper Alliance). Sie erreicht am Ende auch den Geheimdienst CIA (…GreWi berichtete), angeblich als Kopie aus einer griechischen Zeitung sowie das Archiv des Projekts Blue Book. Die Berliner „nacht-depesche“ nimmt sich erst am 15. August 1952 der Story an.
Es stellt sich die Frage, was Oskar Linke dazu bringt, in jenem Sommer an die Öffentlichkeit zu gehen. Seine Tochter konnte sie bei unserem Besuch nicht beantworten, da sie sich nicht mehr an die Gespräche im Familienkreis erinnerte. Denkbar wäre vielleicht eine Anregung durch den berühmten UFO-Spielfilm „Der Tag, an dem die Erde stillstand“, der Anfang Mai 1952 in der Bundesrepublik und West-Berlin anlief. Oskar Linke geht zu jener Zeit nur selten ins Kino, könnte aber Zeitungsartikel zum Film gelesen haben.
Recht gut erinnert sich Frau Linke dagegen an Dreharbeiten zu einem Filmclip, der 1952 innerhalb der amerikanischen Dokumentation „The Flying Saucer Mystery“ erschien. Produzent ist die Firma Telenews, die mit der Hearst-Zeitungskette zusammenhängt und US-Fernsehsender mit tagesaktuellem Material versorgt. Die gut zwölf Minuten lange Doku ist auf YouTube abrufbar, und die Linkes sind ab Minute 5:15 zu sehen.
Schwachstelle des Haselbach-Falls ist sicher der Bericht von Oskar Linke mit den humanoiden Gestalten und der seltsamen Low-Tech-Bauweise des Objekts einschließlich des verschiebbaren Zylinders. Angesichts der Sichtungszeit nachts ab 2:30 Uhr wären auch die Lichtverhältnisse zu überprüfen, wobei es 1950 in Deutschland keine Sommerzeit gab und am 17. Juni in und um Haselbach die Sonne kurz nach vier Uhr aufging. Dennoch: Hätte man schon um drei Uhr früh die berichteten Details gesehen? Und könnte das Fluggerät nicht ein Hubschrauber gewesen sein? Im Gespräch wies Frau Linke diese Hypothese entschieden zurück, und ein nächtlicher Helikopterstart sieht wohl auch anders aus als der von ihr bezeugte Flugvorgang.
Bei unserem Besuch am 21. Oktober 2014 bestätigte Gabriele Linke, am Morgen des 17. Juni 1950 mit eigenen Augen das von ihrem Vater entdeckte „Wärmflaschen“-Objekt beim Start und im Flug rund, hell und laut beobachtet und die Erinnerung daran im Gedächtnis präsent zu haben. Es sei ihr nicht als eine besondere Sensation vorgekommen, sondern fast als etwas Normales, was die moderne Zeit und der Kalte Krieg eben mit sich bringen. Im 2. Weltkrieg hätte sie als Kind auch ein abstürzendes Flugzeug gesehen. Sie verwahrt noch ein Exemplar des Artikels der „nacht-depesche“ vom 1952 und besitzt keine UFO-Literatur, sondern nur den Briefwechsel mit der CENAP aus den 1980er Jahren, der zu keinem Rechercheergebnis führte.
Gabriele Linke wirkte geistig sehr präsent und deutlich jünger als ihre 75 Jahre, und zum UFO-Thema hält sie eine beinahe ironische Distanz. Das heißt nicht, dass ihre Aussage zur Sichtung in jeder Hinsicht stimmen muss, verleiht ihr aber eine gewisse Glaubwürdigkeit. Aufgrund von nur zwei Augen- und Ohrenzeugen reicht der UFO-Fall von Haselbach nicht als Beweis für eine extraterrestrische Herkunft des gesichteten Objekts aus, er ist und bleibt aber ungeklärt und rätselhaft.
Anm. Gabriele Linke ist seit Jahren verheiratet und trägt den Namen ihres Ehemanns. Ihrer Bitte entsprechend benutzten wir im Text aber nur ihren Mädchennamen.
Über den Autor
Ralf Bülow, geboren 1953, studierte Informatik, Mathematik und Philosophie an der Universität Bonn. Er ist Diplom-Informatiker und promovierte in mathematischer Logik. Von 2009 bis 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Kultur- und Wissenschafts-kommunikation der FH Kiel. Während der 1980er Jahre arbeitete Ralf Bülow am Deutschen Museum und dessen Forschungsinstitut in München, zu Anfang der 1990er Jahre als Wissenschafts- und Technik-Journalist. Seit 1996 war er an zahlreichen Ausstellungen zu den Themen Computer, Weltraumfahrt, Astronomie und Physik beteiligt, darunter an „Einstein begreifen“ des Technoseum Mannheim. 2014 wirkte er bei einem Projekt für ein Spionage- und Geheimdienstmuseum in Berlin mit.