Hat eine TV-Expedition DNA-Beweise für Bigfoot gefunden?
New York (USA) – Markierte die angebliche Wärmebild-Videoaufnahme eines massigen und aufrechtgehenden Primaten 2019 den Höhepunkt der ersten Staffel des US-Doku-Serie „Expedition Bigfoot“ und löste damit erwartungsgemäß kontroverse Diskussionen darüber aus, was die Aufnahme zeigt (…Grewi berichtete), so ist es in der aktuellen Staffel nun der angebliche Nachweis von eDNA eines eigentlich nicht in diese Region gehörenden Primaten, der den Forschern der „Expedition Bigfoot“ gelungen sein soll. Doch was ist von Ergebnissen derartiger TV-Dokus zu halten und können sie wissenschaftliche Ansprüche erfüllen?
Für die aktuelle zweite Staffel von “Expedition Bigfoot” des US-amerikanischen “Travel Channel” war das Team um den TV-Produzenten Bigfoot-Enthusiasten und Bryce Johnson, den Outdoor-Überlebenskünstler Russell Acord, den Bigfoot-Forscher Ronny LeBlanc und die Anthropologin Dr. Mireya Mayor in den Waldregionen des US-Bundesstaates Kentucky unterwegs, um auch hier den zahlreichen Berichten von Sichtungen des legendären nordamerikanischen „Waldmenschen“ Bigfoot bzw. Sasquatch nachzugehen.
Nachdem sie bereits in der ersten Staffel in den Wäldern Oregons Strukturen vorgefunden hatten, die an primitive Hütten und Nester erinnern, konnten in diesen aber keine ungewöhnliche DNA festgestellt werden. „Das Ergebnis ist zwar eine kleine Enttäuschung. Aber eben auch ein Ergebnis. Es wäre auch möglich, dass an jenen Stellen, an denen wir die Proben entnommen haben, schlichtweg keine DNA des Lebewesens vorhanden war, das diese Strukturen erstellt hatte”, erläuterte Mireya Mayor bereits zuvor zu den früheren Bemühungen.
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Höhepunkt zahlreicher Hinweise auf die Existenz von Bigfoot, darunter Aufzeichnungen ungewöhnlicher Laute und die Entdeckung von 40 Zentimeter großen Fußabdrücke, war auch heuer die Entdeckung einer künstlich erscheinenden Struktur aus Baumholz im Hochland der Appalachen, innerhalb derer Mireya Major verschiedene Bodenproben zur weiteren Analyse nach sogenannter Umwelt-DNA (environmental DNA, eDNA) entnehmen konnte.
Hintergrund: eDNA
Bei der Methode der eDNA handelt es sich um ein vergleichsweise neues DNA-Analyseverfahren, das noch kleinste DNA-Spuren aus Umweltproben wie beispielsweise Wasser- oder Böden extrahieren kann. Bekannt wurde das Verfahren durch den DNA-Nachweis der Existenz der sogenannten Denisova-Menschen aus der Analyse von Ablagerungen in einer Höhle, in der sich sonst keine physischen Beweise oder Spuren als Beleg für die einstige Anwesenheit der lange Zeit unbekannten Frühmenschenart fanden„Die Methode des eDNA ist deshalb so effektiv, weil das Leben selbst schmutzig ist“, so Gemmell. „Egal welche Kreatur sich durch eine Umwelt bewegt und darin lebt – sie hinterlässt auf jeden Fall kleinste Fragmente ihrer DNA in Form von Haut, Schuppen, Federn, Haaren, Kot und Urin. Es ist diese DNA, die wir mittlerweile extrahieren und sequenzieren können, um damit diese Kreaturen zu identifizieren, in dem man die ermittelten Sequenzen mit den Datenbänken bekannter genetischer Sequenzen von mehr als 100.000 unterschiedlichen Organismen vergleicht.“
Diese Proben wurden dann von Miroslava Munguia Ramos vom eDNA-Programm an der University of California in Los Angeles (UCLA) untersucht, die zu ihren Ergebnissen in der Sendung wie folgt zitiert wird:
„Die DNA, die wir aus den Proben extrahieren konnten, ist die eines einzigartigen Organismus, den wir noch nicht genau identifizieren konnten. Unsere Software basiert auf dem sog. Metabar-Coding. Dabei werden alle in den Proben gefundenen DNA-Sequenzen mit Tausenden bereits bekannter Genome bekannter Arten verglichen. In der Regel finden wir bei solchen Analysen zunächst menschliche DNA, weil wir Menschen schon nahezu überall unsere Spuren hinterlassen haben und hinterlassen.
Was wir aber hier gefunden haben, ist zunächst wirklich sehr interessant. Tatsächlich haben wir hier zum einen menschliche DNA. Aber zugleich sehen wir hier auch die DNA einer anderen Primatenart. Vor Ort waren also nicht nur Menschen, sondern auch eine andere verwandte Primatenart.“
Die vom System ausgegebene passende DNA sei demnach die von gewöhnlichen Schimpansen (Pan troglodyte). Das Problem: Diese gehören nicht nur lokalen Fauna. „Das ist schon ein wirklicher Kopfzerbrecher“, gesteht die Labor-Wissenschaftlerin ein. „Hier ist es nun wichtig zu verstehen, dass je höher die Nachweisrate ist, desto größer die Sicherheit, mit der wir sagen können, welcher Organismus hier anwesend war. In diesem Fall suchen wir also nach einer Schimpansen-Gattung, die durch 3000 Signale belegt ist.“
Die Technologie verbessere sich zusehends und werde immer genauer, so Miroslava Munguia Ramos. „Jetzt ist es wichtig, dass wir sichergehen, dass wir genügend Proben haben, um sicherzugehen, dass wir hier eine einzigartige Art vor uns haben.“
Dr. Mireya Mayor
Auf Ihrer Webseite beschreibt sich Dr. Mireya Mayor selbst als Primatologin, Anthropologin, Wildtierexpertin, Tier- und Umweltschützerin, Forscherin, Motivationsrednerin, Autor und TV-Moderatorin.An der University of Miami studierte sie Anthropologie und Philosophie und erhielt ihren Doktortitel in Anthropologie an der Stony Brook University in New York. Aktuell arbeitet sie als Korrespondentin für den National Geographic Channel. Gemeinsam mit Kollegen entdeckte sie eine kleine Lemurenart auf Madagaskar und arbeitet derzeit mit der dortigen Regierung an der Einrichtung eines Nationalparks zum Schutz der gefährdeten Art.
– Ein LonelyPlanet-Interview mit Mireya Mayor finden Sie HIER
In der Sendung kommentiert auch Dr. Mayor die Entdeckung: „Der Umstand, dass wir hier eine große Holzstruktur vorgefunden haben, die offenbar zielgerichtet und vorausschauend konstruiert wurde und für deren Konstruktion man enorme Kraft benötigen würde, ist für sich genommen schon interessant. Tatsächlich ist bekannt, dass auch nichtmenschliche Primaten Hölzer und Steine anordnen. Allerdings steht meiner Meinung nach der Nachweis dafür, was diese Struktur errichtet hat, noch aus. In der Wissenschaft reicht es nicht aus, zu vermuten. Deshalb ist es wichtig, dass wir vor Ort eDNA-Proben entnommen haben. Deren Auswertung kann uns die Antworten liefern, die wir suchen.“
Der Prozess der Beschreibung und Bestätigung der Existenz einer neuen Art ist sehr schwierig. DNA ist dafür absolut notwendig, um auch die Wissenschaftsgemeinde zu überzeugen.
„In Sachen Bigfoot haben wir zigtausende Augenzeugen, die diese Wesen bereits gesehen haben wollen. Einige davon belegen diese Sichtungen sogar mit – leider meist verschwommenen und verwackelten – Foto- und Videoaufnahmen. Doch das alleine ist nicht genug. Was wir brauchen, ist unzweifelhafte genetische Beweise, wenn wir dieses Rätsel ein für alle Mal beantworten wollen. Jetzt bin ich mir sicher, dass wir dabei auf dem richtigen Weg sind.“
Auf Anfrage durch GreWi-Herausgeber Andreas Müller, wie wissenschaftlich Ergebnisse einer derartigen TV-Doku sein können und ob darauf aufbauend weitre Studien oder gar ein Fachartikel folgen werden, erklärt die Anthropologin: „Unsere Entdeckung benötigt natürlich noch weitere Überprüfungen, damit wir uns ganz sicher sein können. Aber mit dem UCLA-Labor ist ein anerkanntes Labor involviert und wir werden alles genau untersuchen, bevor wir gegenüber der Wissenschaftsgemeinde irgendwelche Behauptungen aufstellen. Dennoch sind wir von den ersten Ergebnissen ebenso überrascht wie begeisterst und motiviert.“
+ + + GreWi-Kommentar
Während das TV-Format selbst für einen wissenschaftlichen Betrachter nur schwer zu ertragen ist, und sich Superlativ-Kommentare wie „Wow“, „that’s amazing“ oder nichtssagende Bemerkungen wie „das könnte vielleicht der Beweis für Bigfoot sein…“ aneinanderreihen, und banalste Vorfälle (wie der Sturz eines der Protagonisten dramaturgisch) bis ins Unerträgliche ausgeschlachtet werden, sollte man nicht ausschließen, dass – nicht zuletzt durch die Teilnahme von Dr. Mireya Mayor und das Einbeziehen anerkannter wissenschaftlicher Institutionen wie die UCLA – nicht auch wirkliche Indizien und vielleicht sogar handfeste Beweise für die Existenz von Bigfoot gefunden und dokumentiert werden könnten. Ebenso wie während einer entsprechend archäologischen TV-Doku auch echte archäologische Funde möglich sind. Bei aller berechtigten Kritik an derartigen Formaten gilt es hier, den Spagat zwischen dem sich mehrheitlich an Zuschauerzahlen orientierenden Format und dem wissenschaftlichen Anspruch zu wahren. Inwieweit dies den Beteiligten gelingt, bleibt abzuwarten und wird sich an den Daten, Fakten und der Art und Weise messen lassen, wie diese kommuniziert und dokumentiert werden.
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Quelle: Travel Channell, eigene. Recherche grenzwissenschaft-aktuell.de
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