Berlin (Deutschland) – In der aktuellen Diskussion um das vom Bundesgesundheitsministerium angestrebte Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht hat sich nun die die Systemische Gesellschaft mit einer öffentlichen Stellungnahe in der Diskussion positioniert, innerhalb derer Kritiker des Heilpraktikerberufs sogar dessen Aberkennung fordern.
Bereits vor einem Jahr berichtete GreWi über die Ausschreibung des Bundesgesundheitsministerium (BMG) für ein Rechtsgutachten, anhand dessen, „Möglichkeiten juristisch eruiert werden sollen“. Auf Anfrage der ARD-Sendung „Panorma“ beim BMG erklärte ein dortiger Sprecher damals, man habe hier wahrgenommen, dass die bisherigen Maßnahmen “teilweise als nicht ausreichend angesehen werden. Umgekehrt wenden sich viele Menschen an das BMG, die auf Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker vertrauen. Sie setzen sich für diesen Berufsstand und seinen Erhalt ein.” Wie das BMG weiter erläutert, habe die Forderung nach einer Abschaffung des Heilpraktikerberufs auch eine verfassungsrechtliche Komponente, insbesondere in Bezug auf die Berufsfreiheit (…Grewi berichtete).
Im folgenden wird die Stellungnahme der Systemischen Gesellschaft – Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e.V. unverändert, unkommentiert und ungekürzt wiedergegeben.
Einführung
Die Systemische Gesellschaft vertritt als gemeinnütziger Verein 51 Weiterbildungsinstitute und über 5.000 Einzelmitglieder. Die Angebote der Institute umfassen, neben anderen Angeboten, auch die Vorbereitung auf eine Tätigkeit als Systemische Therapeutin oder Systemischer Therapeut. Viele unserer Mitglieder arbeiten entweder als approbierte Psychotherapeut_innen oder mit einer Heilpraktikererlaubnis für Psychotherapie in der ambulanten (oder auch stationären) Versorgung. Die Beibehaltung des Heilpraktikerrechts ist von daher für diese Mitglieder von besonderer Relevanz.
Die Systemische Gesellschaft begrüßt die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, ein Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht zu beauftragen und eine offene Diskussion anzuregen. Die bereits vorliegenden Expertengutachten des Fachanwalts Professor Christof Stock sowie das Gutachten von Professor Helge Sodan kommen zu dem Ergebnis, dass es zwar Veränderungen und Klarstellungen innerhalb des Heilpraktikerrechts geben sollte, eine Abschaffung jedoch weder tatsächlich noch rechtlich begründet werden kann.
Diese Stellungnahme bezieht sich vor allem auf die für unsere Mitglieder relevante sektorale Heilpraktikererlaubnis sowie allgemeine Aspekte.
Stellungnahme
Psychotherapeutische Versorgung ist in Deutschland vor allem mit Blick auf die Zulassung der Behandler_innen und die Leistungen der Krankenklassen stark reglementiert. Bis zur Anerkennung der Systemischen Therapie gab es für Patient_innen, die ausdrücklich eine Systemische Therapie wünschten, nur die Möglichkeit, sich an entsprechend qualifizierte Heilpraktiker_innen für Psychotherapie zu wenden. Ohne sie wäre eine Weitergabe des systemischen Therapiewissens kaum möglich gewesen und die heutige Ausbildung junger Richtlinientherapeut_innen nur schwer umzusetzen.
Mit der Anerkennung der Systemischen Therapie als wissenschaftliches Verfahren 2008 und der Möglichkeit, eine Approbation als Psychologische Psychotherapeut_in mit diesem Vertiefungsgebiet zu erlangen, sind erste Grundlagen für ein verbessertes Versorgungsangebot geschaffen. Seit Sommer 2020 ist die Systemische Therapie mit Erwachsenen auch durch die Krankenkassen abrechenbar – für den Bereich Kinder und Jugendliche steht die Entscheidung noch aus (ein entsprechendes Prüfverfahren wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss kürzlich eingeleitet).
Unabhängig davon, ob in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, dass eine ausreichende Versorgung durch approbierte systemische Therapeut_innen gewährleistet werden kann oder nicht, plädieren wir ausdrücklich für die Beibehaltung des Berufs der/s Heilpraktiker_in für Psychotherapie. In einer ganzheitlich demokratisch angelegten Gesundheitsversorgung soll es weiterhin möglichst vielfältige und innovative Versorgungsangebote geben.
Hinzu kommt, dass es weit mehr Berufsgruppen gibt, die – wie bisher – einen qualifizierten Beitrag zur psychotherapeutischen Versorgung leisten können, als diejenigen, die die Voraussetzungen für die Ausbildung zum/zur Psychotherapeut_in haben.
Wenn es in Deutschland auch zukünftig innovative und/oder alternative Angebote in der Gesundheitsversorgung geben soll, diese erweitert und gefördert werden und es nicht ausschließlich bei „Mainstreamverfahren“ bleiben soll, braucht es auch in Zukunft ein Heilpraktikerrecht, welches dies ermöglicht. Das Beispiel der Systemischen Therapie zeigt, dass es zukünftig auch weitere (z. B. im Ausland entwickelte) Verfahren geben kann, die sich zunächst auf dem Hintergrund und dem rechtlich sicheren Boden des Heilpraktikerrechts entwickeln können.
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Die zusätzlichen Angebote der Gesundheitsversorgung durch Heilpraktiker_innen für Psychotherapie stellen aus unserer Sicht eine sinnvolle, wertvolle und wichtige Ergänzung dar und stehen keineswegs in Konkurrenz zu Angeboten niedergelassener psychologischer Psychotherapeut_innen. Nur so können Patient_innen auch in Zukunft auf die Angebote zurückgreifen, die zu ihnen passen und die sie sich wünschen.
Darüber hinaus leisten viele Sozialarbeiter_innen, Diplom- und Sozialpädagog_innen in der Jugendhilfe hervorragende beraterische und therapeutische Arbeit – mit dem Erwerb der Heilpraktikererlaubnis bewegen sie sich in einem rechtlich geschützten Rahmen. Dies gilt es zu erhalten. Wir begrüßen also die Feststellungen der eingesetzten Gutachter und halten den Fortbestand der Möglichkeit einer Zulassung als Heilpraktiker_in für Psychotherapie für sinnvoll und notwendig. Gleichzeitig unterstützen wir Bestrebungen der Qualitätssicherung und -weiterentwicklung. Gesetzesänderungen sollten in jedem Fall berücksichtigen, dass es auch in Zukunft psychotherapeutische Versorgungsangebote geben kann, die jenseits der „Richtlinienpsychotherapie“ weniger stark geregelt sind.
Kritisch sehen wir die Zulassung zum Heilpraktiker für Psychotherapie ohne irgendeine
Verfahrensweiterbildung. Systemische Therapeut_innen absolvieren eine theoretische und praktische Weiterbildung inkl. Selbsterfahrungsanteilen von 900 Stunden. In diesem Rahmen sollten sich Weiterbildungen bewegen, die als Basis für eine Zulassung zur Heilpraktikerprüfung gelten.
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