Irdische Aliens – Kraken und Tintenfische können ihre eigene RNA anpassen

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Verschiedene Arten von Kopffüssern (Illu.).

Copyright: Jatta, Giuseppe, Gemeinfrei

Tel Aviv (Israel) – Erst 2015 attestierten Biologen dem sog. gemeinen Kraken aufgrund seiner zahlreichen bizarren Eigenschaften und seiner ungewöhnlich hohen Intelligenz, dass es sich bei den Kopffüßern wohl um die „irdischsten Aliens“ unseres Planeten handelt (…GreWi berichtete). Israelische Wissenschaftler haben nun hinzu herausgefunden, dass Kraken, Kalmare und einige Tintenfischarten sogar in der Lage sind, ihre eigenen RNA zu editieren – eine Fähigkeit die sie mit keinen anderen Organismen auf unsrem Planeten teilen.

Stellen Sie sich ein Lebewesen ohne Knochen, dafür aber mit drei Herzen vor, dessen acht Tentakelarme Gehirne mit mehr als 500 Millionen Nervenzellen beinhalten. Ein Wesen, das jeden dieser Arme bei Verlust vollständig regenerieren kann und zudem über eine erstaunlich hoch entwickelte Intelligenz verfügt. Darüber hinaus kann dieser Organismus willentlich seine Farbe und die Struktur seiner Körperoberfläche an die des Unter- und seiner Umgebung anpassen und dekoriert seine Höhle zudem mit Trophäen seiner Opfer. So bizarr dieses Wesen auch erscheint, seine Heimat muss nicht zwangsläufig ein fremder Planeten sein, sondern es bewohnt tatsächlich unsere irdischen Meere. Die Rede ist vom Oktopus, dem gemeinen Kraken.

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Wie das Team um Joshua Rosenthal vom Eugene Bell Center des Marine Biological Laboratory und Eli Eisenberg von der Tel Aviv University aktuell im Fachjournal „Cell“ (DOI: 10.1016/j.cell.2017.03.025) berichtet, passen sich mehrzellige Lebewesen für gewöhnlich zunächst durch genetische Mutation, also durch die Veränderung ihrer DNA an neue Lebensbedingungen an. Diese genetischen Veränderungen werden dann durch den molekularen Ableger der DNA, der sogenannten RNA, in die Tat umgesetzt. „Wären also die Vorgaben der DNA das Rezept, so entspräche die RNA dem Chefkoch innerhalb einer jeden Zelle, der die für den Organismus notwendigen Proteine erstellt“, erläutert „ScienceAlert.com“ anschaulich den Zusammenhang und Aufgabe von DANN und RNA. „Allerdings führt die RNA die Rezeptvorgaben nicht einfach nur blind aus, manchmal improvisiert sie auch die Zutaten und verändert die Herstellung von Proteinen in einer Zelle. In diesem Fall spricht man vom RNA-Editing.

Dieser Vorgang kann beispielsweise die Art und Weise verändern, wie bestimmte Proteine wirken und ermöglichen es dem Organismus so, genetische Informationen zu verfeinern, ohne dass dafür genetische Mutationen notwendig sind.

Da es sich dabei jedoch um einen aufwendigen Vorgang handelt, der oft mehr Schaden anrichtet als Nutzen zu bringen, verzichten die meisten Organismen für gewöhnlich gänzlich darauf.

Schon 2015 hatten die Wissenschaftler um Eisenberg und Rosenthal festgestellt, dass der gemeine Kalmar im Laufe seiner Entwicklung bereits mehr als 60 Prozent der RNA seines Nervensystem eigenständig verändert hat – wahrscheinlich, um damit seine Hirnphysiologie zu verändern und sich so besser an unterschiedliche Temperaturen im Ozean anzupassen.

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Jetzt stellten sie zudem fest, dass mindestens zwei Oktopusarten und eine Tintenfischart, den selben Vorgang betreiben – nun jedoch in regelmäßigen Abständen. Vergleichsuntersuchungen an verwandten Arten wie dem Nautilus oder einer Bauchfüssler (Schnecke) zeigten, dass die Fähigkeit zum RNA-Editing offenbar nur den Kopffüsslern vorbehalten ist und nicht grundsätzlich unter den Weichtieren verbreitet ist.

Bei ihren Analysen hunderter RNA-Proben, die an verschiedensten Orten zusammengetragen wurden, stellten die Forscher fest, dass das RN-Editing von den Tieren hauptsächlich zur Veränderung des Nervensystems genutzt wurde. Es wäre also möglich, dass die ungewöhnlich hohe Intelligenz der Kraken auf eben diese Fähigkeit zurückgeführt werden kann.

Die Fähigkeit der Tiere zum RNA-Editing gehe aber wahrscheinlich mit einem evolutionären Kompromiss einher, der sich in einer im Vergleich mit anderen Arten stark verlangsamten genomischen Evolution – also der bereits erläuterten Entwicklung durch genetische Mutation – ausdrücke.

In nächsten Schritten wollen die Forscher nun ein genetisches Modell von Kopffüßern erstellen um zu untersuchen, wie und wann sich das RND-Editing genau auswirkt.

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