Kein neues Elementarteilchen am CERN entdeckt

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Blick in den LHC-Teilchenbeschleuniger am Kernforschungszentrum CERN nahe Genf

Copyright: CERN

Genf (Schweiz) – Seit Monaten mehrten sich Gerüchte um die Entdeckung eines nicht nur bislang unbekannten, sondern auch die bisherige Physik revolutionierenden Elementarteilchens mit dem LHC-Teilchenbeschleuniger am europäischen Kernforschungszentrum CERN nahe Genf. Während vielerorts schon über eine bevorstehende offizielle Bestätigung dieser Entdeckung spekuliert wurde (…GreWi berichtete), haben die Forscher nun erklärt, die auf dieses Teilchen hindeutenden Daten hätten sich lediglich  als Messfehler herausgestellt.

Die unerwarteten Messergebnisse wurden bereits im vergangenen Dezember (2015) erstmals präsentiert (…GreWi berichtete): Während die Daten des Teilchendetektors ATLAS zunächst noch kontrovers als potentielle Messfehler gedeutet wurden, bestätigte eine zweite zeitgleiche Messung mit dem CMS-Detektor das Ergebnis offenbar umso deutlicher.

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„Das vermeintliche Teilchen“, so zeigten sich die CERN-Wissenschaftler zuvor noch fasziniert, „repräsentiert zwei hochenergetische Photonen, die aus dem Zerfall eines subatomaren Teilchens in Folge der Kollision zweier Protonen miteinander hervorgegangen sind. Es gleicht dem Signal, das 2012 zur Entdeckung des Higgs-Bosons geführt hatte. Aber dieses Teilchen ist kein Higgs-Boson: Es besitzt sechs mal mehr Masse als dieses und niemand hat bislang etwas derartiges vorhergesagt. (…) Sollten sich die Beobachtungen bestätigen, so wäre das revolutionär. Es könnte nicht weniger als den Sturz des Standardmodells der Teilchenphysik bedeuten, das bislang jegliche experimentellen Tests überstanden hat, denen es in seiner 40-jährigen Geschichte zur Überprüfung unterzogen wurde. (…) Dieses Standardmodell beschreibt aber nicht weniger als die grundlegenden Bausteine des Universums, wie sie funktionieren und damit prinzipiell auch jedes andere Phänomen in der Natur.“

Tatsächlich ist das Standardmodell aber exakt genug, als dass auf seiner Grundlage beispielsweise die Sonde „New Horizons“ punkt- und zeitgenau nach neun Jahren zum Pluto gelenkt werden konnte.

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Allerdings gibt es schon länger Wissenschaftler, die glauben, dass das Standardmodell unvollständig sein könnte: So lege etwa der Mechanismus, durch den Elementarteilchen ihre Masse erzeugen nahe, dass die Theorie im Angesichts höher Energiepotentiale modifiziert werden muss. Die jetzt diskutierten Messungen stellten sich bei einer Energie von 750 Gigaelektronenvolt (GeV) ein. Tatsächlich war und ist aber genau das der Grund, weswegen der CERN-Teilchenbeschleuniger zur Suche nach den Grundlagen dieser möglichen „neuen Physik“ konzipiert wurde.

Hätten sich die aktuell diskutierten Messungen bestätigt, so hätte aber genau dieser Erfolg die Physiker vor ein Problem gestellt, da bislang selbst jene Modelle, die als Alternative zum Standardmodell erdacht und diskutiert wurden, das so nachgewiesene Teilchen nicht vorhersagen.

Auf einer Pressekonferenz im Rahmen der „International Conference on High Energy Physics“ in Chicago am vergangenen Freitag, haben die Wissenschaftler nun jedoch erklärt, dass die umstrittenen Messungen seither trotz großem Aufwand nicht wieder reproduziert werden konnten und sich auch nicht in noch größeren Datensätzen der beiden CERN-Detektoren von 2016 zu finden lassen. „Offenbar handelte es sich lediglich um statistische Mess-Schwankungen und nicht um eine verifizierbare Entdeckung.“

Das nun verkündete „negative“ Ergebnis bedeute allerdings nicht, dass es die mit dem Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) gesuchten Belege für eine „neue Physik“ nicht existieren. Auch weiterhin haben die Arbeiten am CERN genau eine solche Suche und Entdeckung zum Ziel. Allerdings wisse man jetzt zumindest, wo man nach diesen Hinweisen nicht mehr suchen müsse.

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