KI beteiligt sich an SETI und findet sogleich 8 interessante SETI-Signale

Copyright/Quelle: Ma et al., Nature Astronomy 2023 / Breaththrough Listen
Toronto (Kanada) – Allerspätestens seit den jüngsten ebenso erstaunlichen wie schockierenden Leistungsdemonstrationen des textbasierten Dialogsystems „ChatGPT“ ist die künstliche Intelligenz als die nächste technologische Revolution unseres Alltags in aller Munde. Auch Astronomen und Astronominnen der SETI-Initiative „Breakthrough Listen“ haben die KI für die Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) genutzt und schon jetzt liegen 8 neue interessante Signale vor, die so nur durch maschinelles Lernen gefunden und von klassischen SETI-Analysen übersehen wurden.
In einer kommenden Ausgabe des Fachjournals „Nature Astronomy“ wird das „Breakthrough Listen“-Team die Ergebnisse einer neuen Methode zur KI-basierten Datensuche bekannt gegeben. Ein Pre-Print des Fachartikels wurde jedoch schon jetzt von der 2015 von dem russisch-israelischen Unternehmer, Investor und Milliardär Yuri Milner gegründeten „SETI-Initiative „Breakthrough Listen“ veröffentlicht.
– Das Pre-Print dieses Fachartikels finden Sie HIER
Hierzu analysierte das Team um den Mathematiker Peter Xiangyuan Ma von der University of Toronto 115 Millionen Datenauszüge aus 480 Stunden Beobachtungsdaten zu 820 anvisierten Zielen, die mit dem Green Bank Telescope (GBT) in West Virginia ins Visier genommen wurden. Am Ende des komplexen Analyseprozesses verblieben 8 zuvor unentdeckte und mit der klassischen SETI-Methode übersehene, interessante Signale, die „bestimmte Eigenschaften aufweisen, die von echten sog. Technosignaturen erwartet werden“. Bei Technosignaturen handelt es sich um Signale oder Detektionen, die auf die Nutzung von Technologie auf einem anderen Himmelskörper als der Erde hindeuten.
Hintergrund
„Das Hauptproblem bei jeder Suche nach Technosignaturen besteht darin, diesen riesigen Heuhaufen von Signalen zu durchsuchen, um die Nadel zu finden, die eine Übertragung von einer fremden Welt sein könnte“, erklärt Dr. Steve Croft, ein Astrophysiker des Breakthrough-Listen-Teams an der University of California, Berkeley. „Die überwiegende Mehrheit der von unseren Teleskopen erfassten Signale stammt von unserer eigenen Technologie – GPS-Satelliten, Mobiltelefonen und dergleichen. Peters Algorithmus gibt uns eine effektivere Möglichkeit, den Heuhaufen zu filtern und Signale zu finden, die die Eigenschaften haben, die wir von Technosignaturen erwarten.“Die klassischen Technosignatur-Algorithmen sind derart effektiv, dass mit ihnen selbst die NASA.-Raumsonde „Voyager 1“ in 20 Milliarden Kilometern Entfernung identifiziert werden kann. Allerdings kämpfen diese Algorithmen in überfüllten Bereichen des Funkspektrums – eine Herausforderung, die dem Lauschen nach einem Flüstern in einem überfüllten Raum gleicht.
Der von Ma, Kollegen und Kolleginnen nun entwickelte Prozess fügt nun simulierte Signale in reale Daten ein und trainiert einen als Autoencoder bekannten KI-Logarithmus, um ihre grundlegenden Eigenschaften zu lernen. Die Ausgabe dieses Prozesses wird dann in einen zweiten Algorithmus eingespeist, der als „Random Forest Classifier“ bekannt ist und lernt, die Kandidatensignale vom verrauschten Hintergrund zu unterscheiden. „Im Jahr 2021 entdeckten unsere klassischen Algorithmen ein interessantes Signal mit der Bezeichnung BLC1 in Daten des Parkes-Teleskops“ (…GreWi berichtete), erläutert Dr. Andrew Siemion, leitender Forscher von „Breakthrough Listen“. „Peters Algorithmus ist sogar noch effektiver beim Auffinden solcher Signale.“ Cherry Ng, eine weitere Forschungsberaterin von Ma an der University of Toronto und jetzt Astronomin am französischen „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) sagte: „Diese Ergebnisse veranschaulichen auf dramatische Weise die Leistungsfähigkeit der Anwendung moderner maschineller Lern- und Computervisionsmethoden auf die daraus resultierenden Datenherausforderungen in der Astronomie sowohl bei neuen Erkennungen als auch bei höherer Leistung. Die Anwendung dieser Techniken im großen Maßstab wird die Wissenschaft der Funk-Technosignatur gewaltig verändern.“
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Tatsächlich erwartet die SETI schon sehr bald gewaltige Datensätze neuer Teleskope und Teleskopanlagen, wenn etwa in Südafrika sich die MeerKAT-Teleskopanlage rund um die Uhr SETI betreiben und dabei fortwährend gewaltige Datenmengen liefern wird (…GreWi berichtete) „Hierfür reichen die traditionelleren Methoden der Suche nach außerirdischem Leben einfach mehr nicht aus“, so Ma.
Alle fünf potenziellen Signalquellen der insgesamt 8 „interessanten Signale“ stammen von sonnennahen Sternen, Sternen also, die weniger als 100 Lichtjahre (Lj.) von uns entfernt sind: Zwei Signale wurden aus Richtung des 34 Lichtjahre entfernten Sterns „HIP 13402“ detektiert. Jeweils zwei weitere von den Sternen „HIP 54677“ (70.35 Lj.) und „HIP 62207“ (57.2 Lj.). Die restlichen fünf Signale wurden aus Richtung der Sterne „HIP 118212“ (56.61 Lj.), „HIP 56802“ (87 Lj.).
Die fünf Ziele wurden danach (am 21. Mai 2022) mit dem Green Bank Telescope erneut und gezielt abgesucht, ohne jedoch ähnliche Signale zu finden. „Jeder Technosignatur-Kandidat muss jedoch stets bestätigt werden“, erläutert Dr. Andrew Siemion, der Hauptuntersucher der Breakthrough-Initiative und führt dazu weiter aus: „Als wir uns diese Ziele erneut mit dem GBT ansahen, tauchten die Signale aber nicht wieder auf. Indem wir diese neue Technik auf noch größere Datensätze anwenden, können wir Kandidaten für Technosignaturen und hoffentlich schließlich sogar eine bestätigte Technosignatur effektiver identifizieren.“
„Unabhängig von der Frage nach der wahren Natur der Signale, zeigt dies zumindest, dass es sich bei diesen Signalen nicht um fortwährende Signale handelt“, so das Team um Ma in seinem Fachartikel.
„Da das Hauptziel dieser Arbeit darin besteht, maschinelles Lernen (ML/KI) anzuwenden, um Signale mit einem bestimmten Muster zu identifizieren, versuchen wir nicht, eine definitive Schlussfolgerung darüber zu ziehen, ob diese 8 Signale von einer außerirdischen Intelligenz produziert wurden.“ (Anm. GreWi: Aussagen in Nachrichtenmeldungen anderer deutschsprachiger Quellen, wonach die Autoren und Autorinnen davon ausgehen, „dass es sich trotzdem um menschengemachte Radiointerferenzen gehandelt haben könnte, deren genauer Ursprung sich nicht mehr rekonstruieren lässt“, konnte GreWi bis zum Redaktionsschluss dieser Meldung nicht verifizieren. Aus dem Pre-Print, auf dem die hiesige GreWi-Meldung beruht, geht diese Aussage zumindest so nicht hervor, siehe voriges unterstrichenes Zitat.)
Nun hofft das Team um Ma, dass die Ergebnisse anderen Kollegen und Kolleginnen zu weiteren Folgebeobachtungen der Ziele inspirieren werden.
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Recherchequellen: Breakthrough Listen, eigenen Recherche grenzwissenschaft-aktuell.de
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