Kleinste Tröpfchen aus Urmaterie im Labor erzeugt
Boulder (USA) – Unter Laborbedingungen haben Wissenschaftler winzige Tröpfchen jener ultraheißen Materie erzeugt, wie sie einst vermutlich das frühe Universum füllte. Wie sich zeigt, bildet dieses Quark-Gluon-Plasma erstaunliche geometrische Formen aus.
Wie das Team um Prof. Jamie Nagle von der University of Colorado at Boulder aktuell im Fachjournal „Nature Physics“ (DOI: 10.1038/s41567-018-0360-0) berichten, basiert ihr Experiment mit der Bezeichnung „PHENIX“ auf der Arbeit eines internationalen Teams von Wissenschaftlern und konzentrierte sich auf einen flüssigkeitsähnlichen Aggregatzustand, das sog. Quark-Gluon-Plasma. Physiker gehen davon aus, dass diese Materie das gesamte Universum in den ersten Mikrosekunden nach dem Urknall füllte, als das Universum noch zu heiß war, um Teilchen zu Atomen zusammenzubringen.
2000 begannen Wissenschaftler mit der Erforschung dieser Materie am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in Brookhaven. Hier brachten sie schwere Goldatomkerne zur Kollision und erzeugten dabei Temperaturen von mehreren Milliarden Grad Celsius. Aus diesem Prozess gingen Quarks und Gluonen hervor (also jene subatomaren Partikel, aus denen sich alle Protonen und Neutronen zusammensetzen), die sich von ihren Atomketten lösten und sich nahezu frei bewegten.
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Einige Jahre später berichtete eine weitere Gruppe von Forschern, dass sie ein Quark-Gluon-Plasma nicht durch das die Kollision von zwei Atomen, sondern durch die Kollision zweier Protonen erzeugt hatten.
Dieser Vorgang war für die Forscher überraschend, gingen die meisten Wissenschaftler doch davon aus, dass einzelne Protonen nicht genug Energie liefern konnten, um etwas herzustellen, das wie eine Flüssigkeit fließen konnte.
Für ihr aktuelles Experiment nutzten die Wissenschaftler nun den Teilchenbeschleuniger des Brookhaven National Laboratory in Upton, New York, um dieses Ur-Plasma nachzubilden. In einer Reihe von Tests zerschlugen die Forscher Pakete aus Protonen und Neutronen in verschiedenen Kombinationen in deutlich größere Atomkerne.
Tatsächlich entstanden dabei kleinste Tröpfchen aus Quark-Gluon-Plasma, die sich in der Folge zu drei verschiedenen geometrischen Mustern ausdehnten: „Unser experimentelles Ergebnis hat uns der Beantwortung der Frage, was die kleinste Menge an Materie des frühen Universums ist, die existieren kann, viel näher gebracht“, erklärt Nagle und führt dazu weiter aus: „Man stelle sich vor, man habe zwei Tropfen, die sich in ein Vakuum ausdehnen. Wenn die beiden Tröpfchen wirklich dicht beieinander liegen, dann laufen sie beim Ausbreiten ineinander und stoßen gegeneinander, und genau das ist es, was dieses Muster erzeugt.“
Mit anderen Worten: „Wirft man zwei Steine dicht nebeneinander in einen Teich, fließen die Wellen dieser Stöße ineinander und bilden ein Muster, das einer Ellipse ähnelt. Das Gleiche könnte also der Fall sein, wenn man ein Proton-Neutronen-Paar, genannt Deuteron, zu etwas Größerem kollidieren lässt“, argumentierten Nagle und Kollegen. Ebenso könnte sich ein Protonen-Proton-Neutronen-Trio, auch bekannt als Helium-3-Atom, zu so etwas wie einem Dreieck ausdehnen, vermuteten die Forscher.
Tatsächlich belegte das PHENIX-Experiment nun genau dies: „Kollisionen von Deuteronen bildeten kurzlebige Ellipsen, Helium-3-Atome bildeten Dreiecke und ein einziges Proton explodierte in Form eines Kreises“ (s. Abb.).
Die Ergebnisse könnten Theoretikern helfen, besser zu verstehen, wie das ursprüngliche Quark-Gluon-Plasma des Universums über Millisekunden abgekühlt wurde und die ersten existierenden Atome hervorbrachte.
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