Cambridge (USA) – Nicht das Vorhandensein, sondern der Mangel eines bestimmten chemischen Merkmals in der Atmosphäre eines fernen erdartigen Planeten könnten ein neuer Hinweis auf dortiges Wasser und sogar auf Leben sein. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie von Planetenwissenschaftlern aus England und den USA.
Wie das Team um Julien de Wit vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) gemeinsam mit Kollegen um Amaury Triaud von der University of Birmingham, sowie der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI), der französischen Ècole Polytechnique und dem Laboratoire d’astrophysique de Bordeaux aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-023-02157-9) berichtet, bestehe die beste Chance für Astronomen, flüssiges Wasser und sogar Leben auf anderen Planeten zu finden, darin eher nach dem Fehlen als nach dem Vorhandensein eines chemischen Merkmals in deren Atmosphären zu suchen.
Sollte also in einem fernen Planetensystem ein erdartiger Planet entdeckt werden, in dessen Atmosphäre wesentlich weniger Kohlendioxid vorhanden ist, als auf anderen Planeten im selben System, so könnte dies ein Zeichen für flüssiges Wasser – und möglicherweise Leben – auf der Oberfläche dieses Planeten sein. Besonders spannend an dieser neuen Erkenntnis: Diese neue Biosignatur liegt mitten im Visier des „James Webb Space Telescope“ (JWST).
Während zuvor andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen andere Anzeichen der Lebensfreundlichkeit von Exoplaneten vorgeschlagen haben, sind die meisten dieser Marker mit aktuellen Technologien schwierig, wenn nicht sogar unmöglich zu messen. Das Team sagt, dass diese neue Signatur aus relativ reduziertem Kohlendioxid das einzige Zeichen für Lebensfreundlichkeit eines Planeten ist, das derzeit erkennbar ist.
„Der Heilige Gral in der Exoplanetenwissenschaft besteht darin, nach lebensfreundlichen Welten und der Anwesenheit von Leben zu suchen. Aber alle Merkmale, über die bisher gesprochen wurde, lagen außerhalb der Reichweite selbst der neuesten Observatorien wie JWST“, so Julien de Wit „Jetzt haben wir eine Möglichkeit herauszufinden, ob es auf einem anderen Planeten flüssiges Wasser gibt. Und das können wir schon in den nächsten Jahren erreichen.“
Hintergrund
Bisher wurden mehr als 5.200 Planeten jenseits unseres eigenen Sonnensystems entdeckt. Mit aktuellen Teleskopen können Astronomen direkt die Entfernung eines Planeten zu seinem Stern und die Zeit messen, die er für eine Umlaufbahn benötigt. Diese Messungen können Wissenschaftlern dabei helfen, Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob sich ein Planet in einer bewohnbaren Zone befindet. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, direkt zu bestätigen, ob ein Planet tatsächlich lebensfreundlich ist, bzw. ob auf seiner Oberfläche flüssiges Wasser und damit zumindest die Grundlage des uns bekannten Lebens existieren kann. In unserem eigenen Sonnensystem können Wissenschaftler das Vorhandensein flüssiger Ozeane erkennen.
„Die Idee kam uns, als wir untersuchten, was mit den terrestrischen Planeten in unserem eigenen System vor sich geht“, erläutert Triaud. Venus, Erde und Mars haben Ähnlichkeiten darin, dass alle drei felsig sind und in einer relativ gemäßigten Region um die Sonne kreisen. Die Erde ist der einzige Planet im Trio, der derzeit flüssiges Wasser beherbergt. Unser Team stellte aber noch einen weiteren offensichtlichen Unterschied fest: Im Verhältnis weist die Erde hat deutlich weniger Kohlendioxid in ihrer Atmosphäre auf. (…) Wir gehen davon aus, dass diese drei Planeten auf ähnliche Weise entstanden sind, und wenn wir jetzt einen Planeten mit viel weniger Kohlenstoff sehen, muss er schließlich irgendwohin gegangen sein“, so Triaud weiter. „Der einzige Prozess, der einer Atmosphäre so viel Kohlenstoff entziehen könnte, ist ein starker Wasserkreislauf, an dem Ozeane mit flüssigem Wasser beteiligt sind.“
Tatsächlich haben die Ozeane der Erde eine wichtige und nachhaltige Rolle bei der Aufnahme von Kohlendioxid gespielt. Im Laufe von Hunderten von Millionen Jahren haben die Ozeane eine gewaltige Menge Kohlendioxid aufgenommen, die fast jener Menge entspricht, die heute in der Atmosphäre der Venus verbleibt. Dieser planetarische Effekt hat dazu geführt, dass die Erdatmosphäre im Vergleich zu ihren Nachbarn auf dem Planeten deutlich weniger Kohlendioxid enthält. „Auf der Erde wurde ein Großteil des atmosphärischen Kohlendioxids im Laufe geologischer Zeitskalen in Meerwasser und festem Gestein gebunden, was über Milliarden von Jahren zur Regulierung des Klimas und der Bewohnbarkeit beigetragen hat“, sagt Co-Autor der Studie, Frieder Klein.
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Das Team kam zu dem Schluss, dass die Feststellung eines ähnlichen Kohlendioxidabbaus auf einem weit entfernten Planeten im Vergleich zu seinen Nachbarplaneten ein zuverlässiges Signal für flüssige Ozeane und damit vermutlich auch für Leben auf seiner Oberfläche wäre: „Nachdem wir die Literatur aus vielen Bereichen von der Biologie über die Chemie bis hin zur Kohlenstoffsequestrierung im Zusammenhang mit dem Klimawandel ausführlich durchgesehen haben, glauben wir, dass, wenn wir eine Kohlenstoffverarmung feststellen, dies tatsächlich ein starkes Zeichen für flüssiges Wasser oder sogar für Leben sein kann“, sagt de Wit.
In ihrer aktuellen Studie haben die Forscher und Forscherinnen eine Strategie zur Erkennung lebensfreundlicher Planeten durch die Suche nach einer Signatur für dieses abgereicherte Kohlendioxid entworfen: „Eine solche Suche würde am besten in Planetensystemen funktionieren, in denen gleich mehrere terrestrische Planeten, alle etwa gleich groß, relativ nahe beieinander ihren Stern kreisen, ähnlich wie die Felsplaneten in unserem eigenen Sonnensystem.“
Der erste Schritt besteht demnach darin, zu bestätigen, dass die Planeten Atmosphären haben, indem einfach nach dem Vorhandensein von Kohlendioxid gesucht wird, von dem erwartet wird, dass es in den meisten Planetenatmosphären vorherrscht. „Kohlendioxid ist ein sehr starker Absorber im Infrarotbereich und lässt sich leicht in der Atmosphäre von Exoplaneten nachweisen“, erklärt de Wit. Sobald dann festgestellt würde, dass mehrere Planeten in einem System Atmosphären beherbergen, können man mit der Messung ihres Kohlendioxidgehalts fortfahren, um so festzustellen, ob einer der Planeten deutlich weniger Kohlendioxid enthält als die anderen. Wenn ja, ist der Planet wahrscheinlich lebensfreundlich, was bedeutet, dass er auf seiner Oberfläche erhebliche Mengen flüssigen Wassers beherbergt. Lebensfreundliche Bedingungen bedeuten jedoch nicht unbedingt, dass ein Planet auch Leben trägt ist. Um herauszufinden, ob es tatsächlich Leben gibt, schlägt das Team vor, dass Astronomen zudem nach einem anderen Merkmal in der Atmosphäre eines Planeten suchen: Ozon.
Auf der Erde stellen die Forscher fest, dass Pflanzen und einige Mikroben zur Kohlendioxidbindung beitragen, wenn auch nicht annähernd so viel wie die Ozeane. Dennoch geben die Lebensformen im Rahmen dieses Prozesses Sauerstoff ab, der mit den Photonen der Sonne reagiert und sich in Ozon umwandelt – ein Molekül, das viel einfacher zu erkennen ist als Sauerstoff selbst.
Die Forschenden um de Wit erklären, dass wenn die Atmosphäre eines Planeten Anzeichen von Ozon und abgereichertem Kohlendioxid aufweist, es sich wahrscheinlich um eine lebensfreundliche Welt handelt: „Wenn wir Ozon sehen, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass es mit dem Kohlendioxidverbrauch des Lebens zusammenhängt“, sagt Triaud. „Und wenn es Leben ist, dann ist es herrliches Leben. Es wären nicht nur ein paar Bakterien. Es wäre eine Biomasse im Planetenmaßstab, die in der Lage ist, eine große Menge Kohlenstoff zu verarbeiten und mit ihm zu interagieren.“
Das Team schätzt, dass das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA Kohlendioxid und möglicherweise Ozon in nahe gelegenen Multiplanetensystemen wie etwa TRAPPIST-1 messen könnte – einem System mit sieben Planeten, das einen hellen Stern umkreist, nur 40 Lichtjahre von der Erde entfernt. „TRAPPIST-1 ist eines der wenigen Systeme, bei denen wir mit JWST terrestrische Atmosphärenstudien durchführen konnten“, sagt de Wit abschließend. „Jetzt haben wir einen Fahrplan für die Suche nach bewohnbaren Planeten. Wenn wir alle zusammenarbeiten, könnten in den nächsten Jahren bahnbrechende Entdeckungen gemacht werden.“
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Recherchequelle: MIT
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